Geldanlage: So gelingt der sorgenfreie Ruhestand mit 500.000 Euro

Eines ist sicher: Die Rente reicht nicht. Bei den meisten Menschen wird die gesetzliche oder berufsständische Altersversorgung nicht genügen, um den gleichen Lebensstandard wie im Berufsleben im Ruhestand auch nur annähernd zu halten. Aber: „Einfach drauflossparen und hoffen, dass es dann im Ruhestand reicht, ist nur die halbe Miete“, sagt Finanzplanerin Stefanie Kühn. Um Irrwege zu vermeiden, hat das Handelsblatt mit einer Reihe von Fachleuten gesprochen, darunter Finanz- und Ruhestandsplanerinnen und -planer, Anlageprofis und eine Psychologin. Da die meisten Fragen für die persönliche Finanzplanung wesentlich vom Alter und von der Lebenssituation eines Menschen abhängen, verdeutlicht das Handelsblatt die wichtigsten Antworten anhand von vier fiktiven Fallbeispielen, die jeweils typisch sind für eine Lebenslage. Die provokante Ausgangsfrage zu jedem der Beispiele: „Reichen 500.000 Euro für einen sorgenfreien Ruhestand?“ Vier Fallbeispiele für den frühen Ruhestand Das Paar mit zwei Kindern: 42 Jahre, 7000 Euro Einkommen Die Frührentnerin: 52 Jahre, 6000 Euro Einkommen Der Rentner, 67 Jahre, 3500 Euro Rente Der Berufseinsteiger und FIRE-Anhänger, 27 Jahre, 3500 Euro Einkommen Geldanlage-Beispiel 1: Das Paar im Wettlauf gegen die Inflation Stefanie und Thomas sind beide 42 Jahre alt und haben zwei Kinder, die sieben und fünf Jahre alt sind. Gemeinsam kommen sie jeden Monat auf ein Haushaltsnettoeinkommen von 7000 Euro. Derzeit geben sie fürs Wohnen in einer deutschen Großstadt sowie für Versicherungen, Reisen und was die Familie täglich benötigt monatlich 4500 Euro aus. 500 Euro legen sie für die Ausbildung der Kinder an. Weitere 500 Euro fließen jeden Monat auf ein Tagesgeldkonto als „Notgroschen“, wenn unvorhergesehene Ausgaben kommen. Mit diesen Ersparnissen leisten sich die Eltern hier und da auch den „Luxus“, in ein Sternerestaurant zu gehen oder teure Konzertkarten zu kaufen. Beide haben noch 25 Jahre bis zur gesetzlichen Rente und dem Start in den Ruhestand. Sie wollen sich so aufstellen, dass sie ihren Lebensstandard im Alter mindestens halten können. Zudem ist ihnen wichtig, dass sie ihre Kinder oder vielleicht auch Enkel später einmal finanziell unterstützen können. An gesetzlicher Rente und Betriebsrenten stehen den beiden ab dem 67 Lebensjahr gut 5000 Euro zu. In der Regel kann auf die Betriebsrente früher zugegriffen werden, der Einfachheit halber sollen hier beide Renten gleichzeitig fließen. 5000 Euro würden auf dem ersten Blick reichen, wenn nur die Inflation nicht wäre. So viel braucht das Paar für den Ruhestand In 25 Jahren werden sie voraussichtlich 7500 Euro brauchen, um sich das leisten zu können, wofür heute 5000 Euro reichen. In 35 Jahren bräuchten Sie jeden Monat bereits mehr als 9000 Euro. Und in 45 Jahren, wenn Stefanie und Thomas 87 sind, haben 11.000 Euro die Kaufkraft der 5000 Euro von heute. » Lesen Sie auch: So gelingt Ihnen der Wechsel vom Arbeitsalltag in den Ruhestand Ihre Rentenlücke, also das Minus, wenn sie ihren Bedarf von der zu erwartenden Rente abziehen, wächst somit rasant. Bereits wenn sie mit 67 in Rente gehen, fehlen jeden Monat 2500 Euro. Doch es gibt Wege, wie sie die Lücke füllen