Kulturförderpreis
Die Qual der Wahl

Düsseldorf. Kulturförderung durch Unternehmen kann mit einem ganz kleinen Impuls beginnen. Durch einen persönlichen Kontakt erfährt Thilo von Debschitz, Geschäftsführer der Wiesbadener Design- und Strategieagentur Q, von der Geschichte des deutsch-jüdischen Dichters Curt Bloch. Zwischen 1942 und 1945 hatte Bloch in einem Versteck in den von NS-Deutschland besetzten Niederlanden überlebt. Im Verborgenen schrieb er satirische Gedichte zu den Geschehnissen seiner Zeit, die er in improvisierten Heften in Umlauf brachte. Nach Kriegsende emigrierte Bloch in die USA und ließ diese Hefte mit fast 500 Gedichten – Zeitdokumenten ersten Ranges – im Keller verschwinden.
Diesen Schatz hat seine Tochter Simone Bloch nach 80 Jahren gehoben und möchte ihn endlich an die Öffentlichkeit bringen. Die ganze Wiesbadener Agentur wird einbezogen. Spender werden gesucht und gefunden, ebenso Kooperationspartner wie das Jüdische Museum Berlin. Die Magazine werden eingescannt, namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler lesen Gedichte ein, und alles wird auf eine sehr ansprechende Website gepackt (www.curt-bloch.com). Wie gesagt, alles ehrenamtlich und parallel zum normalen Betrieb in der kleinen Agentur.

Kulturförderung kann aber auch gleich mit einem großen Aufschlag beginnen. Zum Beispiel, wenn die Zeitläufe es erfordern. Zwei Wochen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 beschließt die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung eine spezielle Förderrichtlinie für Wissenschaftler und Restauratoren, die aus der Ukraine fliehen mussten. Ihnen soll ermöglicht werden, in deutschen Museen, Kulturinstitutionen und Sammlungen an Ausstellungs-, Forschungs- und Restaurierungsprojekten mitzuarbeiten. Dafür stellt die Stiftung zunächst zwei Millionen Euro bereit, das Fördervolumen wird in den folgenden Jahren auf drei Millionen Euro erhöht. Bis jetzt konnten 39 geflüchtete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine von der Förderung profitieren. Der deutschen Öffentlichkeit ermöglicht das Projekt zudem Begegnungen mit Kunst aus der Ukraine, wie etwa aktuell in der Ausstellung „Von Odesa nach Berlin: Europäische Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts“ in der Gemäldegalerie Berlin (bis 22. Juni).

Zwei von insgesamt 15 Beispielen für unternehmerische Kulturförderung, die jetzt für den Deutschen Kulturförderpreis 2025 nominiert worden sind. Dieser Preis für innovative, nachhaltige und gesellschaftlich engagierte Förderkonzepte wird seit 2006 jedes Jahr vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI in Zusammenarbeit mit Handelsblatt und ZDF verliehen. Am 22. Mai findet die diesjährige Preisverleihung in Düsseldorf statt. Drei Projekte können sich auf die renommierte Auszeichnung freuen.
Anders als in den Vorjahren werden die Preise in diesem Jahr nicht mehr in Kategorien vergeben, die nach der Unternehmensgröße unterteilt sind. So hat die neunköpfige Jury jetzt die Qual der Wahl, unter allen Projekten – unabhängig vom Umfang des Engagements und der Größe des fördernden Unternehmens – drei besonders hervorstechende zu würdigen.
Die Palette der nominierten Projekte reicht von Kunst-, Musik- und Theaterprojekten für Kinder und Jugendliche bis zu klassischen Sponsorings, von Sozio- bis zu Hochkultur.
So bemüht sich die RAG-Stiftung seit vielen Jahren, das Unesco-Welterbe Zollverein in Essen für die Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden, häufig strukturschwachen Stadtviertel zu öffnen. Das einst unzugängliche Zechengelände soll mehr sein als ein Industriedenkmal. Mit vielfältigen Angeboten wie Parkour, der Öffnung des Werksschwimmbads, Fotoprojekten sowie Kunst- und Theaterworkshops werden Menschen aller Altersgruppen auf das Gelände gelockt, häufig in Kooperation mit Essener Kultureinrichtungen wie dem Aalto Musiktheater und der Folkwang Universität.

