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„Ich kann als Berufseinsteiger heute viele Wünsche äußern“

Aus dem Handelsblatt-Archiv: Klaus Hurrelmann gilt als führender Generationenforscher. Was er über die vermeintlich faule Gen Z denkt und warum der Chef manchmal die Vaterrolle übernehmen muss, erklärt er im Interview.Julia Beil 23.06.2025 - 15:02 Uhr Artikel anhören
Die Bedürfnisse und Erwartungshaltung der Gen Z fußen auf dem Fachkräftemangel. Foto: ManpowerGroup Deutschland GmbH/A

Frankfurt. Sie seien faul, sie forderten zu viel und statt Leistung zu bringen, kümmerten sie sich lieber um ihre mentale Gesundheit: Plakative Vorurteile wie diese kursieren aktuell über die Generation Z – jene jungen Menschen, die zwischen 1997 und 2010 geboren wurden.

Ist dieser Blick auf die Jungen fair? Und woher kommt die Wut, die viele Ältere auf sie haben? Der Generationenforscher Klaus Hurrelmann, der sich seit Jahrzehnten mit Haltung, Wünschen und Ängsten junger Menschen befasst, gibt im Handelsblatt-Interview Antworten.

Lesen Sie hier das Interview zur Generation Z:

Herr Hurrelmann, ist die Jugend faul?
Nein. Die Generation Z, auf die Sie anspielen, zögert nur, die Verantwortung einfach so von den Älteren zu übernehmen. Viele Junge haben durchaus ein Interesse daran, Karriere zu machen. Aber nicht um jeden Preis. Man kann sagen: Die Gen Z ist eine „Ja, aber“-Generation.

„Ja“ zu mehr Freizeit, flexiblem Arbeiten und sinnstiftenden Jobs – „aber“ bitte keine Überstunden oder Führungsverantwortung?
Nein, das meine ich anders. „Ja“ zur Arbeit: Denn die Motivation zu arbeiten, die ist bei einem Großteil der Gen Z vorhanden. Sogar die Bereitschaft, Führungsverantwortung zu übernehmen, ist fast so hoch wie bei anderen Altersgruppen. Das zeigt unsere Forschung. Aber: Die jungen Leute wollen das nicht um jeden Preis. Sie wollen die Bedingungen nicht mehr von den bisherigen Chefinnen und Chefs diktiert bekommen. Sie wollen keine strikt hierarchischen Strukturen. Die Mehrheit der jungen Leute ist da ganz anders gestrickt.

Der Soziologe ist einer der bekanntesten Jugend- und Generationenforscher Deutschlands und arbeitet an der Hertie School in Berlin. Foto: Hertie School

Wie stellen sich junge Menschen denn Führung vor?
Als eine Funktion, in der man vor allem coacht. Dieses hierarchische Denken à la „Ich bin der Chef und bestimme“ – das ist bei ihnen unbeliebt. Sie wollen von einer Führungskraft mitgenommen werden, weiterentwickelt, beraten. Und sie wollen so auch selbst führen.

Klaus Hurrelmann
Der Forscher

Ist es nicht trotzdem typisch für junge Menschen, sich von ihrer Vorgänger-Generation abzugrenzen? Schon die 68er definierten sich auch über die Ablehnung ihrer Elterngeneration.
Der Vergleich zu den 68ern ist in meinen Augen sehr passend – aber in einer anderen Hinsicht. Genau wie die Generation Z waren auch die 68er sehr begehrte Arbeitskräfte. Die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt waren damals so, dass man als Nachfragender eine starke Position hatte. Die Unternehmen brauchten dringend gute Leute. Für diejenigen, die heute 30 bis 55 sind, war die Situation später ganz anders. Die konnten sich freuen, wenn sie überhaupt einen Arbeitsplatz kriegten. Und die Unternehmen konnten einfach ihre Bedingungen stellen.

