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Wie aus Abwasser Wertvolles werden kann

Ein englisches Sprichwort beschreibt sehr schön, wie man Erfolg haben kann, ohne die Ellbogen nutzen zu müssen.
Sprich: Was für den einen nutzlos ist, kann für den anderen eine Goldgrube sein. Heute geht es in diesem Newsletter um ein Start-up, das genau diesen Ansatz verfolgt. Es heißt Revincus und sitzt in Thüringen.
Die Grundidee hinter Revincus hatte Mit-Gründer Felix Drechsel kurz nach seinem Abitur. Er sah bei einem Praktikum als Industrieklempner in Finnland, wie dort mit Hilfe von Geothermie Wärme erzeugt wird. Zurück in Deutschland, entwickelte er die Idee weiter und konzentrierte sich auf eine heiße Quelle, die eigentlich überall sprudelt, aber selten genutzt wird: Abwasser.
Seitdem haben er und sein Team ein System aus Wärmetauschern entwickelt, mit dem sich alle Formen von Abwasser nutzen lassen, um Wärme zu gewinnen. „Der Vorteil ist, dass Abwasser meistens deutlich wärmer ist als die Umgebungsluft“, sagt Drechsel. „Es ist viel einfacher als bei einer herkömmlichen Wärmepumpe, die Wärme zu gewinnen.“

Deshalb ist die Kilowattstunde mit einer Anlage von Revincus deutlich günstiger als jene aus einer Heizanlage für Gas. Und das Team des Start-ups arbeitet an weiteren Verbesserungen, die es vor allem größeren Wohnanlagen und Industriebetrieben ermöglichen sollen, ihr Abwasser als Heizquelle zu nutzen.
Finanziell unterstützt Revincus ein eigenes Netzwerk. Außer staatlichen Förderungen profitiert das Start-up vor allem von lokalen Programmen in Thüringen. Außerdem fungiert unter anderem die Sparkasse Jena-Saale-Holzland als Investor und Mitgesellschafter.
Inzwischen hat Revincus bereits größere Projekte umgesetzt oder im Auftragsbuch. Doch genau hier liegt auch ein Problem für die junge Firma – die zähen Prozesse der Förderbürokratie.
Wie grüne Projekte besser gefördert werden könnten
Das Heizsystem von Revincus erfülle zwar definitiv die Idee, umweltschonender zu heizen, sagt Drechsel. Dennoch müsse, bevor ein Bau beginnen kann, für jede Anlage zunächst die Förderung bei Behörden beantragt und bewertet werden.
„Oft dürfen wir aber mit denjenigen, die die Anträge bearbeiten und bewerten, nicht direkt sprechen, um etwas zu erklären. Das führt dann zu einem absurden Stille-Post-Spiel, das sich über Monate zieht.“ In einem Fall warte man nun schon seit zwei Jahren auf die Zusage zur Förderung.
Und wie könnte eine Lösung aussehen? Aus Drechsels Sicht wäre es sinnvoller, den tatsächlich Verbrauch zu bezuschussen – anstatt die komplette Anlage von Anfang an zu fördern. Bei Blockheizkraftwerken gehe das schon: Dort werde jede Kilowattstunde an Eigenverbrauch mit acht Cent bis zu einer gewissen Energiemenge vergütet.
Der Vorteil laut Drechsel: Man könne erst mal ohne Wartezeit die ganze Anlage bauen „und sich nachträglich dann für den Verbrauch das Geld zurückholen“.
Was der Strompreis mit Revincus zu tun hat
Ein weiterer Wunsch des Gründers: ein günstigeres Verhältnis von Gas- und Strompreis in Deutschland. Derzeit betrage das Verhältnis1:3, was fossile Energieträger bevorteile. Ein günstigerer Strompreis dagegen würde die Wärmewende voranbringen.
Könnte das also einer der ersten Schritte sein, um die so oft eher abstrakte Forderung „weniger Bürokratie“ wirklich in die Tat umzusetzen? Ist es nicht frustrierend, wenn neue Technologien wie in diesem Beispiel ausgebremst werden? Was denken Sie? Schreiben Sie uns an newsletter@handelsblatt.com!
Dieser Text ist zuerst am 3. März 2025 im Newsletter Handelsblatt Shift erschienen. Diesen und weitere Newsletter können Sie hier abonnieren.