können. Das Paar hat aus Sicht von Stefanie Kühn einen Vorteil: Mit 42 haben sie noch 25 Jahre Zeit, Geld anzulegen. „Über diesen langen Zeitraum sollte eine hohe Aktienquote kein Problem sein“, sagt die Finanzplanerin. Stefanie und Thomas haben sich entschlossen, jeden Monat 1500 Euro in einem ETF-Sparplan anzusparen, der weltweit gestreut in Aktien investiert. Für ihre Hochrechnungen nehmen sie an, dass der ETF im Laufe der Jahre im Schnitt nach Kosten sieben Prozent Rendite macht. Zwar kann niemand in die Zukunft schauen, aber in den vergangenen Jahrzehnten war eine solche Rendite mit einem weltweit breit gestreuten Aktienportfolio möglich. Auf diese Weise wird das Paar in 16 Jahren nach Steuern bereits 500.000 Euro angespart haben. Reichen 500.000 Euro im Portfolio bis zum Schluss? Im nächsten Schritt überlegen sich die Eheleute, ob sie es bei einer halben Million Euro bewenden lassen können. Wenn dem so wäre, könnten es Stefanie und Thomas auch etwas ruhiger angehen lassen und jeden Monat nur 630 Euro zur Seite legen. Auf diese Weise würden sie mit dem ETF-Sparplan nach 25 Jahren, also pünktlich zum Start ihrer Rente, 500.000 Euro angespart haben. Um herauszufinden, ob eine halbe Million Euro reicht, um ihre Rentenlücke von monatlich immerhin 2500 Euro zuzüglich Inflation zu decken, brauchen die beiden einen Entnahmeplan. Mit ihm wird simuliert, wie lange das ursprüngliche Vermögen bei regelmäßigen Auszahlungen reichen wird. Im Gegensatz zum Sparplan, der nur auf Aktien setzt, sollte ein Entnahmeplan immer auch mit festverzinslichen Wertpapieren oder klassischen Bankprodukten wie Festgeldern oder Tagesgeldern arbeiten. Schließlich sind Aktien viel zu volatil, um innerhalb eines Jahres stets den gleichen Betrag auszuzahlen. Renten-Portfolio mit Anleihe und Tagesgeld absichern Michael Huber, der bereits zig Auszahlpläne ins Werk gesetzt hat, empfiehlt eine Quote von 50 Prozent Aktien und 50 Prozent Anleihen. „Wenn das Vermögen besonders lange erhalten bleiben soll oder auch noch etwas für Erben übrig bleiben soll, kann das Portfolio auch zu zwei Dritteln aus Aktien und zu einem Drittel aus Festverzinslichen bestehen“, sagt der Ruhestandsexperte. Wie in den übrigen Fällen auch wird bei Stefanie und Thomas unterstellt, dass sie mit ihrem Entnahmeplan auf drei Prozent Rendite nach Kosten und Steuern kommen und sich der Betrag, der entnommen wird, jedes Jahr um zwei Prozent erhöht. Unter diesen Voraussetzungen sind 500.000 Euro nach 17 Jahren aufgebraucht. Stefanie und Thomas wären dann 84 Jahre alt. Diese Aussicht ist den beiden zu unsicher. » Lesen Sie auch: Kann ich mit 500.000 Euro sofort aus dem Job aussteigen? Daher rechnen sie sich aus, mit wie viel Geld sie in der Rente starten, wenn sie in den ersten 16 Jahren bis zu einer halben Million sparen, um das Geld dann die neun Jahre bis zu ihrem 67. Geburtstag weiter im ETF liegen zu lassen. Hier stünde dann zum Schluss eine Summe von 820.000 Euro. Mit diesem Startkapital würde der Entnahmeplan nach den genannten Voraussetzungen 29 Jahre „halten“. Das Paar müsste also älter als 96 werden, um die letzte Auszahlung zu erleben. Das klingt aus Sicht von Thomas und Stefanie etwas sicherer, aber nach Hochrechnungen der Vereinten Nationen