Umstrittene Transaktionen: Was verschwieg der Milliardenfonds Triton seinen Investoren?

Die Investoren sollten glauben, sie hätten einen guten Deal gemacht. Am 4. Mai 2023 meldete Triton Partners einen erfolgreichen Exit. Man habe vier Firmen aus dem Fonds IV verkauft – nach einem intensiven Auktionsverfahren und zu besten Konditionen. Triton-Chef Peder Prahl dankte seinen Geldgebern für „ihre Unterstützung und ihr Vertrauen“. Vertrauen ist gut, Kontrolle wäre besser gewesen. Nach Handelsblatt-Recherchen sollen die Investoren des Fonds IV beim Verkauf weit weniger verdient haben, als sie hätten verdienen können. Der Grund: Triton lehnte offenbar ein anderes, weitaus höheres Angebot ab. Prahls Investoren entgingen möglicherweise Hunderte Millionen Euro. Alkohol und Chauvinismus Warum? Triton entschied sich, nicht an einen Konkurrenten zu veräußern, sondern quasi an sich selbst. Die Firmen Assemblin, Flokk, EQOS und Unica wurden in neuer Struktur – und mit neuen Investoren – weitergeführt. Was den alten Investoren dabei möglicherweise verlorenging, könnte den neuen – und Triton – zugutegekommen sein. Triton steht seit Monaten in der Kritik. Im November berichtete das Handelsblatt über eine mutmaßlich „toxische Altherrenkultur“ bei dem Finanzinvestor. Videos von einem Firmenevent im österreichischen Nobel-Skiort Zürs zeigten Triton-Gründer Prahl, wie er halb nackt mit Angestellten Flaschendrehen spielte. Trinkspiele sind das eine, die Benachteiligung der eigenen Investoren wäre etwas ganz anderes. Als Triton im Mai 2023 verkündete, man habe vier Firmen aus dem Fonds IV quasi an sich selbst verkauft, geschah dies mithilfe eines sogenannten Continuation Vehicles. Attraktive Eigengeschäfte Continuation Vehicles sind ein stark wachsendes Segment in der Private-Equity-Branche. Laut einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft Campbell Lutyens stieg das Volumen der Transaktionen, bei denen Continuation Vehicles beteiligt waren, 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent auf 62 Milliarden Dollar. Die Idee der Continuation Vehicles: Ein Finanzinvestor kauft Altinvestoren Assets ab und schiebt sie in einen frischen Fonds, in den auch neue Geldgeber einsteigen können. Der Finanzinvestor kann sein Investment so trotz Exit weiterführen und trotzdem neues Kapital einsammeln, weiter Managementgebühren kassieren und neue Gewinnbeteiligungen (Carried Interest) verdienen. Die Struktur hat einen Webfehler: Käufer und Verkäufer stehen unter demselben Dach. So schwebt über jeder Transaktion ein Interessenkonflikt. Betroffene drücken das auch kräftiger aus. Der ägyptische Investor Nassef Sawiris sagte der britischen Financial Times: „Continuation Funds sind der größte Betrug, weil man sagt: ‚Ich kann das Asset nicht verkaufen, also hebele ich es nochmal.'“ Britische Börsenaufsicht stellt Fragen Zentral ist dabei die Frage nach der Bewertung der Vermögenswerte, die von dem einen Fonds in den anderen geschoben werden. Wer stellt sicher, dass sich Investoren wie Triton nicht selbst begünstigen? Der Boom der Continuation Vehicles hat die britische Börsenaufsicht FCA auf den Plan gerufen. Wie die „Financial Times“ berichtete, will die Behörde 2025 eine umfassende Untersuchung starten. Anlass sei demnach die grundsätzliche Besorgnis, dass Anleger durch „schlecht gemanagte Interessenkonflikte“ Schaden nehmen könnten. Die Aufsicht fürchtet, Private-Equity-Häuser könnten Bewertungen zu ihren Gunsten manipulieren. Assemblin: ein Goldstück Besonders bei Deals, bei denen Vermögenswerte zwischen Fonds desselben Unternehmens verschoben werden, drohen Altinvestoren benachteiligt zu werden. Die FCA kündigte an, hier künftig genauer hinzusehen. Ein gutes Beispiel wäre bei Triton ein Projekt mit dem Codenamen „Apollo“. Es lotete 2021 verschiedene Exitmöglichkeiten für den schwedischen Gebäudeausstatter Assemblin aus. Triton prüfte sowohl einen Börsengang als auch einen