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Kulturhauptstadt 2025

Wie Chemnitz mit Kunst und Kultur neue Wege geht

Der Kunst- und Skulpturenweg „Purple Path“ ist eines der Hauptprojekte der europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025. Der Pfad, der die Stadt mit 38 Nachbarkommunen verbindet, setzt auf einen Imagewandel.Regine Müller 29.05.2025 - 08:58 Uhr Artikel anhören
Olaf Holzapfel: Die 14 Meter hohe Holzskulptur „Zwei in ein ander Gewobene“ auf der Dittersdorfer Höhe bei Amtsberg erinnert an die Türme, die in Sachsen über vermarkten Festpunkten errichtet wurden und als Vermessungsstationen zur Kartierung des Königreichs dienten. Foto: Maurice Weiss

Chemnitz. Es kam damals ziemlich überraschend, dass 2020 die sächsische Stadt Chemnitz den Zuschlag für die Kulturhauptstadt 2025 erhielt und damit unter anderem das touristisch so begehrte Dresden und Nürnberg ausstach. Für Chemnitz aber sprach nach Auffassung der Kommission insbesondere der Plan, dem Image der Stadt als überalterte Plattenbauwüste und Hochburg des Rechtsextremismus vitale Kulturimpulse entgegenzusetzen. In Chemnitz fand seinerzeit das NSU-Trio Unterschlupf; und im Sommer 2018 marschierte dort ein Riesenaufgebot von Neonazis neben AfD und Pegida und sogenannten „Menschen aus der Mitte“.

Nun läuft das Kulturhauptstadtjahr bereits auf vollen Touren, und wie es Brauch ist bei Kulturprojekten des 21. Jahrhunderts, muss der Leitspruch des Projekts auf Englisch daherkommen: „C the Unseen“ lautet das in ein umständlich zu lesendes Logo gepresste Motto. Es will den ersehnten Imagewandel bewirken.

Der „Purple Path“ ist eines der nachhaltig gedachten Hauptprojekte des Kulturhauptstadtjahrs. Dabei handelt es sich um einen weiträumigen Skulpturenpfad im Erzgebirge, der schon mit seinem Namen auf das Prinzip Hoffnung des christlich geprägten Bergbaus anspielen will. Denn in der christlichen Tradition steht die liturgische Farbe Violett für die Empathie in der Passionszeit und für die Hoffnung der Adventszeit. Dem Bergbau sei diese Symbolik „eingeschrieben“, heißt es in einer der Publikationen der Kulturhauptstadt. Der Purpurpfad sei mit seinen frei zugänglichen zeitgenössischen Kunstwerken ein „künstlerisches Angebot“, die Region mit neuen Augen zu sehen und Möglichkeiten zu finden, alte Wunden zu heilen. Das künstlerische Narrativ des Pfads ist komprimiert auf die griffige Formel „Alles kommt vom Berg her“.

Stefan Schmidtke ist Geschäftsführer der Kulturhauptstadt. Er beantwortet im Besuchs- und Informationszentrum Hartmannfabrik fast alle Fragen der eigens zur Begehung des „Purple Path“ angereisten Presse. Die Zahlen hat er parat: Jeweils 25 Millionen Euro steuern Bund, Land und Stadt bei, mit zusätzlichen Mitteln beträgt das Gesamtbudget etwa 110 Millionen Euro, wovon ein großer Teil in Infrastrukturmaßnahmen fließt. 50 Millionen aber sind gebunden an das Kunst- und Kulturprogramm, das vor allem durch den „Purple Path“ bewusst dezentral angelegt ist und die am Projekt beteiligten Kommunen aktiv einbindet.

Nicht entlocken lässt Schmidtke sich die detaillierten Kosten einzelner großer Kunstobjekte, die womöglich unliebsame Diskussionen aufkommen lassen würden. Sicher fließt ein satter Teil des Budgets in die noch nicht eröffnete Kunsthalle auf dem Areal des früheren Steinkohlebergwerks in Oelsnitz. Dort soll eine Lichtinstallation des US-amerikanischen Land-Art-Stars James Turrell gezeigt werden.

Michael Sailstorfer: In Zschopau wurden bis 2009 die legendären MZ-Motorräder gebaut. Darauf bezieht sich die Skulptur „Fließgleichgewicht“, deren Konstruktion an einen Seitenspiegel erinnert. Foto: Maurice Weiss; VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Arbeiten von mehr als 60 Künstlerinnen und Künstlern sind seit der Eröffnung nun schon im Erzgebirge zu sehen. Man braucht viel Zeit und eine gute Logistik, um die Kunst zu entdecken. Viele Werke sind unauffällig, ja beiläufig positioniert, andere weithin sichtbar oder schon deshalb nicht zu übersehen, weil sie alltägliche Wege kreuzen und neu definieren.

