Geldanlage: Deshalb lieben große US-Konzerne plötzlich den Euro

IBM hat es getan, Alphabet hat es getan, ebenso wie Johnson & Johnson, Pfizer, McDonald’s oder Visa – und sie sind nicht allein: US-Unternehmen refinanzieren sich zunehmend in Euro. In diesem Jahr haben sie bislang auf Euro lautende Anleihen im Volumen von 46,5 Milliarden begeben. Das ist jetzt schon mehr als in den Gesamtjahren 2023 und 2022. Und es dürften noch viel mehr werden. Die niederländische Großbank ING geht davon aus, dass sich US-Unternehmen in diesem Jahr über Euro-Anleihen 85 Milliarden von Investoren leihen werden, die US-Bank JP Morgan rechnet mit mehr als 88 Milliarden. Die Anleihen, die US-Unternehmen in Euro auflegen, haben einen Spitznamen: Reverse Yankees. Dass diese Zinspapiere jetzt so beliebt sind, hat auch etwas mit US-Präsident Donald Trump zu tun. Trumps erratische Zollpolitik und sein zumindest vom Repräsentantenhaus bereits abgenicktes Haushaltsgesetz haben den US-Anleihemarkt enorm unter Druck gesetzt. Gerade bei mittleren und langen Laufzeiten sind die Anleihekurse gefallen und im Gegenzug die Renditen gestiegen. Anleiheinvestoren fürchten eine nochmals deutlich steigende Verschuldung der USA. Hinzu kommt: Die US-Notenbank (Fed) hat die Leitzinsen seit dem vergangenen Jahr weit weniger gesenkt als die Europäische Zentralbank (EZB). Auch in den nächsten Monaten hat die Fed weniger Spielraum für Zinssenkungen als die EZB. Günstigere Refinanzierung und „Herdentrieb“ Die Folge: Der Abstand zwischen den Anleiherenditen in den USA und in Europa ist in diesem Jahr enorm gestiegen. Im Schnitt liegen die Renditen für Dollar-Anleihen von Unternehmen mit guter Bonität bei 5,3 Prozent, bei Euro-Anleihen sind es nur 3,1 Prozent. So groß war der Renditeunterschied zuletzt vor drei Jahren. „Der Euro-Anleihemarkt ist für US-Unternehmen außerordentlich attraktiv, weil sie sich in Euro viel günstiger refinanzieren können als in Dollar“, sagt dazu Alexander Voigt, der bei JP Morgan in Frankfurt Unternehmen bei der Platzierung von Anleihen betreut. Hinzu komme eine Art „Herdentrieb“, wie Voigt sagt: „Die geballten Platzierungen in Euro sorgen für viel Aufmerksamkeit und setzen viele Unternehmen unter einen gewissen Druck, ebenfalls mit dabei zu sein.“ Euro-Anleihen für das Geschäft in Euro Die meisten Unternehmen, die sich jetzt in Euro refinanzieren, machen auch viel Geschäft in Europa und brauchen deshalb auch Euro. „Für diese Unternehmen ist es besonders sinnvoll und günstig, sich in Euro zu finanzieren“, sagt Voigt. Doch auch für Unternehmen, die nur geringe Cashflows in Euro haben, können sich Euro-Emissionen lohnen, betont Timothy Rahill, Kreditstratege bei der ING. Die Kosten, um Euro am Markt wieder in Dollar umzutauschen, seien derzeit sehr niedrig. Was den Euro-Anleihemarkt für US-Unternehmen außerdem attraktiv macht: Er ist inzwischen fast ebenso aufnahmefähig wie der in Dollar. Auch Mega-Emissionen über mehrere Milliarden Euro zu platzieren, ist grundsätzlich kein Problem. Viele Mega-Deals Alphabet zum Beispiel lieh sich mit seinen ersten Euro-Anleihen überhaupt Anfang Mai auf einen Schlag 6,75 Milliarden Euro. Das geschah in fünf Tranchen mit Laufzeiten von drei bis 29 Jahren. Mega-Deals über vier und 3,3 