werden 2080 in Deutschland rund 120.000 Frauen und gut 60.000 Männer über 100 Jahre alt sein. Derzeit haben zusammengenommen knapp 26.000 Personen schon einmal einen dreistelligen Geburtstag gefeiert. Stefanie und Thomas wollen auf Nummer sicher gehen und rechnen sich aus, wie lange sie mit einer guten Million Euro ihre Rentenlücke inflationsbereinigt füllen können. Dafür müssten sie bis zur Rente mit 67 jeden Monat 1500 Euro in den genannten ETF-Sparplan investieren. Dieser Betrag würde dem Paar 38 Jahre lang reichen, beide müssten also 105 Jahre alt werden, damit das Geld aufgebraucht ist. So kann das Paar für den Ruhestand sparen Einen ETF-Sparplan zu besparen, erfordert Disziplin und Durchhaltevermögen. „Die Verlockung ist groß, auf eine sechsstellige Summe, die über Jahre schnell zusammenkommen kann, einmal zuzugreifen, um sich etwas zu gönnen“, sagt Marcel Reyers. Der zertifizierte Finanzplaner und Vorstand der Finanzplanervereinigung FPSB empfiehlt Kunden, die sich selbst nicht in Versuchung führen wollen, fondsgebundene Rentenversicherungen. Unter diesen Policen, die eigentlich wegen ihrer hohen Kosten für viele Verbraucherschützer und Berater als „No-go“ gelten, gibt es inzwischen kostengünstige Nettotarife, bei denen das Geld der Kunden in ETFs angelegt wird. Reyers spricht hier von durchschnittlich 0,5 Prozent Kosten. Obendrein fallen die Steuern auf die ETFs erst an, wenn Geld aus der Police entnommen wird. „So kann in der Sparphase mehr angespart werden“, meint Reyers. Geldanlage-Beispiel 2: Die Frührentnerin, bei der vorher aussteigen keine Option ist Maike ist 52 Jahre alt. Sie und ihr zehn Jahre älterer Partner haben keine Kinder. Sie verdient monatlich netto 6000 Euro. Jeden Monat gibt Maike knapp 4000 Euro zum Leben und Wohnen aus. 500 Euro legt sie jeden Monat zur Seite um ihr Elternhaus, das sie einmal erben soll, zu renovieren und gegebenenfalls selbst zu bewohnen. Ihr Partner ist Inhaber eines kleinen Unternehmens, das er in den kommenden zehn Jahren verkaufen will. Maike spielt daher mit dem Gedanken, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, um dann mit ihrem Partner das Leben zu genießen. » Lesen Sie auch: Wie der Vorsorge-Endspurt ab 50 Jahren gelingt Sie fragt sich, ob sie es sich leisten kann, bereits mit 62 mit der Arbeit aufzuhören, und ob sie gleichzeitig genügend Geld für den eigentlichen Ruhestand zurücklegen kann. So viel braucht die Frührentnerin für den Ruhestand An gesetzlicher Rente und Betriebsrenten kann Sie rund 3500 Euro erwarten. Wenn sie ihren Lebensstandard halten will, benötigt sie, wenn sie 67 ist, etwa 5500 Euro pro Monat. Abzüglich der Rente braucht sie also noch 2000 Euro, die sie aus ihren Ersparnissen bedienen will. Ein Betrag, der durch die Inflation auf 3000 Euro steigen wird, bis Maike 87 ist. Maike muss also, wenn sie gemeinsam mit ihrem Partner aus dem Erwerbsleben ausscheiden will, mehrere Jahre überbrücken und gleichzeitig ihre Rentenlücke stopfen. Das ist ambitioniert, aber nicht unmöglich. Reichen 500.000 Euro im Portfolio bis zum Schluss? Mit 1500 Euro kann Maike jeden Monat einen sehr ordentlichen Betrag zur Seite legen. Dazu kommt, dass sie bereits in der Vergangenheit immer wieder einmal gespart hat und bereits über