An junge Bühnentalente und solche, die es werden wollen, wendet sich seit zwei Jahrzehnten das Berliner Projekt „Academy“, das vom Versorgungsunternehmen Gasag finanziert wird. Junge Menschen zwischen 13 und 19 Jahren sollen hier neben Fertigkeiten bei Schauspiel, Tanz und Gesang auch Respekt, Toleranz und Offenheit erlernen. Die Erfahrung, auf künstlerische Weise eigene Grenzen zu überwinden, vermittelt Lektionen für das ganze Leben.
Um jungen Künstlerinnen und Künstlern eine finanzielle und professionelle Starthilfe zu bieten, organisiert die Bayer AG seit 16 Jahren die „Start Academy“. Auftrittsmöglichkeiten, Kontakte zu etablierten Künstlern und Netzwerke sind dabei fast ebenso wichtig wie die Geldmittel. Die SV Sparkassenversicherung Holding AG lobt ihrerseits in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung des Freistaats Thüringen jedes Jahr zwei Förderstipendien für junge Künstlerinnen und Künstler aus dem Bundesland aus.
Eine Stufe früher setzt die Sparda-Südwest-Stiftung mit ihrem Projekt „Kunst ist Klasse“ an, das künstlerisch-experimentelle Erlebnisse für Schulklassen organisiert. Das Förderprogramm „The Young ClassX“, das von der Otto Group gegründet wurde, bietet Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft Zugänge zur Musik. Die Dorit-&-Alexander-Otto-Stiftung hat in Zusammenarbeit mit einem Hamburger Kindertheater eine Kultur-WG gegründet, aus der intergenerationelle und integrative Theaterprojekte hervorgehen. Und die Stiftung Kunstforum der Berliner Volksbank hat eine „Werkstatt für Kreative“ eingerichtet, die Kindern und Jugendlichen Zugänge zu zeitgenössischer Kunst bietet.
Andere nominierte Projekte bewegen sich eher im Bereich der klassischen Kultur. So bewirbt sich die BASF mit einem Konzertprojekt um den Preis, in dem das interkulturelle Trickster Orchestra ausgelotet hat, wie ein Konzertprogramm der diversen Realität in unserer Gesellschaft gerecht werden kann. Die Siemens AG engagiert sich seit 2017 als Hauptsponsor für den Internationalen Musikwettbewerb der ARD und leistet damit eine wichtige Unterstützung in einer Zeit, in der das kulturelle Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zunehmend infrage gestellt wird. Die Hannover-Rück-Stiftung fördert eine Ausstellungsreihe mit Meisterschülern der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und die Mittelbrandenburgische Sparkasse ein deutsch-israelisches Ausstellungsprojekt in Potsdam, bei dem Enkelinnen von NS-Tätern und Shoah-Opfer zusammengearbeitet haben. Und die BMW Group hat im Rahmen eines über anderthalb Jahre laufenden Projekts mit Workshops an der Bildung von Netzwerken zwischen Kunst- und Filminstitutionen auf dem gesamten afrikanischen Kontinent mitgewirkt.
„Die Shortlist der Nominierten zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich wirtschaftliche Akteure kulturelle Entwicklungen initiieren, begleiten und nachhaltig fördern“, kommentiert Rodger Masou, Geschäftsführer des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft und Jurymitglied. „Dahinter stehen Führungspersönlichkeiten, die den Anspruch haben, unsere Gesellschaft mitzugestalten.“
Weitere Informationen: https://www.kulturkreis.eu/kulturfoerderpreis/deutscher-kulturfoerderpreis-25