Geldanlage: Viele Profi-Investoren haben die Aktienrally verpasst

Seit dem 9. April geht es zwar an den Aktienmärkten wieder steil aufwärts, doch die Rally hat viele Investorinnen und Investoren auf dem falschen Fuß erwischt. Das ist ein Ergebnis der monatlichen Umfrage der Bank of America (BofA) unter internationalen Portfoliomanagern. Die Investoren hielten demnach zuletzt immer noch weniger Aktien als üblich. Vor allem mit Blick auf US-Aktien waren sie so skeptisch wie seit zwei Jahren nicht. Fondsmanager können nach Ansicht des BofA-Strategen Michael Hartnett jetzt aber gezwungen sein, der Rally hinterherzulaufen, also noch mehr Aktien zu kaufen. Das sieht auch Andreas Wex so. „Die Angst, etwas zu verpassen, treibt die Anleger, die bisher aufgrund des US-Handelsstreits zurückhaltend agiert hatten, wieder in den Markt zurück“, meint der leitende Kapitalmarktstratege der Commerzbank. » Lesen Sie auch: Aktien steigen bis zu 15 Prozent: Diese Firmen profitieren vom Zoll-Moratorium Die BofA-Umfrage zeigt, dass es dabei um viel Geld geht. Bei der Befragung machten 174 institutionelle Anlegerinnen und Anleger mit, die zusammen 458 Milliarden Dollar verwalten. Unter dem Strich waren 13 Prozent der Befragten in Aktien untergewichtet, hielten also weniger Papiere, als es die richtungweisenden Indizes für ihre jeweiligen Häuser vorgeben. Misstrauen gegenüber den USA hält an Skeptisch waren die Investoren vor allem mit Blick auf die USA. Unter dem Strich waren 38 Prozent der Investoren bei Asset-Managern, Banken, Unternehmen und Hedgefonds in US-Aktien untergewichtet. Das bedeutet, dass sie weniger US-Aktien hielten, als es die Benchmarks für ihre jeweiligen Häuser vorgeben. Inzwischen sind Investoren seit drei Monaten in US-Aktien untergewichtet. Gerächt hat sich das erst seit dem 9. April. Der US-Leitindex legte seither 20 Prozent zu und damit sogar noch mehr als der Euro-Zonen-Leitindex Euro Stoxx 50, Deutschlands Leitindex Dax oder der Schwellenländer-Index MSCI Emerging Markets. Damit hat der S&P aber lediglich seinen seit Jahresanfang und besonders seinen seit dem Zollschock vom 2. April aufgelaufenen Verlust wettgemacht. Gerade Europas Börsen hinkt der S&P seit Jahresanfang immer noch hinterher. Der Euro Stoxx 50 hat in diesem Jahr unter dem Strich bislang knapp elf Prozent zugelegt, beim Dax sind es rund 19 Prozent und beim Schwellenländer-Index sieben Prozent. Am 9. April hatte US-Präsident Donald Trump überraschend seine sieben Tage zuvor verkündeten massiven Zollerhöhungen für fast alle Länder für 90 Tage ausgesetzt. Nur gegenüber China schaukelten sich die Zollandrohungen weiter hoch. Erst am Montag verkündeten beide Länder in einer gemeinsamen Erklärung, dass die US-Zölle für die meisten Waren aus China von 145 auf 30 Prozent sinken sollen. Im Gegenzug will China die Zölle auf US-Importe von 125 auf zehn Prozent senken. Auch diese Vereinbarung gilt zunächst für 90 Tage. Die BofA-Umfrage unter den Portfoliomanagern fand vor den Verhandlungen zwischen den USA und China statt. Dennoch hatten die meisten Investoren mit einer De-Eskalation im Zollstreit zwischen den Ländern gerechnet. Im Schnitt erwarteten sie laut der Umfrage eine Senkung des US-Importzolls auf 37 Prozent. Umschichtungen nach Europa Ihre Aktienquoten erhöhten sie aber dennoch nur leicht. Im April hatten 17 Prozent der Fondsmanager Aktien untergewichtet, die Aktienquote hat sich von daher im Schnitt nur um fünf Prozentpunkte erhöht. Auffällig ist aber: Investorinnen und Investoren schichten ihr Geld weiter von US-Aktien in europäische Aktien um. Unter dem Strich gaben im Mai 35 Prozent der von der BofA befragen Investoren an, dass sie die Aktien aus dem Euro-Raum in ihren Portfolios stärker berücksichtigen als üblich. Dabei gewichten Investoren europäische Aktien in ihren Häusern bereits seit drei Monaten stärker als amerikanische. Eine so große Präferenz für Aktien aus dem Euro-Raum gegenüber US-Aktien wie im Mai gab es aber laut der BofA zuletzt vor achteinhalb Jahren. Zu den Investoren, die europäische Aktien bevorzugen, gehört Florian Oberhofer von Union Investment. Er favorisiert in seinem globalen Aktienfonds europäische Aktien vor allem wegen der geplanten massiven Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung. Fondshäuser wie Allianz Global Investors, Carmignac oder die DWS sprechen sich ebenfalls für europäische Aktien aus, unter anderem auch, weil sie immer noch deutlich günstiger bewertet sind als US-Aktien. Vincenzo Vedda, Chefanlagestratege bei der DWS, betont zudem, dass Europa „weiter von einer Umschichtung der Anlegergelder raus aus den USA profitieren sollte“. Misstrauen gegenüber Trump hält an Dass Investoren so stark in US-Aktien und damit auch insgesamt in Aktien untergewichtet sind, liegt wohl daran, dass sie US-Präsident Trump misstrauen. Kevin Thozet, Mitglied des Anlageausschusses beim Fondshaus Carmignac, fasst es so zusammen: Trump habe die „von den USA angeführte geopolitische Ordnung zu Fall gebracht, den Welthandel gestört, Zweifel am finanzpolitischen Kurs des Landes und an der Unabhängigkeit der Geldpolitik gesät und dabei die Grenzen der Exekutivgewalt überschritten“. Auch zum Deal mit China äußern sich zumindest einige Strategen noch vorsichtig: „Es ist nicht vorhersehbar, ob nicht nach oder gar während der Frist wieder neue Handelsrestriktionen erlassen werden, zumal erhöhte Sonderzölle auf bestimmte Produktkategorien weitergelten“, betont zum Beispiel Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Hinzu kommt nach Ansicht von Jean-Louis Nakumera, einem der Aktienchefs beim schweizerischen Investmenthaus Vontobel: „Die eingeführten Zölle sind immer noch deutlich höher als zuvor, und wir haben kein klares Bild vom Ausmaß des Schadens, der in der Zwischenzeit der Weltwirtschaft zugefügt wurde.“ Mehr: Neue Grafiken zeigen, wie Trump die Märkte in Deutschland, USA und China bewegt