ein Depot mit 100.000 Euro verfügt. Unter diesen Voraussetzungen kann sie es mithilfe eines ETF-Sparplans mit sieben Prozent Rendite nach Kosten schaffen, in zwölf Jahren nach Steuern 500.000 Euro anzusparen. Maike wäre dann 64 und hätte noch drei Jahre bis zur Rente. Auch Maikes Betriebsrente wird erst ab dem 67. Geburtstag fließen. Nicht selten können Betriebsrentnerinnen und -rentner bereits ab 60 auf ihr Angespartes zugreifen. » Lesen Sie auch: Warum bei der Rente mit Aktien alles besser werden würde Die sogenannte Rente mit 63 kommt für Maike nicht infrage, da sie als Akademikerin vergleichsweise spät ihren ersten Job angenommen hat und nicht auf die für diese frühere, abschlagsfreie Rente nötigen Beitragsjahre kommt. „Maike hätte auch die Option, bereits mit 64 ihre gesetzliche Rente in Anspruch zu nehmen“, erklärt Finanzplaner Rainer Weber von der Vermögensverwaltung Fintag. Allerdings würden ihr für jeden Monat, den sie vor ihrem 67. Geld bekommt, ihre Rente um 0,3 Prozent gekürzt werden. Ihre Rente würde also bis zu ihrem Lebensende um 10,8 Prozent niedriger ausfallen als beim Start mit 67. Beschließt Maike, mit 64 aus ihrem Job auszusteigen, die Rente aber erst mit 67 zu beziehen, muss sie drei Jahre aus eigener Tasche überbrücken. Da ihre monatlichen Ausgaben inzwischen durch Inflation angestiegen sind, rechnet sie in den drei Jahren damit, dass sie jeden Monat 5000 Euro braucht. Zudem würde Maike in den drei Jahren aus eigener Tasche in die Rentenversicherung einzahlen, denn auch hier drohen Einbußen, wenn nicht bis zur Regelaltersgrenze von 67 Jahren eingezahlt wird. Ihre Betriebsrente würde sie indes ruhen lassen, da sie sonst doppelt Steuern zahlt. Denn Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) werden aus dem Bruttoeinkommen gezahlt. In der selbst gewählten Frührente kämen alle Beiträge aber aus bereits versteuertem Vermögen. „Damit entfällt der Steuervorteil der bAV, und die Betriebsrente wird im Rentenalter dennoch vollständig besteuert“, erklärt Finanzplaner Weber. Unterm Strich würden Maike ein um drei Jahre vorgezogener Ruhestand 180.000 Euro kosten. Das Geld müsste von den angesparten 500.000 Euro entnommen werden. Maike fragt sich, wie lange sie mit den verbliebenen 320.000 Euro ihre Rentenlücke von 2000 Euro pro Monat füllen kann. » Lesen Sie auch: Betriebsrenten – was sich Deutschland bei Neuseeland abschauen kann Mit einem Entnahmeplan, der aus Aktien, Anleihen, Tagesgeld- und Festgeldkonten besteht, kann sie im Schnitt eine Rendite von drei Prozent nach Kosten und Steuern verdienen. Um die Teuerung zu berücksichtigen, steigen die Auszahlungen jedes Jahr um zwei Prozent. Unter diesen Voraussetzungen reichen 320.000 Euro 14 Jahre lang. Zu kurz für Maike, die dann erst 81 Jahre alt wäre. Senkt sie ihre Ansprüche und gibt sich mit 1000 Euro pro Monat zufrieden, würde das Geld reichen, bis sie 95 ist. Wenn sie in der Rente nicht auf 1000 Euro pro Monat verzichten will, muss sie wohl oder übel den Traum vom vorgezogenen Ruhestand aufgeben und bis zu ihrem 67. Geburtstag arbeiten und sparen. Legt sie ab sofort jeden Monat mithilfe des ETF-Sparplans konsequent 1500 Euro zur Seite, hat sie mit 67 rund 650.000 Euro angespart. Ein Betrag, der im oben genannten