Der 100 Meter lange Fußgängertunnel des Bahnhofs in Flöha etwa macht Tanja Rochelmeyers Arbeit „Glance“ (flüchtiger Blick) zu einer begehbaren Installation. 171 rechteckige Tafeln zeigen Elemente wie Rahmen, stilisiertes Mauerwerk, Rechtecke und Buchstaben, die den Stadtnamen Flöha ergeben. Die heiter stimmende Arbeit auf abwischbaren Aluminiumplatten will an die Arbeiterinnen und Arbeiter der nahen Baumwollspinnerei erinnern.

Imposant reckt sich Olaf Holzapfels 14 Meter hohe Holzskulptur „Zwei in ein ander Gewobene“ in den kühlen Vorfrühlingshimmel auf der Dittersdorfer Höhe bei Amtsberg. Die Skulptur des in Dresden geborenen Künstlers erinnert an die Türme, die in Sachsen über vermarkten Festpunkten errichtet wurden und als Vermessungsstationen zur Kartierung des Königreichs dienten.

Leicht zu übersehen dagegen ist Michael Sailstorfers „Fließgleichgewicht“ am Ufer des Flusses Zschopau, eine Konstruktion aus Stahlrohr mit einem Spiegel über dem Fluss, in dessen konvexen Oberflächen sich die Umgebung und das fließende Wasser spiegeln. Das Werk verweist auf Seitenspiegel von Motorrädern und damit auf die ehemalige Motorradstadt, die bis 2009 die legendären MZ-Zweiräder produzierte.

Noch unauffälliger in das Umfeld integriert sind die sanft schaukelnden Laternen von Nevin Aladağ über dem Teich im Austelpark in Zwönitz. Die Künstlerin hat für „Color Floating“ Designlampen der 1960er-Jahre mit farbigen und unterschiedlich gemusterten Strumpfhosen überzogen – eine Reminiszenz an die örtliche Strumpffabrik, die das Material für die Arbeit lieferte.

Partizipation ist das Schlüsselwort für das Konzept des „Purple Path“. Keines der Kunstwerke wurde einfach platziert, sondern Auswahl und Standorte wurden in der jahrelangen Vorbereitung in regelmäßigen Treffen mit den jeweiligen Bürgermeistern diskutiert. Die wiederum mussten in ihren Gemeinden das Für und Wider der Investitionen abstimmen.

Rebecca Horn: Freiwillige hüten in der Hospitalkirche in Lößnitz die fragile Großinstallation „The Universe in a Pearl“. Foto: Maurice Weiss; Moontower Foundation/Museum Wiesbaden; VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Über die Resonanz weiß Kurator Alexander Ochs zu berichten: „Unterschiedlich, aber in der Regel sehr gut. Viele Werke gab es ja schon vorher; wir haben sie angekauft und mit den Künstlerinnen und Künstlern die Kontexte besprochen. Andere Arbeiten wurden modifiziert, dritte neu entwickelt und in der Regel auch in Werkstätten und Betrieben der Region produziert.“ Man habe nicht wie die Besatzung von Ufos auftreten wollen, „die einfliegen, ihr Ding machen, um dann zum nächsten Projekt durchzustarten“, erklärt Ochs das Bemühen, größtmögliche Akzeptanz in der Bevölkerung herzustellen.

Eine große Schar von ehrenamtlichen Helfern unterstreicht die Begeisterung für die Projekte, wie etwa bei Rebecca Horns faszinierender Großinstallation „The Universe in a Pearl“, die in der Hospitalkirche in Lößnitz so magisch wirkt, als sei sie für diese Kirche gemacht. Hier hüten Freiwillige das fragile Kunstwerk und sprechen mit Feuereifer über die Wirkung vor Ort.

Kritiker bemängeln, dass sich im Programm der Kulturhauptstadt kaum eine Auseinandersetzung mit den Ausschreitungen von 2018 findet, es ist sogar von „Artwashing“ die Rede. Geschäftsführer Stefan Schmidtke setzt auf die nachhaltigen Wirkungen der Kunstimpulse: „Es geht um einen emotionalen Umschwung; ich denke, wir haben die schlechte Laune reduziert.“

Mehr: Londons erfolgreicher Kampf gegen den Abschwung

Erstpublikation: 27.05.2025, 11:17 Uhr.

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