Webasto: Autozulieferer braucht zur Sanierung bis zu 200 Millionen Euro

Der bayerische Autozulieferer Webasto benötigt zur Sanierung zusätzliches Geld. Das ist das Ergebnis eines Sanierungsgutachtens, das am heutigen Montag den kreditgebenden Banken vorgelegt wird. „Webasto ist sanierungs- und wettbewerbsfähig sowie grundsätzlich refinanzierungsfähig“, heißt es aus dem Umfeld des Unternehmens. Allerdings müsse zusätzliches Eigenkapital zugeschossen werden. Die Rede ist „von bis zu 200 Millionen Euro“. Außerdem müssten weitere strukturelle Anpassungen folgen. Das Handelsblatt erfuhr aus Frankfurter Banken- und Unternehmenskreisen, dass „die Restrukturierung noch einmal nachgeschärft werden“ müsse. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen bereits Werke geschlossen und rund 1600 Arbeitsplätze gestrichen. Webasto ist mit einem Umsatz von zuletzt rund 4,6 Milliarden Euro und weltweit über 18.000 Beschäftigten einer der großen familiendominierten Autozulieferer in Deutschland. Eigentümer sind die Familien Baier und Mey, Nachfahren des Firmengründers Wilhelm Baier. Webasto: Krise zeigt Probleme der Branche Die Familien hatten die Gewinne der vergangenen Jahre größtenteils nicht ausgeschüttet und im Unternehmen belassen. Das reichte offenbar nicht aus, um den Kapitalbedarf des Unternehmens zu decken. Nun müssen entweder die Eigentümer oder neue Investoren die erforderlichen rund 200 Millionen Euro nachschießen. Webasto stellt neben Standheizungen und Batteriesystemen vor allem Glaspanoramadächer her. Sie machen 79 Prozent des Umsatzes aus. Die Situation des Unternehmens aus Stockdorf bei München ähnelt der vieler deutscher Autozulieferer. Der zurückliegende Boom in China bescherte dem Unternehmen sehr erfolgreiche Jahre, zeitweise entfielen auf das Land fast 40 Prozent des Webasto-Umsatzes – mit zweistelligen Renditen. Doch mit dem Absatzeinbruch der deutschen Automarken in China fiel auch der Umsatz von Webasto. Hinzu kam ein verunglückter Produktionsanlauf in den USA und der gescheiterte Versuch, in das Geschäft mit elektrischen Ladesäulen einzusteigen. Damit hatte Webasto-Chef Holger Engelmann das Unternehmen unabhängiger vom dominierenden Autodachgeschäft machen wollen. Doch der Plan ging nicht auf, auch weil die Elektromobilität sich insgesamt langsamer durchsetzt als erhofft. Nach hohen Verlusten stieß Webasto das Geschäft mit Ladesäulen Anfang 2024 wieder ab. Nun wirkt sich zusätzlich die schwache Konjunktur in Deutschland auf die Branche aus. Die Autohersteller drücken die Preise und senken die Abnahmemengen. Seit dem Sommer 2024 steckt die gesamte Zulieferindustrie in einer Krise. Die Branchengrößen ZF, Bosch und Continental bauen derzeit Zehntausende Stellen ab und suchen über Abspaltungen und Ausgliederungen Wege aus der Krise. Zwei Drittel der großen Automobilzulieferer stecken in Schwierigkeiten Beraterkreisen zufolge stecken von den wichtigsten 25 Zulieferern in Europa zwei Drittel in finanziellen Schwierigkeiten. BMW, Mercedes und Volkswagen fürchten Produktionsausfälle, sollten wichtige und oft langjährige Zulieferer ausfallen. Einige werden deshalb inzwischen von den großen Autoherstellern finanziell unterstützt. So hatte jüngst Volkswagens Tochtergesellschaft Porsche 70 Prozent der Anteile an einer Sparte des angeschlagenen Batteriekonzerns Varta übernommen. Eine finanzielle Beteiligung Volkswagens an Webasto wird in Wolfsburg aktuell aber ausgeschlossen. Man schätze die „fachlich-handwerklichen Qualitäten“ Webastos zwar „sehr“, heißt es aus Unternehmenskreisen. Auch habe das Unternehmen als „traditionsreicher und verlässlicher Anbieter“ in der Branche einen guten Ruf. Doch stünde eine direkte finanzielle Beteiligung nicht zur Debatte. Webasto-Produkte, vor allem Standheizungen, finden sich in vielen Modellen des Volkswagen-Konzerns, wie dem Porsche Taycan oder den VW-Modellen T-Roc und dem Multivan T5, weshalb die Geschäftsbeziehung zu Webasto mit Blick auf die Zukunft als „positiv“ beurteilt wird. Seine aktuellen Probleme müsse Webasto, so heißt es bei Volkswagen, indes ohne weitergehende Hilfe VWs lösen. Für Webasto-Chef Engelmann hatte sich die Lage im Spätsommer 2024 zugespitzt. Immer mehr Autohersteller begannen damals damit, ihre Aufträge zu verschieben und die Volumen der Bestellungen zu kürzen. Lag der Umsatz von Webasto 2023 noch bei 4,6 Milliarden Euro, so waren es 2024 nur noch 4,3 Milliarden. Das operative Ergebnis lag zwar bei rund 100 Millionen Euro. Für eine Refinanzierung im Bereich der Autozulieferung sei das aber zu wenig, heißt es im Webasto-Umfeld. Tatsächlich lasten auf der Webasto-Bilanz Verbindlichkeiten von gut 1,1 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalbasis gilt als verbesserungsbedürftig. Seit dem Herbst verhandelte Webasto mit seinen acht Kernbanken, darunter die Commerzbank und die Bayern LB, über ein Stabilisierungsabkommen. Kurz vor Weihnachten erreichte Webasto eine vorläufige Einigung mit den Kreditgebern. Ein Sanierungsvorstand soll die Wende bringen Doch für eine nachhaltige Sanierung reicht das noch nicht – auch weil Autozulieferer bei vielen Banken mittlerweile als Risikokunden gelten. Anfang Januar holte Webasto auf Druck der Banken Johann Stohner als Chief Restructuring Officer in den Vorstand. Der Sanierungsexperte vom Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal hat seitdem das Gutachten erstellt, das als Grundlage für die kommenden Jahre dienen soll. Dem Gutachten zufolge ist eine Wende zum Besseren bei Webasto bis spätestens 2028 möglich. Der China-Anteil am Umsatz sei auf rund 20 Prozent gesunken, das Geschäft nun deutlich besser ausbalanciert. Da der Automarkt in den kommenden Jahren aber wohl nicht wachsen werde, plant das Unternehmen mit weiterem Stellenabbau. Ab 2027 seien dann wieder Nettogewinne möglich. Doch das Eigenkapital dürfte absehbar unter zehn Prozent sinken und müsste deshalb dringend aufgestockt werden. Für Webasto werden die kommenden Wochen zur Bewährungsprobe der nachgebesserten Sanierungspläne. Engelmann und Stohner müssen Eigentümer oder externe Investoren zu einer Kapitalspritze bewegen, um die Banken ruhig zu halten. Gleichzeitig dürfte das Umfeld herausfordernd bleiben. Der Autoabsatz in Europa schwächelt, die deutschen Autohersteller geraten in China weiter unter Druck, und US-Präsident Donald Trump könnte schon bald Zölle auf Autoimporte erheben. » Lesen Sie auch: Trumps Autozölle – Wie VW, Daimler und BMW jetzt noch das Schlimmste verhindern können Erstpublikation: 10.03.2025, 13:00 Uhr.