Entnahmeplan ihre Rentenlücke 29 Jahre lang füllen kann. Maike wäre in diesem Fall 96 Jahre alt, wenn das Vermögen aufgebraucht ist. Sollte sie dieses Alter erreichen, müsste sie fortan ausschließlich von ihren beiden anderen Rente leben. So kann die Frührentnerin für den Ruhestand sparen Das Haus ihrer Eltern könnte in Maikes Plänen noch eine größere Rolle spielen. Zum einen kann sie es, nachdem ihre Eltern verstorben sind, selbst bewohnen oder es mit dem hierfür angesparten Kapital renovieren und vermieten oder verkaufen. In letzterem Fall hätte sie wieder freies Vermögen, das sie zum Teil in den Entnahmeplan stecken könnte. » Lesen Sie auch: Wieso nun der perfekte Zeitpunkt zum Hauskauf ist – und wie er gelingt Der übrige Teil könnte ausgegeben oder weiter angelegt werden. Wird sie Vermieterin, kämen diese Einnahmen ihren Renten zugute und das angesparte Kapital wird ziemlich sicher über ihren 96. Geburtstag hinaus ausreichen. Gleiches gilt für die Option, dass sie das Haus renoviert und selbst einzieht. In diesem Fall wäre ihr monatlicher Bedarf um den Posten Miete geringer. Geldanlage-Beispiel 3: Der Rentner mit Zusatzkapital aus dem Depot Jürgen ist 67 Jahre alt und kürzlich in Rente gegangen. Er bekommt neben der gesetzlichen Rente eine Betriebsrente, insgesamt gehen jeden Monat nach Steuern 3500 Euro auf seinem Konto ein. So viel braucht der Rentner für den Ruhestand Er und seine Frau, die wegen der Kinder zu Hause geblieben ist und nur mit einer deutlich kleineren Rente rechnen kann, wollen im Ruhestand nicht darben. Sie haben sich ausgerechnet, dass sie fortan zum Leben jeden Monat 4000 Euro brauchen. Jürgen hat also eine Rentenlücke von knapp 500 Euro. Jürgen vertraut hierfür auf sein Depot, das in den vergangenen Jahrzehnten angewachsen ist, und eine private Rentenversicherung, die nun fällig geworden ist. Die Rentenversicherung verspricht ihm nur wenige Hundert Euro zusätzlicher Rente. Die kommen zwar, solange er lebt, aber Jürgen will lieber das Kapital und lässt sich die rund 150.000 Euro auf einen Schlag auszahlen. Insgesamt steht ihm nun ein Vermögen von 500.000 Euro zur Verfügung. Die Rente seiner Frau, die ab 2026 fließen wird, soll auf ein Tagesgeldkonto eingezahlt werden, von dem sie sich den einen oder anderen Luxus leisten oder ihre beiden Kinder und die drei Enkel etwas unterstützen wollen. Jürgen weiß: Wenn er an seinem Lebensstandard festhalten will, wird die Rentenlücke von derzeit 500 Euro durch die Inflation wachsen. Um hier nicht in Nöte zu geraten, soll das Depot herhalten. Reichen 500.000 Euro im Portfolio bis zum Schluss? Der Rentner hat nun die Qual der Wahl: Setzt er sein Vermögen komplett ein und gibt die halbe Million Euro in einen Auszahlplan? Oder will er mit seiner Frau nur einen Teil des Geldes verbrauchen und den Rest weiter anlegen, um ihn irgendwann den Kindern zu vererben? Jürgen kalkuliert mit einem Entnahmeplan auf 30 Jahre. Seine Frau wird dann 95, er wird 97 Jahre alt sein. Ihre Eltern und Großeltern verstarben allesamt in ihren mittleren und späten Achtzigern, daher gehen Jürgen und seine Frau davon aus, dass sie dieses Alter und vielleicht ein paar Jahre mehr erreichen werden. In einem auf 30 Jahre angelegten Entnahmeplan mit einer durchschnittlichen