Sie wurden viel gekuschelt und getröstet
Klaus Hurrelmann
Kinder- und Jugendforscher

Ist das der Grund, weshalb die Gen Z gerade bei so vielen für Empörung sorgt: dass hier junge Menschen einfach einfordern können, was sich viele Ältere jahrzehntelang erarbeiten mussten – oder sogar nie hatten?
Ich habe mich auch schon öfter gefragt, warum dieses Thema aktuell so viele Menschen aufregt. Die Fakten selbst können nicht der Auslöser sein: Unsere Forschung zeigt, dass die Unterschiede zwischen den Generationen nicht dramatisch groß sind. Ich bin mir ziemlich sicher, der Grund für den Unmut liegt in etwas anderem. Nämlich in der Tatsache, dass die Marktmacht der jungen Menschen heute so groß ist. Das hat es nicht mal bei den 68ern gegeben.

Hurrelmann: Gen Z kann sich Wünsche leisten

Das heißt?
Ich kann als Berufseinsteiger heute allerlei Wünsche artikulieren: Viertagewochen, Remote Work, flexible Arbeitszeiten. Und ich kann mir das einfach leisten! Denn am Ende sind die Unternehmen oft auf mich angewiesen. Das bringt eine völlig neue Dynamik in Vorstellungsgespräche, weil junge Menschen jetzt sehr selbstbewusst auftreten. Und diese Haltung der Gen Z ist eine Wahnsinnsprovokation für Unternehmen. Da platzt 60-jährigen Unternehmens- oder Personalchefs der Krawattenkragen, wenn sie sehen: Hier stellt sich einer vor mich – der noch dazu natürlich, anders als ich, nicht mal Krawatte trägt – und verhält sich, als wäre er seit 30 Jahren im Job.

Was entgegnen Sie Chefs, die sich darüber aufregen?
Dass sie trotzdem nicht ihr Klischee auf eine Minderheit übertragen sollen. Denn genau das sind die vermeintlich faulen jungen Leute – eine Minderheit. Klar gibt es welche, die unmotiviert sind, vielleicht nicht mal gut qualifiziert und dann gleich die kühnsten Forderungen stellen: freitags frei, komplett remote, nur Aufgaben mit echtem Purpose, also einem klar erkennbaren Sinn. Die stellen ihre Ansprüche dann unberechtigterweise. Aber das trifft vielleicht auf zehn Prozent der Generation Z zu, maximal zwanzig.

Was ist mit dem Rest?
Die restlichen 80 bis 90 Prozent sind ein riesiges Potenzial für Unternehmen. Sie wollen arbeiten und etwas erreichen, aber eben zu ihren Bedingungen. Ich rate Unternehmen übrigens auch dazu, sich klarzumachen: Nur weil jemand im Einstellungsprozess bestimmte Forderungen stellt, heißt das nicht, dass er oder sie sich später nicht auf Kompromisse einlassen wird. Im Vorstellungsgespräch tun Sie als Führungskraft erst mal gut daran, die Leute so zu nehmen, wie sie sind. Aber nach einem Jahr im Unternehmen können Sie vieles noch mal neu verhandeln, Arbeitszeit, Arbeitsort, Aufgabenfeld. Es hilft nur alles nichts: Dafür müssen Sie den jungen Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin erst mal an sich binden.

Haben Sie das Gefühl, dass aktuell die Generationen gegeneinander ausgespielt werden?
Ich sehe auf jeden Fall die Gefahr, dass in Deutschland ein Porträt über eine ganze Generation gezeichnet wird – basierend auf einem Klischee der Faulheit. Studien wie unsere Jugendtrendstudie können da wieder auf die Sachebene zurückführen. Genau deswegen haben wir die drei großen Altersgruppen im Arbeitsleben befragt, und zwar mit exakt identischen Fragebögen. Und siehe da: Die Unterschiede zwischen Boomern, Millennials und Gen Z sind längst nicht so krass, wie auch wir Forschenden gedacht hatten. Auch unter den Babyboomern gibt es beispielsweise genug, die keine besonders hohe Arbeitsmotivation haben oder nicht in eine Führungsposition wollen.

