Roland Berger: Ex-Deutschlandchef Haghani wird Investor

Sein Abgang bei Roland Berger war Ende 2023 ein herber Verlust für die größte deutsche Managementberatung. Schließlich hatte Sascha Haghani die Beratung 32 Jahre mit geprägt – als Deutschlandchef und auch als Verantwortlicher für das Restrukturierungsgeschäft. Seit seinem Abschied wurde gerätselt, was der Deutschiraner wohl künftig machen will. Denn dass er mit 57 Jahren in den frühen Ruhestand geht, war nicht erwartet worden. Nun ist klar, was er macht. Das hat das Handelsblatt exklusiv von ihm erfahren. Haghani wird zum Beteiligungsunternehmer. Er verstärkt ab sofort den Gesellschafter- und Geschäftsführerkreis der Hannover Finanz um Goetz Hertz-Eichenrode (Sprecher) und Robert Pauli. Mit Haghani will der auf den Mittelstand konzentrierte Finanzinvestor den Ausbau seiner erst 2023 gegründeten Restrukturierungssparte Hannover Finanz Opportunities (HFO) vorantreiben. Gelingen soll das mit dem sogenannten „HFO Deutschland Fonds“, mit dem langfristig in Krisenfirmen im deutschsprachigen Raum investiert werden soll und die dann von Haghani und seinem noch im Aufbau befindlichen Beratungsteam von Restrukturierungsexperten transformiert werden sollen. Für den Fonds mit einer Laufzeit von zehn Jahren konnten eigenen Angaben zufolge bereits mehr als 65 Millionen Euro eingeworben werden. Ziel sind 100 Millionen Euro. Die bisherigen Kapitalzusagen stammen Hannover Finanz zufolge überwiegend aus dem Umfeld deutscher Unternehmerfamilien und Family-Offices. An der Seite von Haghani steht weiter Gerd Sievers. Der 50-Jährige arbeitete schon viele Jahre bei Roland Berger mit Haghani zusammen und verließ die Beratung mit ihm zum Ende des Jahres 2023. Sievers tritt nun in die Geschäftsführung der neuen Restrukturierungssparte der Hannover Finanz Opportunities (HFO) ein. Er wird die Einheit gemeinsam mit Hermann Reitze (39) führen. Goetz Hertz-Eichenrode (47), der die 1979 gegründete Beteiligungsgesellschaft in zweiter Generation führt, erklärt im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Unser HFO Deutschland Fonds ist ein einzigartiges Projekt von Unternehmern für Unternehmer. Ich freue mich sehr, dass wir es gemeinsam mit zwei der renommiertesten Restrukturierungsexperten in Deutschland umsetzen werden.“ Unter dem Dach der Hannover Finanz würden damit Transaktionserfahrung, Restrukturierungsexpertise und geduldiges Kapital zusammenkommen. Weiter sagt Hertz-Eichenrode: „Wir wollen in Unternehmen aus dem Mittelstand mit einem Umsatz von bis zu 250 Millionen Euro investieren, die für die Bewältigung ihrer Transformation einen tat- und finanzkräftigen Partner suchen.“ In seiner neuen Funktion bei Hannover Finanz wird sich Haghani insbesondere um die Restrukturierungssparte HFO kümmern und diese auch personell mit weiteren erfahrenen Restrukturierungsexperten ausbauen. Zudem wird er dem Investment Committee des HFO Deutschland Fonds vorsitzen. Diesem Investment Comittee, das über den Einsatz des Kapitals entscheiden soll, gehören neben Haghani noch der Chief Credit Risk Officer der Commerzbank, Rüdiger Rass, an sowie Hannover-Finanz-Chef Hertz-Eichenrode und sein Mit-Geschäftsführer Pauli. Das First Closing für den Fonds soll im September erfolgen. Sascha Haghani ist damit der zweite prominente Ex-Topberater und Restrukturierungsexperte, der sich verselbstständigt und die wirtschaftlich angespannte Lage in Deutschland für sich nutzen will. Viele Firmen stehen vor großen Herausforderungen. Die Zahl der Insolvenzen ist zuletzt stark gestiegen. Im Frühjahr hatte bereits Tammo Andersch (58) mit seinem Kompagnon Mirko Liebthal (45) eine eigene Beteiligungsgesellschaft gegründet. Andersch hatte seine gleichnamige Restrukturierungsberatung 2019 an den US-Beratungskonzern FTI verkauft. Einen ähnlichen Schritt ging zudem jüngst der bekannte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, der 2023 mit der Signa-Sanierung betraut war. Seine Insolvenzrechtskanzlei SGP Schneider Geiwitz will sich künftig auch an mittelständischen Unternehmen beteiligen, um diese umfassender transformieren zu können. Die Herangehensweise von Haghani und Hannover Finanz ist mit ihrem „Deutschland Fonds“ aber grundlegender und umfassender als die von Geiwitz oder Andersch. Sie bringen Restrukturierungs- und Transaktionsexpertise sowie das nötige Kapital zusammen. Zudem planen sie, ihre Firmen drei bis sieben Jahre zu halten. Branchenexperten wie Beratungsprofessor Dietmar Fink sind zuversichtlich: „Sascha Haghani ist ein ganz Großer seiner Zunft.“ Er habe die Restrukturierungsberatung in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten maßgeblich mitgeprägt. Fink weiter: „Ich bin mir sehr sicher, dass er auch als Unternehmer erfolgreich sein wird. Er verbindet tiefe Expertise mit ausgezeichneten Führungsqualitäten, ist verbindlich und trifft auch in schwierigen Situationen den richtigen Ton.“ Der Zeitpunkt für einen Neuanfang ist gut gewählt Haghani, Andersch und Liebthal öffnen mit ihren Ansätzen eine neue Tür in der Beraterszene – und das zu einem passenden Zeitpunkt. Die aktuelle Wirtschaftskrise beschert den sogenannten Restrukturierungsberatern und Sanierungsexperten beste Geschäfte. Besonders Marktführer McKinsey sowie die in dieser Disziplin traditionell starke Managementberatung Roland Berger, aber auch spezialisierte Beratungshäuser wie Alix Partnes, Alvarez & Marsal und FTI/Andersch profitieren von dieser Krisenkonjunktur – einerseits. Andererseits stottert das Beratungsgeschäft jenseits von Kostenprogrammen. Die wirtschaftlich schwierigen Zeiten schlagen sich auch bei den Beratern nieder. Große Strategie- und Strukturprojekte oder Nachhaltigkeitsinitiativen werden gerade wenig vergeben. Zudem müssen auch die Berater immer unternehmerischer agieren: Sie werden nur noch selten pauschal, dafür immer häufiger erfolgsabhängig bezahlt. Zunehmend sind sie auch als Krisenmanager mit Amt und Mandat gefragt – etwa als CRO, Chief Restructuring Officer. Entsprechend euphorisch ist Haghani mit Blick auf den eigenen Neuanfang: „Wir haben bereits jetzt eine Deal-Pipeline.“ Und auch das Investoreninteresse sei riesig. Bis September werde es erste Engagements und Transformationsfälle geben. Haghani ist sich sicher: „Wir stehen am Beginn eines Superzyklus. In nahezu allen Branchen gibt es Unternehmen mit funktionierenden Geschäftsmodellen, aber erheblichem Transformationsbedarf." Mehr: Selbstbewusste Berater: „Die fetten Jahre sind nicht vorbei“ Erstpublikation: 15.07.2024, 07:34 Uhr.