Rendite von drei Prozent nach Kosten und Steuern, bei dem die Auszahlungen jedes Jahr um zwei Prozent erhöht werden, bringen 500.000 Euro jeden Monat inflationsbereinigt 1461 Euro Rente. Das ist aus Jürgens Sicht sehr üppig, hat aber den Nachteil, dass das Vermögen im Jahr 2054 aufgezehrt ist. Soll das Vermögen erhalten bleiben, reduziert sich bei gleicher Laufzeit, Durchschnittsrendite und Inflation die Rente um etwas mehr als die Hälfte auf 711 Euro. Dieser Betrag würde Jürgens Rentenlücke füllen und es bliebe noch ein kleines Extra. So kann der Rentner für den Ruhestand sparen Jürgen fragt sich aber auch, wie er sein Depot nun aufstellen soll. Es ist wenig sinnvoll, das Geld, das auf Sicht von einem bis zehn Jahren gebraucht wird, zum großen Teil oder sogar komplett in Aktien oder Aktien-ETFs zu halten. Finanzplanerin Stefanie Kühn rät ihren Kunden, den ungefähren Bedarf eines Jahres auf einem Tagesgeldkonto einzuzahlen. „Damit ist die Auszahlung gesichert und, je nachdem wie das Konto verzinst ist, noch ein kleines Extra drin“, erklärt Kühn. Das, was in den folgenden Jahren ausgezahlt werden soll, würde sie in Festgeldern mit verschiedenen Laufzeiten anlegen, je nachdem wann das Geld konkret gebraucht wird. Das übrige Kapital sollte weiterhin in Aktien-ETFs investiert sein, denn nur so kommt eine Rendite von etwa drei Prozent nach Kosten und Steuern zustande. Für den Fall, dass Jürgen bei den Auszahlungen Schwankungen ertragen kann, hat er auch die Option, verschiedene Dividenden-ETFs zu kombinieren. Lothar Koch von der Vermögensverwaltung Gsam und Spee hat diese Art der Zusatzrente schon oft gestaltet. Er empfiehlt drei Dividenden-ETFs, die quartalsweise ausschütten und in sogenannte „Dividendenaristokraten“ investieren. Das sind Aktien von Unternehmen, deren Dividende im Laufe der Zeit mindestens gleich hoch bleibt. » Lesen Sie auch: Mehr Rendite für die Rente – Was der Blick ins Ausland lehrt Diese Indexfonds werden so kombiniert, dass jeden Monat eine Auszahlung ansteht. „Auf diese Weise werden nur die Ausschüttungen, nicht aber das ursprünglich investierte Kapital verzehrt“, erklärt der Portfoliofachmann. Eventuelle Schwankungen beim Grundkapital sind seiner Ansicht nach zu vernachlässigen: „Auf Sicht von zehn und mehr Jahren ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das anfangs investierte Kapital mehr wird, denn ausschüttende Dividenden-ETFs haben auf lange Sicht moderate Kurszuwächse.“ Zusätzlich um Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kümmern Eine Aufgabe bleibt noch: Jürgen sollte sich gemeinsam mit seiner Frau Gedanken über eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung machen. „Das würde ich jeder und jedem raten, aber bei Menschen, die in den Ruhestand eintreten, sollten diese Fragen genauso wie das Testament und der Nachlass in jedem Fall geklärt sein“, sagt Vermögensplaner Maximilian Kleyboldt von der Bethmann Bank. Geldanlage-Beispiel 4: Der Berufseinsteiger und FIRE-Anhänger für die Rente mit 41 Simon ist 27 und seit drei Jahren als Softwareentwickler angestellt. Er verdient 3500 Euro netto und ist begeistert von der FIRE-Bewegung (Financial Independence Retire Early) und hat deshalb vor, so schnell wie möglich finanziell