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Morning Briefing

Amerika schwächelt, Deutschland steigt auf? So einfach ist es nicht

Christian Rickens 28.05.2025 - 06:22 Uhr
Handelsblatt Morning Briefing

Wirtschaftspolitik: Schmerzhafte Tipps aus Boston / Flixtrain: Angriff auf die Staatsbahnen

28.05.2025
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Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

zum dritten und vorerst letzten Mal kommt das Handelsblatt Morning Briefing heute von der Technology Experience Convention Heilbronn (TECH). Gestern habe ich an dieser Stelle über die fast schon unwirkliche Euphorie berichtet, die sich auf dieser Zukunftsmesse breitgemacht hat: Die deutsche und europäische Tech-Branche, so die vorherrschende Überzeugung, würden dank Donald Trumps Politik der ökonomischen Selbstverstümmelung eine zweite Chance erhalten – und sie selbstverständlich nutzen.

Für alle, die es hören wollten, gab es am gestrigen Abschlusstag der TECH eine kalte Dusche. Der Abstand zwischen der EU und den USA sei „erschreckend groß“, sagte Andrew McAfee, Managementprofessor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Der Amerikaner bezieht sich dabei auf die Zahl der neu gegründeten Börsenkonzerne: In den vergangenen 50 Jahren seien in der EU 14 neu gegründete Großkonzerne mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt 430 Milliarden Dollar entstanden. In den USA seien es 241 Konzerne mit einer Gesamtbewertung von fast 30 Billionen Dollar. Allein der US-Chiphersteller Nvidia ist wertvoller als alle 40 Dax-Konzerne zusammen.

Der Hauptgrund für diesen Unterschied laut McAfee: Die überlegene Fähigkeit des „US West Coast Cluster of Innovation“, aus neuen Technologien schnell große Unternehmen zu bauen.

Andrew McAfee sprach auf der TECH. Foto: Marc-André Hergenröder

Wie kann Europa ökonomisch wieder den Anschluss finden? McAfees Empfehlungen entsprechen dem, was die meisten US-Ökonomen dem alten Kontinent empfehlen:

    Weniger Bürokratie, insbesondere beim DatenschutzEinen Arbeitsmarkt mit weniger KündigungsschutzBessere steuerliche Anreize für Wagniskapitalinvestoren

Er selbst, stellte McAfee gleich zu Beginn klar, wünsche Europa allen Erfolg, denn er selbst sehe sich als Teil des „Teams Liberal Democracy“.

Meine Prognose: Die von McAfee eingeforderten Reformen nach US-Vorbild werden sich in Europa allenfalls ansatzweise umsetzen lassen – wenn ich allein daran denke, welche gesellschaftlichen Verwerfungen die „Agenda 2010“ ausgelöst hat!

TECH: Am Sonntag startete die dreitägige Konferenz in Heilbronn. Foto: Foto Vogt GmbH

Und so werden wir so etwas wie ein natürliches Experiment erleben: Kann in Europa eine andere Art von erfolgreichem Kapitalismus entstehen, mit langfristigen Arbeitsverhältnissen und weniger Kapitalmarktfixierung als in den USA? Können in Europa womöglich große Familienunternehmen die Rolle der Wagniskapitalgeber übernehmen?

Bis es so weit ist, freuen wir uns über gleich drei Signale, dass der Unternehmergeist auch in Deutschland lebendig ist.

Flixtrain: Angriff auf die Staatsbahnen

Erstens: Das Mobilitätsunternehmen Flix – bekannt durch seine grünen Busse und Züge – investiert kräftig in das Geschäft auf der Schiene. Das Unternehmen kauft 65 Hochgeschwindigkeitszüge. „Mit den zusätzlichen 65 Zügen werden wir die dann größte private Fernverkehrsflotte in Europa betreiben“, sagt André Schwämmlein, Chef der Flix SE, dem Handelsblatt. Bislang bestehen die wenigen Flix-Züge aus Gebrauchtgerät der 70er-Jahre.

Nun will Flix mit neuen Zügen die Deutsche Bahn und andere europäische Staatsbahnen angreifen. Die Waggons dazu kommen vom spanischen Hersteller Talgo, die Lokomotiven von Siemens. „Wir wollen mit dem gleichen Zug ganz bewusst mehrere Länder bedienen können“, so Schwämmlein. Viele ICEs oder auch französische TGVs können das nicht, etwa aufgrund unterschiedlicher nationaler Stromsysteme.

Verwandte Themen Friedrich Merz USA SPD CDU Siemens Lars Klingbeil

Deutsches Konsortium für KI-Gigafactory

Zweitens: Mehrere große deutsche Technologieunternehmen wollen gemeinsam eine AI Gigafactory bauen. SAP, Deutsche Telekom, Ionos, die Schwarz-Gruppe und Siemens verhandeln nach Handelsblatt-Informationen über eine gemeinsame Bewerbung bei der Europäischen Union für ein solches gigantisches Rechenzentrum für Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI oder englisch AI). Die EU-Kommission will den Bau von europaweit fünf AI Gigafactorys subventionieren.

