Geldwäsche: Wie FIU-Chef Thelesklaf die Chaos-Behörde in den Griff bekam

Daniel Thelesklaf ist seit Juli 2023 Chef der Financial Intelligence Unit (FIU) mit Sitz in Köln und Dresden. Der Jurist fand in der deutschen Geldwäschebehörde viel Chaos und einen großen Bearbeitungsstau vor, aber auch engagierte Beschäftigte. Die Rückstände konnte er inzwischen beseitigen. Im Interview erklärt Thelesklaf, warum trotzdem so wenige Fälle vor Gericht landen, vor welchen Herausforderungen die FIU steht und welche Erwartungen er an die neue europäische Geldwäscheaufsichtsbehörde AMLA in Frankfurt hat. Er spricht zudem darüber, wie er Deutschland im internationalen Vergleich positionieren will und welche Reformen aus seiner Sicht notwendig sind, um Finanzkriminalität wirksamer einzudämmen. Lesen Sie hier das ganze Interview mit Daniel Thelesklaf: Herr Thelesklaf, Sie stehen seit zwei Jahren an der Spitze der FIU. Wie haben Sie die Behörde vorgefunden?Als ich vor zwei Jahren kam, war die Situation ausgesprochen schwierig. Die Beschäftigten der FIU mussten in dieser Phase heftige Kritik einstecken und haben dennoch engagiert weitergearbeitet. Das hat mich tief beeindruckt. Hier arbeitet eine professionelle Belegschaft. Es ist gar nicht lange her, da galt die FIU als Skandalbehörde. Teilweise war von 160.000 unbearbeiteten Verdachtsmeldungen die Rede. Wie sieht es heute aus?Diese Verdachtsmeldungen sind seit Ostern 2025 alle abgearbeitet. Nun werden alle neu eingehenden Verdachtsmeldungen taggleich bewertet. Wir arbeiten risikobasiert. Das heißt, die FIU geht unter Anwendung automatisierter Verfahren heute sehr viel selektiver vor. Die besten FIUs weltweit machen das genauso. Die Niederländer sind ein Vorbild: Dort arbeitet man Fälle gar nicht erst manuell ab, sondern filtert gezielt die wichtigsten heraus. Das ist eine völlig neue Herangehensweise. Wie funktioniert dieser selektive Ansatz?Wir bewerten die eingehenden Meldungen anhand ihres Risikos. Abhängig hiervon analysieren wir den Fall und entscheiden, wie es weitergeht. Das ist notwendig, um unsere Ressourcen gezielt auf besonders risikobehaftete Sachverhalte zu konzentrieren. Nur so kann die FIU komplexe Strukturen, wie zum Beispiel bei einem Callcenter-Betrug, so früh wie möglich erkennen. Trotz all dieser Fortschritte kommen kaum Geldwäschefälle vor Gericht. Woran liegt das?Die zentrale Herausforderung liegt bei der Strafverfolgung von komplexen Fällen, die die Grenzen von Bundesländern überschreiten. Dafür gibt es noch keine klaren Zuständigkeiten. Was wäre die richtige Antwort darauf?Der Bericht der Financial Action Task Force (FATF) hat den Handlungsbedarf aufgezeigt. Wir müssen sicherstellen, dass die wichtigsten Fälle zur Anklage kommen. Dies ist derzeit nur begrenzt der Fall. Wir haben viele Fälle, die sich im Bereich der Kleinkriminalität bewegen. Deutschland braucht daher eine strukturelle Stärkung für Ermittlungen bei komplexen und internationalen Geldwäschestrukturen. Was fehlt Ihnen noch?Präzisere Rückmeldungen zu den abgegebenen Berichten. Wir sehen kaum, was aus den Fällen bei den Ermittlungsbehörden wird. Auch Urteile oder Vermögensabschöpfungen bekommen wir selten zu Gesicht. Das müsste sich ändern. Die fehlende Digitalisierung ist dabei ein großer Schwachpunkt. Warum ist Deutschland für Geldwäscher so attraktiv?Weil Deutschland einerseits der größte Finanzplatz in der EU ist und andererseits ein Staat mit einem hohen Schutz der Privatsphäre. Genau das macht ein Land für Geldwäscher so interessant: Es gibt viele professionelle Akteure, etablierte Strukturen, einen hohen Grad an Vertrauen in Geschäftsprozesse. Das kann missbraucht werden. Geldwäscher setzen auf Tarnung im Seriösen. Wo stößt die Arbeit der FIU aktuell an ihre Grenzen?Nach Abgabe eines Analyseberichts an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden liegen die weiteren Schritte in deren Verantwortung. Umso bedeutsamer ist es, dass diese Stellen über die rechtlichen