Asiatika
Japanische Kunst zieht an

München. Vielleicht hat der Glücksgott Daikoku geholfen, dass das Stuttgarter Auktionshaus Nagel Anfang Juni die Skulpturen aus dem japanischen Garten in Leverkusen mit grandiosen Steigerungen veräußern konnte. Eingeliefert hatte die Sammlung des in den 1920er- und 30er-Jahren tätigen Bayer-Vorstandsvorsitzenden Carl Duisberg die Bayer AG, die einen Teil ihres Kunstbesitzes gerade veräußert hat. Den prallen Glücksgott aus der Meiji-Periode hat sich zum dreifachen Schätzpreis für 35.557 Euro (alle Preise inklusive Aufgeld) der englische Handel gesichert.
Aber auch sonst gab es stattliche Steigerungen. Einen Satz von 8000 auf 23.700 Euro machte die Bronzeskulptur einer Bijin, Ausdruck für Frauen voller Anmut und Schönheit. Ein Paar lebensgroßer Gänse, ebenfalls aus der Meiji-Periode, vervierfachte fast die untere Taxe und wurde bei 19.260 Euro weitergereicht. „Ein neues Interesse für japanische Kunst haben wir nicht nur bei dieser Sammlung verzeichnet“, sagte Nagels Asiatika-Experte Michael Trautmann dem Handelsblatt. Es zeigte sich auch bei Lackarbeiten und Inros. „Erstaunlicherweise engagierten sich auf diesem Gebiet, dessen Preisniveau immer noch niedrig ist, auch sehr viele Chinesen“, so Trautmann.

Der Rettungsanker im abflauenden Asiatika-Geschäft deutschsprachiger Auktionshäuser scheinen die Objekte aus dem Land des Lächelns dennoch nicht zu sein. Nagel setzte mit den aus Japan, Tibet und vorwiegend aus China stammenden über 800 im Saal aufgerufenen Losen und dem Onlineangebot brutto 4,3 Millionen Euro um – eine Summe, die das Haus vor 15 Jahren oft schon mit drei bis vier chinesischen Toplosen realisieren konnte.
Dennoch geht der Großteil des Angebots ins Reich der Mitte. Ein chinesischer Sammler bekam bei einem Einsatz von 233.100 Euro den Zuschlag für einen seltenen, gelbgrundigen Porzellanteller mit blauem Gardenien-Dekor. Ein guter Preis, aber auch ein Zeichen für Marktsättigung. Laut Trautmann hätte der Teller, der im 16. Jahrhundert in den kaiserlichen Manufakturen hergestellt wurde, vor zehn Jahren einen erheblich höheren Preis erzielt.
Nur drei Mal konnte Nagel Erlöse im sechsstelligen Bereich einfahren. Für 174.825 Euro übernahm ein Milliardär aus Hongkong eine außergewöhnlich schwungvolle, mit einem zarten Lächeln ausgestattete Holzfigur des weiblichen Bodhisattvas Guanyin aus dem China des 17. Jahrhunderts. Den dritten hochpreisigen Erlös setzte ein Tefaf-Händler aus England mit 140.747 Euro für einen indo-portugiesischen Lack-Stellschirm aus dem 16./17. Jahrhundert.

Insider beklagen schon lange, dass der permanente Abfluss hochwertiger chinesischer Kunst nach Fernost den europäischen Asiatika-Markt ausgetrocknet hat. Lempertz allerdings hat die durch den China-Boom ins Abseits geratenen Sammelgebiete nie aus den Augen gelassen und profitiert nun. Steigerungen um das Zehn- und Zwanzigfache verzeichnete der Kölner Versteigerer bei einer Suite von persischen und indischen Miniaturen, die zwischen 13.000 und rund 37.000 Euro weitergereicht wurden.
Starkes Interesse kam dabei aus Indien, einer gerade aufgestiegenen Wirtschaftsmacht mit einer neuen wohlhabenden und kunstaffinen Schicht, beziehungsweise von indischstämmigen Mitbietern, erwähnte Lempertz-Spezialist Adrian Heindrichs gegenüber dem Handelsblatt. Sieben Interessenten aus Neu-Delhi etwa steigerten mit, als für 800 Euro ein Albumblatt aus dem 18./19. Jahrhundert mit dem Porträt des Großmoguls Aurangzeb aufgerufen wurde. Erworben hat es letztlich für 15.120 Euro ein Konkurrent aus den USA. Auch online schossen die Preise für südostasiatische Miniaturen in die Höhe. Eine indische Miniatur im Mughal-Stil mit der Darstellung einer höfischen Familienszene erzielte 32.000 Euro, ein weiteres kleines Gemälde aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, das den Besuch eines Prinzen zeigt, wurde mit 6500 Euro für das 13-Fache der Taxe verkauft.
Insgesamt konnte Lempertz mit seinem Asiatika-Angebot live und online zusammengenommen brutto 1,7 Millionen Euro umsetzen. Beim China-Angebot verlangten die Porzellane den Bietern die höchsten Preise ab. Für eine Famille-verte-Schale mit einer höfischen Szene in typischer Kangxi-Manier des 17. Jahrhunderts investierte ein Sammler aus China 115.920 Euro. Nach Peking wird demnächst ein kaiserlicher Teller mit dem sogenannten Neun-Pfirsich-Dekor aus der Yongzheng-Periode um 1700 verschifft, der im Rahmen der Taxe für 55.440 Euro verkauft wurde.
Bestens absetzen konnte Lempertz die Holzschnitte von Hokusai zu Erlösen zwischen 14.000 und rund 28.000 Euro. „Mittlerweile“, so Adrian Heindrichs, „werden japanische Holzschnitte nicht nur als sehr dekoratives Sammelgebiet gesehen, sondern auch als Investition betrachtet.“ Viel Interesse kam aus Japan selbst, gekauft hat die teuren Blätter jedoch der amerikanische Handel.

Das Auktionshaus Koller in Zürich spürte ebenfalls die Zurückhaltung der chinesischen Käufer. Die tibetischen religiösen Skulpturen und die buddhistischen Thangkas wurden vorwiegend im fünfstelligen Preisbereich weitergereicht. Zu einem längeren Bietergefecht reizte eine leicht farbig staffierte Porzellanfigur einer sitzenden Guanyin mit weißem, goldgesäumtem Umhang aus dem späten 18. Jahrhundert. Von taxierten 10.000 stieg der Preis für die 22 Zentimeter hohe Göttin des Mitgefühls auf 91.200 Schweizer Franken.
Der Asiatika-Markt in Europa ist momentan ein sich neu organisierendes Feld. Ob Japan dabei einen Aufschwung erlebt wie in den frühen 80er-Jahren, das wird nicht zuletzt auch von der wirtschaftlichen Potenz und Kauflust der Japaner abhängen. Und ob Indien das neue China wird, ist ebenso zweifelhaft. Denn das potente Land in Südasien war nie so abgeschottet und undurchdringbar wie das ehemals kommunistische Mao-Reich.