Mehrere Tech-Unternehmen wollen ein gemeinsames KI-Rechenzentrum bauen. Foto: Getty Images [M]

FMC will Chipfabrik und Subventionen

Drittens: Das Dresdner Start-up FMC plant den Bau eines Halbleiterwerks in Deutschland. Das erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. FMC ist die Abkürzung für Ferroelectric Memory Company. Die Speicherchips von FMC benötigen laut Unternehmen 1000-mal weniger Strom, sind 1000-mal schneller und zehnmal günstiger als derzeit übliche Halbleiter.

Das Unternehmen fordert Regierungskreisen zufolge 1,3 Milliarden Euro staatliche Förderung für die Ansiedlung. Die Bundesregierung hätte dieses Geld: Bereits seit längerer Zeit sind zwei Milliarden Euro im Haushalt ausdrücklich für solche Subventionen reserviert. Allerdings gibt es rund 20 kleinere Chipprojekte, die sich ebenfalls um eine Förderung bemühen. Das Geld reicht nun womöglich nicht für FMC und für die weiteren Projekte zusammen.

USA stoppen Visa für Studierende

US-Universitäten lassen jedes Jahr viele ausländische Studierende zu. Foto: SOPHIE PARK/The NewYorkTimes/Redux/laif

Apropos ökonomische Selbstverstümmelung: Die US-Regierung stoppt vorerst die Verfahren zur Aufnahme ausländischer Studierender. US-Außenminister Marco Rubio hat Botschaften und Konsulate angewiesen, vorerst keine neuen Termine für Antragsteller auf Studenten- und Austauschvisa zu vereinbaren. Das geht laut der Nachrichtenagentur Reuters aus einem entsprechenden Rundschreiben hervor.

Grund ist demnach, dass das Außenministerium die Überprüfung von Äußerungen der Kandidaten in sozialen Medien ausweiten will. Die US-Regierung habe wiederholt erklärt, dass Inhaber von Studentenvisa und Green Cards wegen Kritik an Israels Verhalten im Gaza-Krieg abgeschoben werden können.

Zwei Alexanders, eine Frau

In der ersten Sitzung des Koalitionsausschusses beraten die Spitzen von Union und SPD heute über ihr Programm bis zur Sommerpause. Hauptziel: Schnell was machen, das die Stimmung in der Wirtschaft hebt.

Im Kanzleramt werden Friedrich Merz (CDU) und Amtsleiter Thorsten Frei folgende Vertreter der Parteien begrüßen: SPD-Chef Lars Klingbeil, die designierte Co-Vorsitzende und Arbeitsministerin Bärbel Bas sowie SPD-Fraktionschef Matthias Miersch.

Der neue Koalitionsausschuss trifft sich heute zum ersten Mal. Foto: Handelsblatt

Die CDU entsendet neben Kanzler und Parteichef Merz Generalsekretär Carsten Linnemann und Fraktionschef Jens Spahn. Für die CSU kommen Parteichef Markus Söder, Innenminister Alexander Dobrindt und Fraktionsgeschäftsführer Alexander Hoffmann. Als Gegenpart zu Frei bringt Klingbeil dann noch seinen Staatssekretär Björn Böhning mit.

Na, fällt Ihnen was auf? Genau, in der wohl mächtigsten Gesprächsrunde der Bundesrepublik sitzen mehr Alexanders (zwei) als Frauen (eine). Geht gar nicht, kommentiert unsere Teamleiterin Karriere, Julia Beil:

„Warum bloß fällt es männlichem Spitzenpersonal so schwer, diverse Teams aufzubauen? Die Antwort darauf ist ungemütlich: Weil gemischte Teams anstrengend sind. Das ahnt Friedrich Merz, das wissen viele Manager aus der Wirtschaft. Laut sagen will es natürlich niemand.“

Erst Istanbul, dann Rom – jetzt Genf?

Die US-Regierung geht davon aus, dass weitere Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskriegs in Genf stattfinden könnten. Die USA hätten den Vatikan bevorzugt, aber das habe Russland nicht gewollt, sagte der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Keith Kellogg, im US-Fernsehen:

Also denke ich, dass Genf die nächste Station sein könnte.

US-Präsident Donald Trump hatte den Vatikan vergangene Woche als Verhandlungsort ins Gespräch gebracht. Der russische Außenminister Sergej Lawrow machte aber klar, dass man den Vatikan nicht als passenden Ort betrachte.

Willkommen, Roter Panda Pjat!

Knapp einen Monat nach der Ankunft des Roten Pandas Pjat hat der Rostocker Zoo den Neuzugang der Öffentlichkeit vorgestellt. Das rund zehn Monate alte Männchen wurde im Zoo Kopenhagen geboren und ist nach dem Weibchen Jordan der zweite Rote Panda in Rostock.

Er sei „ruhig, entspannt und gleichzeitig neugierig“, beschreibt das Pflegerteam den Neuankömmling, der auf einer 860 Quadratmeter großen Anlage lebt.

Wichtig: Es handelt sich hierbei nicht um eine Beschreibung der ersten Tage von Friedrich Merz im Kanzleramt.

Ich wünsche Ihnen einen Mittwoch mit reichlich Auslauf.

Herzliche Grüße,
Ihr

Christian Rickens
Textchef Handelsblatt

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