Auktion in Berlin
Durchwachsener Erfolg für die Parade ausgewählter Werke

Berlin. Der Auktionssaal war dicht mit Publikum gefüllt, als Auktionator Daniel von Schacky seinen Hammer hob. Mit wachem Auge und viel Geduld führte er durch die anderthalbstündige Sitzung. Es waren nicht nur Gaffer, sondern auch Sammler im Saal, die sich gegen die Telefonbieter durchsetzen konnten. Das mit starker Publizität bedachte, letzte verfügbare Skizzenbuch mit Zeichnungen von Caspar David Friedrich hatte mehr Schaulustige als sonst und das Fernsehen in die Abendauktion gelockt.
Das aus dem Besitz des Künstlers G. F. Kersting und seiner Nachkommen stammende rare Skizzenbuch war für 950.000 Euro aufgerufen worden. Der auf 1 bis 1,5 Millionen Euro geschätzte Pappband mit zarten, teil aquarellierten Bleistift-Studien wurde schließlich einem Anonymus für 1,45 Millionen Euro zugeschlagen,. Brutto sind das 1,82 Millionen Euro.
Bis 1,42 Millionen hatte der Berliner Kunsthändler Wolfgang Wittrock in Museumsauftrag mitgeboten. Das Skizzenbuch war kurz vor der Auktion auf die Liste national wertvollen Kulturguts gesetzt worden. Das gibt dem Gesetzgeber die Möglichkeit, sechs Monate lang die Ausfuhr zu blockieren. Es wird vermutet, das New Yorker Metropolitan Museum habe das Los ersteigert und warte die Frist ab. Falls sich kein deutscher Mäzen findet, dann darf das abgewetzte Taschenbuch die Reise nach New York antreten.
Der Gesamterfolg der Parade ausgewählter Werke war dann eher durchwachsen. 22 von 60 ausgebotenen Werken, darunter der „Springbrunnen in Baden-Baden“ von Max Beckmann, gingen zurück. Das dürfte der vom Weltgeschehen geprägten, wählerischen Marktlage geschuldet sein.
In allen Herbstauktionen von Grisebach wurden brutto 22 Millionen Euro umgesetzt, von denen allein die Abendauktion rund 14 Millionen einspielte. Nur exzeptionelle Werke wie Lyonel Feiningers mit 36 x 60 cm relativ kleines, strahlend helles Gemälde „Wolken überm Meer“ bestätigten ihre Favoritenrolle.

Das 1923 entstandene Bild war auf 800.000 bis 1,2 Millionen Euro geschätzt, wurde mit 950.000 Euro ausgerufen und erreichte in schnellem Bietgefecht den Hammerpreis von 1,9 Millionen. Mit Aufgeld macht das 2,4 Millionen Euro. Sechs Telefone und zwei Saalbieter waren im Einsatz. Käufer ist ein norddeutscher Privatsammler.
Schon in der vorgeschalteten Auktion von Kunst des 19. Jahrhunderts hatte Caspar David Friedrichs aquarellierte Bleistiftzeichnung „Alte Elbbrücke bei Meißen“ mit angemessenen 254.000 Euro den höchsten Preis der Nachmittagssitzung erzielt. Dagegen wurde eine auf die gleiche Summe angesetzte Porträtzeichnung von Philipp Otto Runge zurückgereicht.
Zu den vier Werken, die an diesem Abend über den Hammerpreis von 500.000 Euro kamen, gehört Emil Noldes 1946 datiertes Figurenbild „In Demut“. Es zeigt drei Akte, zwei davon in devoter, fast betender Haltung. Das Bild entstand im Todesjahr von Noldes Frau Ada, was seine trotz heller Farbgebung herbe Ausstrahlung erklärt. Es erreichte mit 889.0000 Euro inklusive Aufgeld die untere Schätzung und fiel an einen norddeutschen Sammler.
Kurz zuvor war eines von Noldes zeitlos begehrten Blumengarten-Bildern („Mohn und blaue Lupinen“ 1950) von 750.000 auf brutto 1,6 Millionen und damit deutlich über den Schätzpreis gestiegen. Erworben hat es ein Berliner Sammler. In einer der temporären Berliner Sotheby’s-Auktionen im Jahr 1991 hatte dieses gefällige Gemälde bereits 1,3 Millionen D-Mark erzielt.
Im Kontrast zu der streckenweisen Bieter-Abstinenz gab es einige Zuschläge, die man als spektakulär bezeichnen kann. Das gilt für die 1,44 Meter hohe Bronze „Große Daphne“, ein Hauptwerk der Berliner Bildhauerin Renée Sintenis. Sie war an drei Telefonen begehrt und stieg von 140.000 auf den Rekordpreis von brutto 508 000 Euro. Ihr Schätzpreis hatte bei bis zu 200.000 Euro gelegen.
Hier zeigte sich, dass ein Bieter, der erst im letzten Augenblick in das Gefecht einstieg, zum Sieger werden konnte. In diesem Fall war es ein süddeutscher Privatsammler.