Verkauf. Bald gab es eine freudige Überraschung. Ein sensationelles Geschäft Ende 2021 machte die französische Private-Equity-Gesellschaft PAI Partners ein Angebot für Assemblin. Triton hatte den schwedischen Gebäudeausstatter 2015 im Schnellverfahren von Imtech erworben. Der niederländische Baukonzern war kurz zuvor in die Insolvenz geschlittert. PAI Partners soll zunächst 1,3 Milliarden Euro für Assemblin auf einer schuldenfreien Basis veranschlagt haben. So geht es aus internen Unterlagen von Triton hervor, die dem Handelsblatt vorliegen. Als Triton zögerte und Verhandlungen mit anderen Interessenten aufnahm, sollen die Franzosen im Dezember 2021 nachgebessert haben. Bei der neuen Offerte hätte die Bewertung für Assemblin offenbar inklusive eines Verkäuferkredits bei fast 1,5 Milliarden Euro gelegen. Ein solcher Deal mit PAI hätte nahezu 900 Millionen Euro eingebracht. Dabei hatte Triton anfangs nur 87,7 Millionen Euro in die Übernahme von Assemblin investiert. Eine Verzehnfachung des Einsatzes wäre auch in der verwöhnten Private-Equity-Welt ein selten lukratives Geschäft. Triton bewertete Assemblin intern nach Abzug der Verbindlichkeiten nur mit 663 Millionen Euro. Außerdem war das Timing günstig. Triton war gerade dabei, seinen sechsten Fonds aufzulegen. Eine solche Erfolgsmeldung beim Vorgängermodell würde beim Einwerben neuer Investoren fraglos helfen. In einer internen Tabelle prangte ein Smiley – daneben der Eintrag: „Ein großartiger Exit“. Projekt Voyager beginnt Triton griff dennoch nicht zu. Interne Papiere zeigen, dass das Deal-Team offenbar eine andere Idee entwickelte. Gemeinsam mit dem Investment Advisory Committee diskutierte man, wie „ein Prozess für ein CV aussehen könnte“. CV steht für Continuation Vehicle, einen Verkauf an sich selbst. Und so folgte auf Projekt Apollo das Projekt Voyager – beide Namen offenbar angelehnt an Vorhaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Brachte das Apollo-Programm den Menschen auf den Mond, war die Voyager-Mission weit anspruchsvoller: die Erkundung des interstellaren Raums. Bei Triton beschränkte sich das Apollo-Programm auf ein Investment: Assemblin. Das Projekt Voyager umfasste zusätzlich den niederländischen Technologieanbieter Unica, den norwegischen Möbelhersteller Flokk und den deutschen Infrastrukturdienstleister EQOS. Assemblin, ein schwedischer Spezialist für Gebäudetechnik, hatte sich seit dem Kauf spektakulär gut entwickelt. Bei dem Vorhaben, Assemblin in ein Continuation Vehicle zu geben, könnte dieser Erfolg ein Problem gewesen sein. Grundsätzlich will ein Private-Equity-Unternehmen seine Assets möglichst teuer verkaufen. Packt Triton Assemblin in ein Continuation Vehicle, sitzt der Fonds auf beiden Seiten des Tischs – als Verkäufer und als Käufer. In diesem Fall hatte Triton ein Interesse daran, Assemblin möglichst günstig zu erwerben. So würde bei einem späteren Weiterverkauf eine besonders hohe Wertsteigerung und damit auch ein höherer Carried Interest erreicht. Plausible Gründe für einen Abschlag Interne Unterlagen zeigen, wie Triton im Januar 2022 um eine Lösung für Assemblin rang. Im Raum stand laut der Dokumente das Angebot von PAI Partners, das das Unternehmen mit 1,5 Milliarden Euro bewertete. Um günstiger an das Asset zu gelangen, brauchte Triton plausible Gründe für einen Abschlag. Das Deal-Team spielte einen Börsengang durch. Unterlagen zeigen, dass Assemblin durch einen Börsengang auf schuldenfreier Basis eine Bewertung zwischen 1,3 und 1,4 Milliarden Euro hätte erzielen können. In einer Triton-Präsentation findet sich der Hinweis: Assemblin zu den erforderlichen Werten in ein Continuation Vehicle zu übertragen, könne, „je nachdem, wie die M&A-Bewertungen ausfallen, vertretbar sein oder nicht”. Linke Tasche, rechte Tasche In der Übersicht der Vor- und Nachteile ist in roter Schrift und unterstrichen notiert: Es sei „noch zu diskutieren“, ob es Triton wirklich möglich