Milliarden Euro mit verschiedenen Laufzeiten gab es auch von den Pharmakonzernen Pfizer und Johnson & Johnson. » Lesen Sie auch: Neue Anleihen von Alphabet: Gefragt, aber riskant! Alle drei Unternehmen haben zuletzt auch Dollar-Anleihen im Milliardenvolumen begeben. Dafür mussten sie aber eben deutlich höhere Zinsen zahlen. Der Zinskupon der zehnjährigen Dollar-Anleihe von Alphabet liegt zum Beispiel bei 4,5 Prozent, der für die achtjährige Euro-Anleihe bei nur 3,0 Prozent. Noch deutlicher waren die Unterschiede zum Beispiel bei Pfizer. Der Pharmakonzern stattete Anfang vergangener Woche eine in acht Jahren fällige Dollar-Tranche mit einem Zinskupon von 4,75 Prozent aus, für die siebenjährige Euro-Anleihe reichte dagegen ein Kupon von 3,25 Prozent. Dass Investoren bei den Reverse Yankees so beherzt zugreifen, liegt daran, dass die Emittenten eine sehr gute Bonität haben. Voigt sagt dazu: „Die meisten US-Unternehmen, die jetzt Euro-Anleihen begeben, sind genau jene soliden Qualitätsunternehmen, die bei Investoren in diesen unsicheren Zeiten besonders gefragt sind.“ Dennoch läuft es nicht immer glatt am Markt für neue Firmenbonds. Auch das liegt an Trump. Als er Anfang April fast alle Handelspartner mit drastischen Strafzöllen bedrohte und diese kurze Zeit später größtenteils aussetzte, hielten sich Unternehmen mit der Platzierung von Anleihen zurück – und das sowohl in Europa als auch in den USA. Primärmarkt boomt auch in Europa wieder Seit vier Wochen boomt das Geschäft am Primärmarkt aber wieder. Dabei drängen nicht nur US-Unternehmen, sondern auch europäische Konzerne an den Markt. Anleihen über ein bis zwei Milliarden Euro gab es dazu unter anderem von BMW und Siemens, vom Bierbrauer AB Inbev, dem Luxuskonzern LVMH und dem Pharmakonzern Novo Nordisk. Der Technologiekonzern Bosch sammelte sogar vier Milliarden Euro ein. Nach Einschätzung von Investmentbankern wie Voigt zeigt dies: „Das Zeitfenster für die Platzierung von Anleihen wird wichtiger.“ Prinzipiell gebe es für Konzerne mit guter Bonität und Ratings im Investmentgrade mit Noten von „AAA“ bis „BBB“ aber innerhalb von zum Beispiel zwei Wochen immer einige Tage, in denen Unternehmen Anleihen zu für sie guten Konditionen begeben könnten. Sein Rat an diese Unternehmen ist: „Sie sollten ihre Dokumentationen parat haben, um jederzeit an den Markt gehen zu können.“ Für solide Unternehmen, die erst im Oktober Geld brauchen, sieht Voigt aber keinen Grund, sich jetzt schon vorzufinanzieren, nur weil der Markt gerade gut läuft. Es sei denn, das Management hat einen negativen Blick auf den Kapitalmarkt. Grund zur Eile nur für wenige Unternehmen Etwas anders sei das bei Unternehmen, deren Bonität Ratingagenturen mit „BBB-“ auf der untersten Stufe im Investmentgrade oder gar im Non-Investmentgrade ansiedeln, meint Voigt: „Diese Unternehmen sollten das gute Emissionsfenster besser schon jetzt nutzen.“ JP Morgan geht davon aus, dass Unternehmen mit Investmentgrade-Rating abseits der Finanzbranche in diesem Jahr insgesamt neue Anleihen über 324 Milliarden Euro begeben werden. US-Unternehmen dürften daran einen beträchtlichen Anteil haben. Mehr: Wie Superreiche investieren und was sich Privatanleger davon abschauen können Erstpublikation: 27.05.2025, 16:23 Uhr.