Messebericht
Vorsichtig optimistische Töne

Basel. Die künstlerische Gestaltung des Messeplatzes in Basel trifft den Zeitgeist punktgenau. Graffiti-Schlieren in Rot und Weiß ziehen sich über den gesamten Platz und die Messehalle. Kein Weizenfeld oder eine Gemeinschaftsküche wie in den letzten Jahren, als die gesellschaftliche Dimension von Kunst im Stadtraum manifest wurde, sondern eine abstrakte große Geste stimmt die Besucher auf das ein, was die wichtigste Kunstmesse der Welt drinnen offeriert.
Das jährlich von der „Art Basel“ in Auftrag gegebene Kunstwerk stammt von Katharina Grosse und wirkt in seinem großflächigen All-over wie aus dem Ruder gelaufene Straßenmalerei. Das macht in der Realität einen etwas beliebigen Eindruck. Seine Wirkung entfaltet das Werk erst im Foto, wo es einen gewaltigen Tiefensog entwickelt und die Szene wie eine digitale Bearbeitung aussehen lässt. Das ist perfektes Instagram-Material und wohl auch genau so gewollt. Das Werk kann durchaus als Ausdruck des im Kunstmarkt herrschenden Zeitgeists gesehen werden: Instagram muss zumindest immer mitgedacht werden, Bezüge zur gesellschaftlichen Realität sollten möglichst dekorativ sein (Symbolfarben Rot und Weiß) und der Wiedererkennungswert hoch.
Die inhaltlich spannendste Ausgabe war für dieses Jahr ohnehin nicht zu erwarten angesichts eines hartnäckig schwächelnden Kunstmarkts und einer fragilen Weltlage. Immerhin ist festzustellen, dass die westliche Einseitigkeit aufgebrochen scheint – der globale Süden ist an vielen Stellen vertreten, ohne besonders herauszustechen. Das Schrille und Grelle, das in Boomzeiten oft auf sich aufmerksam machte, scheint aktuell ohnehin nicht besonders zu sein.
Groß waren die Erwartungen der Galerien daher im Vorfeld nicht, umso erfreulicher ist der Zuspruch der ersten Tage in Basel, auch wenn sich der Besuch aus den USA stark in Grenzen hält. Zumindest aus Europa sind Sammlerinnen und Sammler angereist, was sich in den Verkäufen widerspiegelt. Im oberen Stockwerk mit der tendenziell jüngeren Kunst, die kaum je die Millionengrenze übersteigt, waren am Ende des ersten VIP-Tages vorsichtig optimistische Töne zu vernehmen, allerdings auch Realitätssinn.

Während im Erdgeschoss die Megagalerien mit ihren Blue-Chip-Positionen zuverlässig bereits ab 15 Uhr ihre Aufzählungen verkaufter Werke mit sieben- und niedrig achtstelligen Preisen begleitet von Jubelzitaten an die Presse verschickten, fiel doch auf, wie viele Verkäufe selbst im fünfstelligen Bereich der Erwähnung wert schienen. Marc Glimcher, CEO der Pace Gallery, behauptet sogar, alle hätten die New Yorker Auktionsergebnisse falsch gelesen, der Markt hätte Fahrt aufgenommen: „Wir können uns an unserem Stand kaum bewegen, und die Verkaufszahlen sind so gut wie in den letzten Jahren. Es ist offensichtlich, dass die Energie zum Sammeln wieder da ist.“
Bei den kleineren Galerien ist derartiges PR-Geklingel nicht zu hören. Saskia Draxler von der Galerie Nagel Draxler (Berlin, Köln) erklärt, dass sich gute Kunst nach wie vor vermitteln lasse. Der Aufwand, den sie betreiben müssten, sei jedoch größer als früher. Ohne gründliche Vorbereitung und Kommunikation mit den Kunden im Vorfeld sei eine Messeteilnahme nicht erfolgversprechend. Das Hoffen auf Zufallskunden gehöre der Vergangenheit an. Alexander Sies von Sies & Höke aus Düsseldorf erklärt, die Branche habe seit 2011 keinen Zyklus erlebt. Werke junger Künstler, die für Preise um 100.000 Dollar von den Galerien verkauft wurden, seien direkt in die Auktion gegangen und dort für ein Vielfaches weitergereicht worden. Das sei einfach nicht nachhaltig gewesen und diese Zeiten zum Glück vorbei. Er sei schon zu lange in der Branche aktiv, um sich von der aktuellen Korrektur nervös machen zu lassen.
Die Art Basel in Basel ist mittlerweile nur noch eine von fünf Messen des Konzerns (neben Hongkong, Miami, Paris und neuerdings Katar), sie sei jedoch nach wie vor dessen Herzstück, erklärt Art-Basel-Direktorin Maike Cruse. Sie berichtet von leicht gestiegenen VIP-Zusagen, vor allem aus Südostasien und von Museumsgruppen. Seit der Ankündigung einer Ausgabe in Katar gebe es auch vermehrt Interesse von dort an der Muttermesse. Um den Standort Basel müsse man sich keine Sorgen machen. Im Gegenteil: „Jeder neue Standort hat für uns einen neuen Markt in der Tiefe erschlossen. Es gibt keine Messe, die so hohe Qualität in dieser Breite anbietet“, sagt sie. „Basel ist weltweit einzigartig.“

Das ist richtig, liegt aber nicht nur an der Hauptmesse. Denn ohne die Vielzahl hochkarätiger Begleitveranstaltungen wäre Basel wohl kaum noch so zentral für die Kunstszene. Gemeint sind weniger die oft herangezogenen institutionellen Ausstellungen als vielmehr die Satellitenmessen, unter denen die „Liste“ zu ihrem 30-jährigen Jubiläum nicht mehr unangefochten an der Spitze steht. Die neue Direktorin Nikola Dietrich (vormals Kölnischer Kunstverein und Museum für Gegenwartskunst Basel) hat jedoch gründlich aufgeräumt und das von Galeristen wie Besuchern als trist empfundene Hallenlayout aufgebrochen. Gleichzeitig wurde die Teilnehmerzahl um zehn Prozent auf 99 erhöht. Knapp die Hälfte der Galerien sind zum ersten Mal dabei. Der Andrang zur Eröffnung am Montag war so groß wie schon seit Jahren nicht mehr.
Die Begleitveranstaltung, über die am meisten gesprochen wird, ist jedoch der „Basel Social Club“. Die von einheimischen Kulturakteuren gegründete Veranstaltung sucht sich jedes Jahr einen neuen Ort. Aktuell lädt der Club in ein verschachteltes Altstadtgebäude mit über 100 Räumen, in dem bis vor Kurzem eine Privatbank ihren Sitz hatte. Die künstlerischen Positionen stammen aus der ganzen Bandbreite des Galerienspektrums, das meiste aus aktueller Produktion. Allerdings hat etwa die Berliner Galerie Neugerriemschneider auch ein museales Gemälde von Thomas Bayrle aus dem Jahr 1972 für 250.000 Euro mitgebracht. Ob sich dafür auf dem trubeligen Volksfest, das bei freiem Eintritt messetäglich bis Mitternacht geöffnet hat, ein Käufer finden lässt, ist jedoch eher fraglich. Auf alle Fälle haben die einheimischen und angereisten Kunstfreunde hier einen neuen Lieblingsort für dieses Jahr gefunden.