ist, einen Abschlag „zu akzeptieren“. Triton hielt es für möglich. Unterstützung beim Projekt Voyager kam offenbar von der Investmentboutique Evercore. Das legt eine weitere Präsentation nahe, die dem Handelsblatt vorliegt. Demnach bewertete Evercore den Nettovermögenswert (Net Asset Value) der vier Beteiligungen in einer Präsentation mit 1,3 Milliarden Euro – weniger, als PAI Partners zuvor allein für Assemblin veranschlagt haben soll. Ein Jahr später meldete Triton Vollzug. Triton-Manager investierten „Triton Fund IV veräußert Assemblin, EQOS, Flokk und Unica an den Triton IV Continuation Fund Tritons“, lautete die Überschrift einer Mitteilung vom 4. Mai 2023. „Der Fonds schloss nach einem wettbewerblichen Auktionsverfahren mit einem Volumen von 1,63 Milliarden Euro.“ » Lesen Sie auch: „Leopard 2“-Hersteller KNDS stockt bei Renk auf 25,1 Prozent auf Was immer den Investoren des Funds IV mutmaßlich entging, kam den Investoren des CV zugute. Zufall oder nicht: Darunter befanden sich auch Triton-Manager, die besser als alle andere wussten, wie die Bewertungen der einzelnen Investments zustande kamen. Ein Triton-Sprecher sieht das als gutes Zeichen. Andere Investoren würden sogar darauf bestehen, dass „Führungskräfte von Triton ein Mindestmaß an Investitionen in den neuen Fonds tätigen“. So würden Interessen in Einklang gebracht, und es werde sichergestellt, dass „Tritons Executives (einschließlich Peder Prahl)“ genügend persönliches Risiko trügen. Triton weist Vorwürfe zurück Kaum ein Jahr später hatte sich das Risiko gelohnt. Triton fusionierte Assemblin mit dem finnischen Konkurrenten Caverion zu einem der größten Anbieter im europäischen Markt für technische Dienstleistungen und Facility Management. Den Verdacht, dass Triton sich durch Zuhilfenahme eines CV einen unfairen Vorteil verschafft haben könnte, wies ein Sprecher zurück: „Jede Andeutung, dass Triton seine treuhänderische Verantwortung gegenüber seinen Anlegern nicht ernst nimmt, ist falsch.“ Laut Triton äußerten weder Aufsichtsbehörden noch Anleger Einwände gegen die CV-Struktur. Im Gegenteil, Investoren hätten „die rechtzeitige Kommunikation, Transparenz und Professionalität“ bei der Abwicklung gelobt, so ein Sprecher. Erstaunliche Wertsteigerung für Triton Sollte die britische Börsenaufsicht doch bei Triton klingeln, könnte sie sich nicht nur nach Funds IV, sondern gleich auch nach Funds III erkundigen. Auch hier wurde ein Continuation Vehicle genutzt, um einige Assets im Prinzip an sich selbst zu verkaufen. Die Triton-Manager sollen damit sehr erfolgreich gewesen sein. Nach Handelsblatt-Informationen soll das Continuation Vehicle III schon nach ungefähr eineinhalb Jahren den sogenannten Carry erreicht haben, also eine Wertsteigerung, bei der das Management zusätzlich zur Servicegebühr eine Erfolgsbeteiligung erhält. Ein derart schneller Erfolg ist selten. Dass der Carry so rasch greift, könnte zwei mögliche Gründe haben. Entweder, das Management und das Marktumfeld sind sehr, sehr positiv. Oder das Asset war beim Kauf, hier von Triton an sich selbst, stark unterbewertet. Triton wollte auf Nachfrage nicht verraten, wie schnell das CV III in den Carry kam. Die Annahmen des Handelsblatts seien „faktisch falsch“. Im Übrigen sei das Erreichen starker Renditen „genau das Ziel von Continuation Vehicles“. So ist wahrscheinlich, dass Triton auch in Zukunft auf Continuation Vehicles setzt. Zunächst aber muss frisches Geld für den neuen Fonds eingesammelt werden – aktuell offenbar ein schwieriges Unterfangen. Wie der Triton-Sprecher bestätigte, wurde die ursprünglich zum Ende des zweiten Quartals auslaufende Investitionsfrist verlängert. Triton habe dies gemacht, „um den Investoren entgegenzukommen“, so der Sprecher. Dies sei nicht ungewöhnlich und spiegele die Realitäten des aktuellen Fundraising-Marktes wider. Mehr: Pleiten, Pech und Padel – Mit welchen Projekten der Milliardenfonds Triton scheiterte