Auktionsnachbericht
Internationale Klassiker ganz vorn

München. Rein rechnerisch ist die Ketterer-Bilanz hervorragend. Robert Ketterer zählte Samstagnachmittag unmittelbar nach Auktionsende 24,5 Millionen Euro Bruttoumsatz für die Evening und Day Sales „Moderne und zeitgenössische Kunst“ am 6. und 7. Juni. Bei nur 237 aufgerufenen Objekten spricht das Resultat für ein Angebot, das internationale Sammler trotz angespannter politischer und wirtschaftlicher Weltlage animierte.
Teuerstes Werk wurde mit 2,04 Millionen Euro inklusive Aufgeld Edvard Munchs eher stilles Gemälde „Das rote Haus“ von 1926. Der Künstler hat die Darstellung seines Wohnhauses immer wieder selbst ausgewählt für große Retrospektiven. Es ist ein Werk für Kenner. Gegen Konkurrenz aus Deutschland und Übersee setzte sich am 6. Juni ein Sammler aus den USA durch. Die Schätzung hatte bei 1,2 Millionen Euro gelegen.
Laut Auktionator Robert Ketterer kostete im exponierten Evening Sale, bei dem 40 der 55 ausgewählten Werke weitergereicht wurden, jedes verkaufte Los durchschnittlich brutto 300.000 Euro. Nach oben gedrückt haben diesen Wert ganz ohne Zweifel die vier Millionenerlöse.
Auf Munchs Gemälde folgen preislich Pablo Picassos auf 800.000 Euro geschätzte Gouache „Le Sculpteur et son Modèle“ von 1933 mit einem Erlös von 1,68 Millionen Euro und Lyonel Feiningers Gemälde „Auf der Brücke“. Die Arbeit von 1913, die den Übergang von Feiningers narrativem zum kathedralen Stil markiert, konnte mit 1,26 Millionen Euro ihre Schätzung verdoppeln.

Ketterer fährt sein Angebot schon lange zweispurig zwischen internationaler und deutscher Nachfrage. Deutlich machte diesen Trend vor allem die wandfüllende Arbeit von Morris Louis. 1959 goss der Pionier des amerikanischen Color Field Paintings vertikal verlaufende Farbblöcke auf seine „Additions“ betitelten Leinwände, die in den letzten Jahren laut artprice.com Erlöse bis zu 5,5 Millionen US-Dollar erzielten. Ein Käufer aus den USA kam bei Ketterer günstiger davon, er zahlte für das auf 800.000 Euro taxierte Gemälde 1,14 Millionen Euro.

Doch nicht alles lief wie erhofft. Eiseskälte machte sich breit, als sich weder im Saal noch am Telefon Engagement für Alexej von Jawlenskis Porträt des Tänzers Sacharow von 1913 zeigte. Der koloristisch überhöhte, expressionistische Kopf des Russen, der vier Jahre nach dem androgynen Porträt im Münchener Lenbachhaus entstand, sollte mindestens 1,5 Millionen einspielen. „Für solche Werke gibt es heute nur noch einen, höchstens zwei Interessenten“, kommentierte Robert Ketterer im Gespräch mit dem Handelsblatt den Rückgang. Und wenn die nicht mitzögen, falle auch ein bedeutsames Werk durch, so der Auktionator.
Ebenfalls vom Markt verschmäht wurden Toplose wie Claes Oldenburgs Giant-Object „Leaning Fork with Meatball & Spaghetti III“ zur Taxe von 600.000 Euro und Pierre Soulages späte und sehr kompakte, schwarz modulierte „Peinture“ vom 18. Januar 2011 mit einer unteren Taxe von 700.000 Euro. Gerhard Richters „Abstraktes Bild“ von 1989, einer der gefragtesten Schaffenszeit des Malers, wurde für 1,4 Millionen Euro nur unter Vorbehalt zugeschlagen. Insider merkten am Rande der Auktion an, dass dies ein Zeichen für den Rückzug von reinen Kunstinvestoren und Anlagekäufern sei und auf eine vorsichtigere, noch strikter kalkulierte Erwerbspolitik dieser Klientel im Millionensektor hindeute.
Im sechsstelligen Preisbereich gab es weniger Zurückhaltung. Keith Harings kleine Tafel mit grünem Strichmännchen von 1982, einer Hommage an den Rapper Fab 5 Freddy, kletterte auf 215.900 Euro. Henri Laurens’ archaisch stilisierte Bronze „Petite cariatide“ von 1930, die nur sechsmal ausgeführt wurde und aus dem Besitz des Krupp-Managers Berthold Beitz stammte, wurde für 254.000 Euro weitergereicht. Ein französischer Sammler sicherte sich für 698.500 Euro Jean Dubuffets Abstraktion „Lampe et Balance I“, aus Tschechien kam der Käufer von Louise Bourgeois’ Bronze „The Welcoming Hands“. Er setzte sich bei 495.300 Euro gegen mehrere Telefonbieter durch.

Der deutsche Expressionismus war nur spärlich vertreten. Karl Schmidt-Rottluffs schroff gemalt „Scheune“ von 1921 zeigte Preisstabilität und forderte zwei Telefonbieter bis zu 558.800 Euro heraus. Der Preisverfall zeigte sich eher bei Papierarbeiten von Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner. „Die haben wir schon teurer verkauft“, merkte der Auktionator an.
Ein langes Bieterringen gab es um Imi Knoebels harmonische, farblich subtile Komposition „Sonia“ von 1992. Schon bei 150.000 Euro schüttelte ein Saalbieter den Kopf, um dann nach wenigen Sekunden doch den nächsten kleinen Schritt zu gewähren, sodass letztlich 235.000 Euro zu Buche schlugen. Eine Marktsättigung scheint sich bei Werken Katharina Grosses anzukündigen. Beide offerierten Arbeiten werden im Nachverkauf angeboten.
Ketterers Auktion war zahlenmäßig bedeutend schmaler als in den letzten Jahren. Einen eigenen Katalog zum 19. Jahrhundert gab es erst gar nicht. Wie Robert Ketterer erklärte, ist das einerseits der intensiveren Onlinevermarktung geschuldet und der damit einhergehenden stärkeren Konzentration auf hochqualitative Werke im Saal. „Und wenn wir unsere guten Umsätze halten wollen, können wir das nur mit international gefragten Positionen erreichen.“ Der Kampf um Ware und potente Sammler in einer angespannten Weltlage wird die Situation des Kunstmarkts noch verschärfen.