Auktion
Sammlung Bunte: Marktchance für westfälische Expressionisten

Für Hermann Stenners dornengekrönten Christuskopf mit rückseitigem Damenbildnis werden 40.000 bis 60.000 Euro erwartet (Ausschnitt aus einem Hochformat).
Düsseldorf. „Zwei große LKWs von Ketterer kamen und sind wieder weggefahren“, erinnert sich Hermann-Josef Bunte über den Abtransport des größten Teils seiner Expressionismus-Sammlung. Und er erschrecke immer wieder, wenn er nun ins Lager schaue. „Wie viel noch da ist“, ergänzt er etwas unerwartet. Doch daneben bohrt der Schmerz über den zerbrochenen Traum, an seinem Wohnort Bielefeld ein Haus für den westfälischen Expressionisten Hermann Stenner und seine künstlerischen Wegbegleiter zu etablieren.
Das lang überlegte, mit Schenkungs- und Stiftungsabsichten verknüpfte Vorhaben scheiterte am Ende schneller als gedacht. Unter anderem, weil die Vorstellungen zu unterschiedlich waren, wie das von Bunte mitinitiierte Kunstforum Hermann Stenner bespielt werden sollte.
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Im Januar 2019 war das Forum mit einer ersten Ausstellung an den Start gegangen. Es folgte eine zweite Schau und dann der Ausstieg des heute 82-Jährigen Juristen und Rechtsgelehrten aus dem Dauerleihvertrag nach nicht einmal einem Jahr. Jetzt wird versteigert, die erste Tranche mit 50 ausgewählten Werken am 9. Dezember in München.
Ein deutlicher Schwerpunkt der Offerte liegt auf den Werken Stenners, dem Kern der seit Jahrzehnten zusammengetragenen und größtenteils marktfrischen Sammlung Bunte. Von Ausnahmen abgesehen: So findet sich unter den Werken Stenners auch der dornengekrönte Christuskopf mit rückseitigem Damenbildnis, den Bunte erst im Sommer 2018 für etwas über 100.000 Euro bei Lempertz ersteigert hatte. Jetzt ist das ausdrucksstarke Doppelbildnis auf moderate 40.000 bis 60.000 Euro geschätzt.
An eine alte Bekannte erinnert auch Stenners Porträt „Grüne Frau mit gelbem Hut I“ vor. Bunte besaß einst die Version II. Als er sie 2011 mit dem Hintergedanken versteigern ließ, andere Sammler zu Einlieferungen zu animieren, erzielte sie bei Lempertz den sensationellen Preis von 132.000 Euro (inkl. Aufgeld).

Zu dem bei Ketterer versteigerten Konvolut aus der Sammlung Bunte gehört auch Peter August Böckstiegels „Bauernkind aus Arrode“. Geschätzt ist es auf 40.000 bis 60.000 Euro (Ausschnitt aus einem Hochformat).
Überhaupt ist gut bedient, wer ein Faible für das Porträt hat. Von Conrad Felixmüller sind farblich furiose Bildnisse vertreten, darunter das Aquarell „Londa (‚der schöne Schmuck“) von 1924 für 80.000 bis 120.000 Euro. Auch das erst 2013 erworbene „Bauernkind aus Arrode“ von Peter August Böckstiegel ist dabei. Erwartet werden 40.000 Euro. Böckstiegel hat neben Stenner einen beeindruckenden Schwerpunkt in der Sammlung und ist bei Ketterer entsprechend gewichtet.
Die höchste Notierung der Offerte hat mit 150.000 bis 200.000 Euro Oskar Schlemmers unikate Bronzeskulptur „Bauplastik R“. Ausgestattet mit einer hervorragenden Provenienz zeugt dieser Probeguss von der engen Freundschaft Schlemmers mit Stenner. Ein Thema, das Bunte noch 2015 liebend gern ausgestellt sehen wollte, wie er damals erzählte.
Für den Sammler und die Stadt ist der Abgang der Sammlung Bunte ein Trauerspiel. Wieder ließ Bielefeld eine renommierte, noch dazu Publikum anziehende Sammlung ziehen – nach den Sammlungen Oetker, Marzona und Teutloff. Wobei Bielefeld nicht mit ganz leeren Händen da steht, da Bunte der Kunsthalle im März 2022 geschätzt 400 bis 500 Archivalien und Skizzenbücher als Grundstock für das Hermann Stenner Archiv übereignete.
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Ketterer aber kann sich etwas darauf einbilden, nach der Sammlung Gerlinger, die ein ähnliches Schicksal erlitt wie die Bunte-Sammlung, wieder eine bedeutende Expressionismus-Kollektion anvertraut zu bekommen. Und für den Sammler dürfte es ein – wenn auch schwacher – Trost sein, dass die westfälische Avantgarde nun in den Wirtschaftskreislauf zurück- oder in substanzieller Zahl überhaupt erst einmal in den Markt hineinkommt. Die Taxen für Künstler wie Victor Tuxhorn, der mit dem „Bildnis eines Arbeitslosen“ zu 15.000 Euro vertreten ist, signalisieren, dass hier noch Luft nach oben ist.
Aus der rund 1300 Werke zählenden Sammlung sollen auf mittlere Sicht über 1000 unter den Hammer kommen. Ketterer muss dabei vorsichtig zu Werke gehen, da der Markt zu viel auf einmal nicht aufnehmen kann. In diesem Herbst bleibt es deshalb auch bei dieser Sonderauktion mit 50 Werken, die Qualität und Profil der Sammlung spiegeln.

Diese koloristisch reizvolle und spannungsvoll aufgebaute kubistische Komposition aus dem Frühwerk von Hans Spiegel dürfte Bietgefechte hervorrufen. Aufgerufen wird sie am 9. Dezember in der Sonderauktion Sammlung Bunte zur Taxe von 8000 bis 12.000 Euro (Ausschnitt aus einem hohen Querformat).
Wie es in den kommenden Jahren weitergeht, will Ketterer im Anschluss an diese erste Auktion festlegen. Bereits zu erfahren ist, dass die Vermarktung „sukzessive über mehrere Kanäle“ erfolgen soll, „um für jedes Objekt die richtige Zielgruppe zu erreichen“. Hier ist man laut Bunte auch im Gespräch mit Irene Lehr aus Berlin. Im Übrigen wurden in Absprache mit Ketterer vereinzelte Arbeiten mit lokalem Bezug bereits im regionalen Auktionshandel angeboten.
Derweil arbeitet Hermann-Josef Bunte gemeinsam mit seiner Frau Renate daran, aus dem nicht zur Versteigerung vorgesehenen Restbestand Schenkungspakete zu schnüren, und diese „an den richtigen Stellen“ zu platzieren. Umfangreiche Konvolute erhielten das Ahlener Kunstmuseum und das Peter August Böckstiegel-Museum in Werther, das aktuell noch einmal ein großes Konvolut von Papierarbeiten übereignet bekam. Und das Kunstmuseum Stuttgart freut sich über zwei Zeichnungen von Stenner, die gerade erst abgeholt wurden.
Zu den Begünstigten gehören auch die Adolf Hölzel-Stiftung in Stuttgart und die Kulturstiftung der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW). Position für Position arbeitet Hermann-Josef Bunte seine Liste ab. „Sobald ich alles abgewickelt habe, ist Bielefeld gestorben.“