Zu den weiteren Spitzenlosen des Abends zählen ein winziges, 16 x 21 cm großes Wolkenbild von René Magritte, das für brutto 609.600 Euro zugeschlagen wurde, nachdem es 2015 im selben Auktionssaal schon 865.000 Euro eingespielt hatte. Den längsten Bietkampf der Auktion weckte die heiß umkämpfte Gouache „Questen“ von David Hockney mit 222.250 Euro.
Teuer wurde mit 330.200 Euro eine kraftstrotzende frühe Abstraktion von Hans Hartung, der mit seiner automatischen Bilderschrift zu den wichtigsten Malern der zweiten Ecole de Paris zählt. Auch seine späteren Bilder brachten stattliche Preise, wie das 1980 entstandene Riesenformat „T 1980 H 34“, in dem der helle Farbgrund mit schwarzen Spatelspuren übersät ist. Mit 457.200 Euro erreichte es den doppelten Schätzpreis. Es gelangt in eine Schweizer Privatsammlung. Im selben Auktionshaus war es 1994 für brutto 95.000 Euro zugeschlagen worden.
In der Vormittagsauktion moderner Kunst gab es 14 Zuschläge über der Marke von 50.000 Euro. Teuerstes Los wurde mit 95.250 Euro der geschmeidige Leopard von Fritz Behn, der mit seinen afrikanischen Tierplastiken ein Hauptvertreter deutscher Kolonialkunst war. Die Taxe lag bei 8000 bis 12.000 Euro.
Gleich zu Beginn der Auktion hatte Lesser Urys Pastell eines holländischen Kanals mit Windmühle dank seinem ansprechenden Motiv mit 88.900 Euro seine Taxe vervierfacht. Ury ist in. Von sechs ausgebotenen Werken des Berliners ging nur eines zurück. Charakteristisch ist die Zurückhaltung bei den weniger exemplarischen Nolde-Werken: Nur eins von fünf eingelieferten Aquarellen ließ sich absetzen.
Die Auktion der zeitgenössischen Kunst war von Ausfällen geprägt. Echte Star-Lose fehlten. Bis zu zwei Lots mit Werken von Sigmar Polke lief es noch rund. Da wurden Gemälde von Jonas Burgert und Norbert Bisky mit Bruttopreisen von 50.800 bis 91.440 Euro bedacht, und die zart verwirbelte Gouache „Himmelswurzeln“ von Rebecca Horn ging für 95.250 Euro an einen baden-württembergischen Sammler.
Danach wurde weniger dicht geboten und es gab eigentlich nur noch drei exzeptionelle Zuschläge, die ansprechenden Werken galten: 114.300 für Sigmar Polkes ein Meter hohe, rot violette Papierarbeit von 1974, in der eine weibliche Aktfigur die Champagnerflasche schwingt und ein weiteres Blatt mit zwei sich anzüglich räkelnden Schönen für 158.750 Euro. Beide gehen an einen baden-württembergischen Sammler.
Aus Tschechien wurden 101.600 Euro für Rainer Fettings an einem Balken schwebendem männlichen Akt geboten. Er war auf maximal 60.000 Euro geschätzt. Ein schöner Erfolg für ein Bild – in einer Auktionsserie, die stark von selektivem Bieterverhalten geprägt war.
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