Hypercar: So wurde ein Traumauto zur Kostenfalle

Drei Millionen Euro gab Autoliebhaber Sebastian Kunze* im Februar 2022 für das Modell Valkyrie von Aston Martin aus. 1155 PS, Beschleunigung von null auf 100 km/h in 2,6 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 354 km/h. Die Technik stammt teils direkt aus der Formel 1. Valkyrie ist der englische Name für Walküren. In der nordischen Mythologie geleiten sie ehrenvoll Gefallene vom Schlachtfeld nach Walhall – in die Halle der Helden. Vielleicht hätte Kunze schon hier stutzen sollen. Seine Walküre jedenfalls war seit der Überführung aus England regelmäßig außer Gefecht. Nach wenigen Hundert Kilometern leuchteten Warnlampen auf, das Hochvoltsystem versagte – statt auf der Überholspur zu fahren, stand Kunze in der Werkstatt. Nach zweijährigem Streit hat er Aston Martin verklagt. „Ich habe die Nase voll von Aston Martin“, sagte Kunze am Freitag vor dem Landgericht Aachen. Der Valkyrie habe mehr Mängel gehabt „als alle meine anderen Autos zusammen“. Kunze forderte deshalb die Rückabwicklung des Kaufs. Aston Martin dagegen bestritt, dass die vom Kunden monierten Mängel „erheblich“ seien. Der Hersteller bezeichnete die gelieferte Valkyrie als „einwandfreies Fahrzeug“. Es handele sich nicht wie von Kunze behauptet um ein „Montagsauto“. Dann machte Aston Martin eine Rechnung auf, die auch andere Autonarren interessieren dürfte. Sollte der Kunde die Valkyrie zurückgeben dürfen, müsse er für die 441 gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung von rund 55.000 Euro abziehen. Das entspricht 124 Euro pro Kilometer. Getriebetausch nach 50.000 Kilometern Der Hersteller berief sich dabei auf die übliche Laufleistung solcher Fahrzeuge. In einem dem Handelsblatt vorliegenden Schriftsatz des Autobauers heißt es: „Die meisten Eigentümer fahren etwa 300, jedenfalls nicht mehr als 1000 Kilometer pro Jahr.“ Die Lebenslaufleistung eines Valkyrie liege demnach bei höchstens 20.000 Kilometern. Wer seinen Supersportwagen länger fährt, riskiert Mehrkosten. Nach 50.000 Kilometern müsse das „gesamte Getriebe“ ausgetauscht werden, bestätigt Aston Martin in seinem Schriftsatz. Dies entspreche „dem Stand der Technik“. Vor dem Landgericht Aachen kommen nun zahlreiche weitere Details aus der Welt der Luxusautos zur Sprache. Da der Motor extrem laut ist, müssen Fahrer spezielle Kopfhörer tragen. Diese sollten laut Aston Martin mit Außenmikrofonen ausgestattet sein, die Warnsignale ins Innere übertragen. Rettungswagen überhört Doch das System funktionierte offenbar nicht: Am 27. August 2024 sei Kunze beinahe mit einem Rettungswagen kollidiert. „Nur der schnellen Reaktion und dem fahrerischen Können des Rettungswagenfahrers ist es zu verdanken, dass es nicht zu einem fatalen Unfall kam“, heißt es in der Klageschrift. Kunze habe durch die Kopfhörer und das hohe Innengeräusch das Signalhorn nicht wahrgenommen. Seither hat sich Kunze mit seiner Valkyrie nicht mehr aus der Garage getraut. Sein Anwalt, Marco Rogert, führt in seiner Klage noch zahlreiche weitere Mängel auf – Unzulänglichkeiten, die niemand hinnehme und die vor allem niemand dulden müsse, wenn er mehrere Millionen Euro für ein Fahrzeug zahlt. Ein besonders gravierender Punkt: der sogenannte „Rocket-Locker“. Das System verhindert, dass das Fahrzeug bei abgeschaltetem Hydraulikdruck absinkt. Laut Klage wurde es ohne Zustimmung des Käufers entfernt – die Karosserie sackte daraufhin ab und lag auf den Rädern auf. Laut Klage traten außerdem durch Transport und Werkstattaufenthalte sichtbare Schäden auf. Technisch sei der Wagen nie in einen mangelfreien Zustand versetzt worden. Rechtsanwalt Marco Rogert habe mehrmals Fristen zur Nachbesserung gesetzt – vergeblich. Mangel oder Feature? Das liegt vor allem daran, dass Aston Martin die vorgeworfenen Punkte bestreitet oder sie nicht als Mängel anerkennt. Bis auf das Rocket-Locker-System handele es sich nicht um Fehler, sondern um spezifische Eigenschaften eines extrem leistungsfähigen Fahrzeugs, schreibt der Hersteller in seiner Klageerwiderung. Hypercars wie der Valkyrie seien hochkomplexe Fahrzeuge. Sie erforderten deshalb besonderen Service und sorgsame Handhabung. Aus dem Schriftsatz geht hervor, dass Aston Martin Zweifel an Kunzes Ausführungen hat. So handele es sich etwa bei den bemängelten Kratzern an den Felgen „um typische Gebrauchsspuren bzw. Spuren, die bei einem unsachgemäßen Räderwechsel entstehen. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass der Kläger darauf bestanden hat, die Räder an dem Fahrzeug selbst zu wechseln und hierzu sogar eigens einen Wagenhebersatz von der Beklagten erworben hat.“ Vertragsklausel: Britisches Recht – nicht deutsches? Neben vielen fachlichen Argumenten führen die Anwälte von Aston Martin auch eine juristische Waffe ins Feld: Aachen sei für diesen Rechtsstreit gar nicht der richtige Ort. Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, dass für alle Streitfragen britisches Recht Anwendung finde und ausschließlich britische Gerichte zuständig seien. Auch Kunzes Anwalt Rogert hat diese Klausel gelesen. Kunze habe aber das Fahrzeug als Privatperson und damit als Verbraucher erworben – und europäische Verbraucherschutzvorschriften erlauben Klagen am Wohnsitz des Käufers. Bevor das Landgericht Aachen sich mit all diesen Fragen befasst, schlug es am ersten Verhandlungstag eine gütliche Einigung vor. „Wenn so ein Kaufpreis im Raum steht, bietet das Potenzial, sich zusammenzuraufen“, sagte der Vorsitzende Richter. Er fragte beide Seiten nach der Möglichkeit, den Rechtsstreit beizulegen. „Ich will einfach Freude daran haben“ Danach sieht es nicht aus. Aston Martin hatte Kunze bereits vor dem Gerichtstermin vorgeschlagen, die Valkyrie gegen zwei andere Fahrzeuge einzutauschen. Kunze wollte nicht. Sein Vertrauen in Aston Martin sei erschüttert. „Ich will keine Diskussion über ein Auto führen“, sagte Kunze vor Gericht. „Ich will einfach Freude daran haben.“ Ganz ohne Diskussion wird sich Kunze allerdings nicht durchsetzen. Beide Seiten haben sechs Wochen Frist für weitere Stellungnahmen. Und wenn das Landgericht Aachen sich für unzuständig erklärt, muss Kunze eventuell sogar in Großbritannien diskutieren. *Name geändert, der echte Name ist der Redaktion bekannt. Mehr: Phantombremsung bei 140 Stundenkilometern – Tesla-Autopilot laut Gericht nicht zur Nutzung geeignet Erstpublikation: 17.06.2025, 11:39 Uhr.