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Können auch solche Menschen von der Gen Z profitieren?
Ja. Durch ihre immense Marktmacht sorgen die Jungen langsam für eine Humanisierung der Arbeitsbedingungen. Denn Unternehmen müssen natürlich aufpassen, dass sie ihre älteren Angestellten auch fair behandeln. Wenn bei denen, die schon im Unternehmen sind, plötzlich der Eindruck entsteht: „Hey, die Neulinge kriegen hier eine Sonderbehandlung“, dann gibt es Unruhe. Deswegen müssen die Unternehmen neue Regeln finden, die für alle gelten. Und das ist natürlich wahnsinnig bitter für sie. Deswegen sind viele so sauer auf diese „arroganten jungen Leute“.

Die Beraterin Susanne Nickel hat in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ kürzlich folgende These aufgestellt: Mitglieder der Gen Z bräuchten „Nachbeelterung“ durch ihre Führungskräfte – weil ihre eigenen Eltern sie als Kinder entweder überbehütet oder überfordert hätten. Haben Sie dafür Belege?
Ob man das jetzt gut findet oder nicht: Die Eltern der Gen-Z-Mitglieder sind für deren Karrieren von ungeheurer Bedeutung. In allen Studien seit mehr als zwanzig Jahren hat sich gezeigt: Die Beziehungen zwischen ihnen und ihren Eltern sind extrem eng. Sie wurden viel gekuschelt und getröstet, auch im jungen Erwachsenenalter noch.

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Heißt das, sie haben keine realistischen Erwartungen an die Arbeitswelt mit auf den Weg bekommen?
Teilweise schon. Weil viele Eltern einerseits die Fähigkeiten ihrer Kinder überschätzt haben und andererseits überfürsorglich waren. Viele junge Menschen kommen deswegen mit der Erwartung ins Berufsleben, dass ihr Chef eine Mutter- oder Vaterfunktion übernimmt. Ich bin als Führungskraft also plötzlich Mama oder Papa.

… das dürfte für das Selbstbild altgedienter Führungskräfte eine mittlere Katastrophe sein, oder?
Oh, ja. Von Führungskräften wird heute mehr erwartet als vor zwanzig Jahren. Ich muss als Chefin oder Chef heute berücksichtigen, mit welchem elterlichen Führungsstil ein neuer Mitarbeiter groß geworden ist. Und dann muss ich mich darauf einstellen. Ich muss alles auf diese Person zuschneiden, ihre Bedürfnisse aufnehmen, ihr die richtigen Entfaltungsmöglichkeiten einräumen. Ich muss coachen, statt autoritär zu sein.

» Lesen Sie auch: Fünf Soft Skills, die Ihre Chancen auf eine C-Level-Position erhöhen

Glauben Sie, dass ältere Führungskräfte dieses Umdenken hinbekommen?
Es kann durchaus sein, dass gerade die älteren Chefinnen und Chefs diesen Sprung nicht mehr schaffen. Da ist eine Generationenblockade möglich. Es ist auch denkbar, dass viele junge Menschen sagen: Ich werde irgendwann Verantwortung übernehmen – aber erst dann, wenn diese älteren Führungskräfte nicht mehr da sind. Solange halte ich mich in Lauerstellung.

Eine Generationenblockade – das klingt nicht gut. Wie blicken Sie in die Zukunft unserer Arbeitswelt?
Sehr positiv! Die Forderungen der Gen Z werden ein besseres Arbeitsklima für alle zur Folge haben. Und wenn ihre Ansprüche erst mal umgesetzt sind, dann ist diese Generation auch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Sobald die Gen Z erst mal richtig ernstgenommen wird, werden alle anderen von ihr profitieren, etwa von ihrer digitalen Intuition. Bis dahin müssen Arbeitgeber aber stark sein.

Mehr: „Viele CEOs sind von ihrem Mittelmanagement tierisch genervt“

Dieser Artikel erschien bereits im April 2024. Der Artikel wurde am 07.04.2025 erneut geprüft und mit leichten Anpassungen aktualisiert.

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