Voraussetzungen verfügen und mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet sind. Die im Koalitionsvertrag angekündigten Regelungen zur erleichterten Vermögensabschöpfung sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wenn Vermögen unklarer Herkunft künftig schneller gesichert werden kann, stärkt das letztlich auch die Wirksamkeit unserer Arbeit. Welche Geldwäsche-Vortaten sehen Sie?Dazu gehören neben der organisierten Kriminalität die vielen Formen der Finanzkriminalität, insbesondere Betrug und Steuerdelikte. Dabei kommen häufig komplexe Strukturen zum Einsatz, um die Herkunft der Mittel zu verschleiern. Wie steht es um die Rolle der Banken?Viele Banken haben ihre Systeme zur Geldwäscheprävention kontinuierlich verbessert. Generell wurden Investitionen in die Geldwäschebekämpfung lange vernachlässigt. Das hat sich inzwischen geändert, nicht zuletzt durch den Druck der Aufsichtsbehörden. Dieser Druck muss hoch bleiben. Funktioniert Geldwäsche auch ohne Banken?Durchaus. Wir sehen, dass sich Geldwäsche zunehmend außerhalb des klassischen Bankensektors abspielt. Wie gehen Geldwäscher heute vor, und welche Methoden sind derzeit besonders beliebt?Geldwäscher verfolgen zwei Hauptziele: Sie verschleiern die Herkunft krimineller Gelder und sorgen dafür, dass diese unauffällig wieder in den Finanzkreislauf gelangen. Bargeld spielt dabei eine zentrale Rolle, da es kaum Spuren hinterlässt. Zudem beobachten wir Methoden wie das Aufsplitten von Beträgen, den Einsatz schwer bewertbarer Waren oder Dienstleistungen sowie fingierte Rechnungen mit manipulierten Preisen. Besondere Herausforderungen stellen das Hawala-System und kryptobasierte Finanztransfers dar, da sie staatlicher Kontrolle entzogen sind und schwer nachzuvollziehen bleiben. Ein zentraler Baustein in der Zukunft der Geldwäschebekämpfung ist die neue europäische Behörde Anti-Money Laundering Authority (AMLA). Ist eine solche internationale Behörde notwendig?Ja. Einzelne Skandale wie im Fall der Danske Bank haben deutlich gemacht, dass nationale Aufsichtsstrukturen an ihre Grenzen stoßen. Geldwäsche ist ein grenzüberschreitendes Phänomen. Es braucht eine starke europäische Aufsichtsbehörde, die mögliche Lücken im System schließt und einheitliche Standards durchsetzt. Die AMLA ist ein notwendiger Schritt in diese Richtung. Was versprechen Sie sich konkret von der AMLA?Die AMLA wird in Europa eine entscheidende Rolle bei der Vereinheitlichung der Aufsicht spielen. Sie wird die größten Institute direkt beaufsichtigen und einheitliche Standards festlegen, die bisherige Regulierungsunterschiede effektiv auflösen sollen. Es gibt nicht nur eine neue Behörde, sondern auch eine neue EU-Gesetzgebung.In der Tat. Es wird ab 2027 ein europaweit verbindlicher Rechtsrahmen geschaffen. Er legt fest, wann ein Verdacht meldepflichtig ist. Die Meldung erfolgt unverändert an die nationale FIU, doch die einheitliche Definition bringt mehr Klarheit und Vergleichbarkeit im EU-Raum. Wie soll die europäische Zusammenarbeit funktionieren?Die AMLA wird künftig die nationalen FIUs durch gezielte gemeinsame Analysen bei grenzüberschreitenden Fällen unterstützen. Das hilft uns, komplexe Geldwäschemuster schneller zu erkennen und zielgerichtet an die zuständigen Behörden weiterzugeben. Sie leiten die deutsche FIU bald zwei Jahre. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?Die Aufgabe erfüllt mich nach wie vor sehr. Die internationale Zusammenarbeit, insbesondere die anstehende Umsetzung der europäischen Geldwäscherichtlinie und der Aufbau der AMLA sind zentrale Entwicklungen, bei denen wir als FIU Deutschland eine wichtige Rolle spielen. Aus über 30 Jahren Erfahrung in diesem Feld weiß ich, wie entscheidend Kontinuität und fachliche Tiefe in solchen Phasen sind. Ich will diesen Prozess gern weiterhin aktiv mitgestalten. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Thelesklaf. Mehr: Verdächtige Geschäfte mit Kryptowährungen steigen auf Rekordhoch