unabhängig zu werden, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Simon lebt sehr bescheiden in einer kleinen Mietwohnung, ohne Auto und großen Luxus, sodass er ohne Probleme Monat für Monat 2000 Euro in einen breit gestreuten Aktien-ETF stecken kann. So viel braucht der Berufseinsteiger für den frühen Ruhestand Sein Ziel: So lange wie möglich vor seinem 67. Geburtstag nicht mehr arbeiten zu müssen. Je früher er aussteigt, desto mehr Geld braucht er. Er hat ausgerechnet, dass er mit den 2000 Euro, die er jeden Monat anspart, nach 14 Jahren nach Steuern eine halbe Million Euro beisammen hat. Das setzt eine durchschnittliche Rendite von sieben Prozent nach Kosten voraus, was mit Blick auf die Marktentwicklung der vergangenen Jahrzehnte realistisch erscheint. Auch wenn er unterm Strich nur auf eine Durchschnittsrendite von fünf Prozent kommt, dauert es trotzdem nur etwas mehr als 15 Jahre bis zur halben Million. Reichen 500.000 Euro im Portfolio bis zum Schluss? Doch reicht dieses Kapital, um davon leben zu können, bis Simons gesetzliche Rente und seine Betriebsrente von zusammen etwa 2000 Euro ausgezahlt wird? Nach der „Vier-Prozent-Regel“, einem in der FIRE-Bewegung weit verbreiteten Prinzip, würde eine halbe Million Euro für Simon leicht reichen, sofern das Vermögen jedes Jahr mindestens vier Prozent Rendite macht. Die Regel besagt, dass ein Vermögen von 25 Jahresausgaben reicht, um allein von den Erträgen des Ersparten ewig leben zu können. Simon braucht jedes Jahr 18.000 Euro, das wären nach der „Vier-Prozent-Regel“ insgesamt 450.000 Euro. Er hätte also noch einen Puffer von 50.000 Euro. In Regel muss das Vermögen jedoch weiterhin ertragreich angelegt werden, damit die zukünftige Inflation ausgeglichen wird. Um auch in 20 Jahren die gleiche Kaufkraft wie heute mit 1500 Euro zu haben, bräuchte Simon rund 2250 Euro, in 30 Jahren hätte eine Teuerung von zwei Prozent sein Monatsbudget auf rund 3000 Euro verdoppelt. „Die dafür notwendige Rendite nach Kosten und Steuern ist üblicherweise nur mit einer nennenswerten Aktienquote möglich“, sagt Thomas Meinke vom Investmenthaus Dimensional. „In Entnahmeplänen sind aber hohe Aktienquoten sehr gefährlich, denn die Auszahlungen werden von den Schwankungen des Aktienmarkts abhängig sein.“ Für Simon würde das bedeuten, dass er vielleicht monatelang kein Geld sieht, dann aber wieder mehrere Tausender auf einen Schlag. Will Simon also, wie in den anderen drei Beispielfällen, regelmäßig den gleichen Betrag entnehmen, muss er sein Portfolio umschichten, indem er einen Teil der Aktien abstößt und von dem Geld Anleihen oder Festgelder kauft. Auf diese Weise sinkt jedoch die durchschnittliche Rendite auf drei Prozent nach Kosten und Steuern. Das würde dann der „Drei-Prozent-Regel“ entsprechen, die von einem eher konservativeren Teil der FIRE-Bewegung befolgt wird. » Lesen Sie auch: Wie der Traum vom Ruhestand mit 50 gelingen kann Simon rechnet zu den drei Prozent Durchschnittsrendite noch mit einer Teuerung von zwei Prozent pro Jahr. Unterm Strich reicht dann die halbe Million, von der jeden Monat 1500 Euro entnommen werden, nicht mehr ewig, sondern „nur“ noch 29 Jahre. Für Simon ist das kein Problem, denn wenn die 500.000 Euro aufgebraucht sind, ist