Start-up: KI-Firma Parloa will Weltmarktführer im Kundendienst werden

Die Berliner KI-Firma Parloa steigt zu einem sogenannten Einhorn auf. Nach einer Finanzierungsrunde über 120 Millionen Dollar wird der Spezialist für Kundeninteraktionen nun mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet. „Das ist eine großartige Bestätigung“, sagte Firmenchef Malte Kosub im Gespräch mit dem Handelsblatt. Zu den Einhörnern werden die Firmen gezählt, die von Investoren mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. Es bedeutet, dass die Firma innerhalb kürzester Zeit stark gewachsen ist, das Geschäftsmodell funktioniert und dass das Start-up das Interesse vieler Investoren auf sich zieht. In Deutschland wurde im vergangenen Jahr nur der Münchner Fitnessspezialist Egym in diese illustre Reihe aufgenommen. Zu den bekanntesten deutschen Einhörnern gehören das Verteidigungs-Start-up Helsing, die Fintechs N26 und Trade Republic und die Softwarefirmen Celonis und Personio. Seit Dienstagmorgen gehört auch der Drohnenhersteller Quantum Systems dazu. Parloa-Finanzierungsrunde: Mehr Nachfrage als Angebot Parloa hilft Unternehmen, den Kundendienst mithilfe von Künstlicher Intelligenz zu automatisieren. Über die Plattform des Unternehmens führen KI-Agenten Tausende Gespräche zeitgleich und bearbeiten Anfragen wie menschliche Sachbearbeiter. Für die weitere Entwicklung von Parloa hat Kosub große Ambitionen. „Wir wollen Weltmarktführer für KI-Agenten in der Kundeninteraktion werden“, gibt er als Ziel aus. Wenn ein Börsengang auf diesem Weg der richtige Schritt sei, werde ihn auch Parloa gehen, aber „Firmen wie Stripe und Databricks zeigen, dass es nicht unbedingt nötig ist“. Beide Firmen sind deutlich wertvoller als Parloa und trotzdem noch nicht börsennotiert. Die neue Finanzierungsrunde von Parloa wurde von drei US-Investoren angeführt: Altimeter Capital, General Catalyst und Durable. „Das Team um Malte Kosub und Stefan Ostwald setzt dort Maßstäbe, wo andere kämpfen: bei Datenschutz, Mehrsprachigkeit und der sicheren Integration in komplexe IT-Umgebungen“, begründete Jeannette zu Fürstenberg, Partnerin bei General Catalyst, das Investment. Alimeter Capital ist auch an dem US-amerikanischen KI-Unternehmen OpenAI beteiligt sowie an der Social-Media-Plattform Tiktok. General Catalyst hat auch in das deutsche Verteidigungs-Start-up Helsing investiert, und Durable finanziert unter anderem die deutsche Softwarefirma Celonis sowie die US-Lieferfirma Doordash. Auch der Bestandsinvestor EQT Ventures war bei der Finanzierungsrunde erneut beteiligt, zudem die beiden früheren Fußballweltmeister Mario Götze und Bastian Schweinsteiger. Andere frühere Investoren nutzten die Gelegenheit, um auszusteigen. „Es gab bei dieser Finanzierungsrunde mehr Nachfrage als Angebot“, berichtete Kosub. Er begründete dies auch mit dem starken Wachstum der Firma im vergangenen Jahr. Der Umsatz hat sich seit der vorigen Finanzierungsrunde im April 2024 vervierfacht. Konkrete Zahlen zum Erlös oder zur Kundenzahl wollte Kosub allerdings nicht nennen. Fest stehe, dass Parloa wie die meisten Start-ups aktuell mehr investiere, als es einnehme: „Wir sind derzeit nicht profitabel.“ Seit dem vergangenen Jahr ist die Firma auch in den USA aktiv. Inzwischen ist das Team dort auf 40 Mitarbeiter angewachsen. Die Region gehört laut Kosub zu den am stärksten wachsenden für Parloa. In den Ausbau des Vertriebs in den USA wird nun auch ein Teil des Geldes aus der neuen Finanzierungsrunde fließen. Der Großteil allerdings wird in Forschung und Entwicklung gesteckt. Ziel: Personalisierter KI-Agent Das Ziel von Kosub ist es, einen personalisierten KI-Agenten auf den Markt zu bringen, der über mehrere Kanäle agieren kann. Ein erster Schritt auf diesem Weg ist die AI-Agent-Management-Plattform (AMP) für klassische Callcenter-Prozesse. Statt mit menschlichen Callcenter-Mitarbeitern sprechen die Kunden mit sogenannten „AI Agents“ – also mit KI-basierten Telefonassistenten. Diese könnten nicht nur zuhören, sondern komplette Anliegen eigenständig bearbeiten, heißt es. Unternehmen wie die Sportkette Decathlon, der Versicherer Barmenia Gothaer und die Drogeriefirma Rossmann nutzen AMP von Parloa bereits. Die jährlichen Kosten für die Plattform belaufen sich laut Unternehmensangaben auf etwa 100.000 Euro, abhängig vom Volumen und Einsatzbereich. Kürzlich ist Parloa auch eine Partnerschaft mit dem französischen Kundenservice-Konzern Teleperformance eingegangen. » Lesen Sie auch: Neue Google-Suche bedroht Milliardengewinne und viele Webseiten – doch dem Konzern bleibt kaum eine Wahl Technisch setzt Parloa auf einen modularen Ansatz: Die Grundlage bilden große Sprachmodelle wie GPT-4o von OpenAI. Mit OpenAI, der Entwicklerfirma von ChatGPT, hat Parloa eine enge Partnerschaft. Zudem kommen Sprachmodelle der Anbieter DeepL, ElevenLabs und andere zum Einsatz. Ergänzt werden sie von OpenAI um selbst entwickelte Anwendungen für bestimmte Aufgaben. Diese sollen zum Beispiel dabei helfen, Kundennummern zu erkennen, auch wenn diese falsch angesagt werden. Die Gespräche mit Parloa sollen nicht nur korrekt sein, sondern auch menschlich wirken, sagt Mitgründer Stefan Ostwald. Nur so würden Nutzer gern mit den KI-Agenten interagieren. Doreen Huber von EQT Ventures findet, das sei teils schon erfolgreich: „Durch generative KI schafft das Unternehmen eine Servicequalität, die bisher nur von Menschen erreicht werden konnte – jedoch skalierbar und effizient.“ Das helfe auch, den Fachkräftemangel im Kundenservice zu lösen. Stark umkämpfter Markt Seit Jahren wächst der Markt für sprachverarbeitende und sprachproduzierende KI. Weltweit soll das Volumen laut Grand View Research bis 2032 auf 36 Milliarden Dollar zulegen. Gabriele Rigon, Senior Principal Analyst beim Marktforschungsunternehmen Gartner, sagt: „Seit 2023 hat generative KI die Sprach-KI-Welt grundlegend verändert – von simplen Frage-Antwort-Chatbots hin zu echten Agenten, die Gespräche führen, Entscheidungen treffen und Prozesse steuern können.“ Die größte Herausforderung für Anbieter wie Parloa sei es, sich im stark umkämpften Markt durchzusetzen und zu differenzieren, so Rigon. Weitere Hürden sind Datenschutzanforderungen oder komplexe technische Integrationen. Ein Grund für die beschriebene Dynamik ist: Der Einsatz von Sprach-KI hat Vorteile für Anbieter und Kunden. So sparen Unternehmen Kosten, weil viele Anliegen automatisiert gelöst werden können, und Kunden verbringen weniger Zeit in langen Warteschleifen. Der Unternehmensberatung Capgemini zufolge planen 82 Prozent der Unternehmen, KI-Agenten in den nächsten drei Jahren einzusetzen. Der Zahlungsdienstleister Klarna hat im vergangenen Jahr bereits zahlreiche Mitarbeiter gegen virtuelle KI-Assistenten ausgetauscht. „Wie viel Zeit und Kosten die Unternehmen durch den KI-Agenten einsparen, ist davon abhängig, welche Aufgaben die Agenten übernehmen und in welchem Bereich das Unternehmen tätig ist“, sagte Kosub, ohne konkrete Zahlen zu nennen. „Außerhalb der Industrie ist der Kundenservice sicher der Bereich, in dem generative KI heute schon am weitesten im Einsatz ist“, sagt Investor Oliver Schoppe von UVC Partners. Er glaubt sogar, dass deutsche Start-ups hier führend sind – das belegten Erfolge von Unternehmen wie Parloa und Cognigy. Die Düsseldorfer Firma Cognigy nahm vergangenen Sommer rund 100 Millionen Dollar bei Investoren ein und gilt inzwischen auch als Einhorn-Kandidat. „Zudem entstehen derzeit viele neue vielversprechende Anbieter wie Leaping AI und Telli“, berichtet der Investor. 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