der Softwareentwickler 70 Jahre alt. Er bezieht also drei Jahre lang zwei Renten: Seine Altersrente (gesetzlich und betrieblich), die ab seinem 67. Geburtstag fließt, und die Ausschüttung aus seiner halben Million. Unter diesen Voraussetzungen würden Simon rund 450.000 Euro reichen, um mit 41 zu kündigen und von seinem Ersparten zu leben. So kann der Berufseinsteiger für den Ruhestand sparen und vorsorgen „Ich gebe ungern den Spielverderber, aber es braucht sehr, sehr viel Disziplin, um erstens eisern zu sparen und zweitens das viele Geld anschließend auch nur häppchenweise zu verzehren“, sagt Ruhestandsplaner Huber. Er mahnt alle, die wie Simon mit dem Gedanken spielen, früher in Rente zu gehen, nicht nur die alltäglichen Ausgaben für Nahrung, Kleidung und die Miete genau zu kennen und zu steuern, sondern auch für Unvorhergesehenes gewappnet zu sein: „Je nach Einkommen sollten stets zwei oder drei Monatsgehälter auf einem Tagesgeldkonto liegen, um reagieren zu können." » Lesen Sie auch: Vorsicht, Kostenfallen: So gelingt der Ruhestand auf Mallorca sorgenfrei Nicht weniger wichtig sind Versicherungen: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist auch für Ultra-Frührentner nicht mehr sinnvoll, sofern sie ausreichend vorgesorgt haben. Eine gute Unfallversicherung kann den ersten finanziellen Schock nach einem Unfall mildern und sorgt für das nötige Geld, um etwa eine neue Wohnung zu suchen, die invalidengerecht ist, oder um eine Eigentumswohnung umzubauen. Wer von seinem Ersparten lebt, bekommt keinen Arbeitgeberzuschuss mehr zur Kranken- und Pflegeversicherung. Während die Kosten der gesetzlichen Krankenkasse ans Einkommen gekoppelt sind, kann die private Krankenversicherung mitunter deutlich schneller steigen, vor allem im Alter. Hier empfehlen Versicherungsberater, einen finanziellen Puffer einzubauen, also in jungen Jahren etwas zur Seite zur legen, das im Fall der Fälle genutzt werden kann. Gesetzliche Rente: Lohnt sich freiwilliges Einzahlen? An der gesetzlichen Rente und deren Zukunft scheiden sich zwar die Geister. Doch sollten Menschen, die sich aus dem Erwerbsleben verabschieden, bevor ihr Ruhegeld vom Staat kommt, eines zumindest prüfen: Lohnt es sich womöglich, weiterhin freiwillig in die Rentenkasse einzuzahlen? Das denkt zumindest Marcel Reyers, zertifizierter Finanzplaner (CFP) und einer der Vorstände der Finanzplaner-Vereinigung FPSB. „Die gesetzliche Rente ist vom Kapitalmarkt unabhängig und sie steigt mit der Lohnentwicklung, was in der Regel bedeutet, dass sie die Inflation ausgleicht“, sagt Reyers. Ob und in welchem Umfang es sich lohnt, weiterhin einzuzahlen, lasse sich über die Beratungsstellen der Rentenversicherung Bund herausfinden. Einziges Manko: Oft dauert es Wochen, wenn nicht Monate, bis ein Termin frei ist. Aber mit 27 hat Simon ja noch ein paar Jahre bis zum Ruhestand, und käme er noch so früh. Mehr: Ich habe mehr Angst vor dem Sparen als vor Altersarmut Dieser Artikel erschien bereits im Juni 2024. Der Artikel wurde am 07.04.2025 erneut geprüft und mit leichten Anpassungen aktualisiert.

Geldanlage: So gelingt der sorgenfreie Ruhestand mit 500.000 Euro

Vier Fallbeispiele für den frühen Ruhestand

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