Menü
  1. Arts und Style
  2. Kunstmarkt
  3. Generative KI: Wenn „Sophie“ durch die KI-gesteuerte Performance führt

Generative KI in der Kunst

Wenn „Sophie“ durch die KI-gesteuerte Performance führt

Spielerisch bedienen sich Künstlerinnen und Künstler der neuesten Algorithmen. So ziehen sie in ihren digitalen Kunstwerken eine neue Reflexionsebene ein.Susanne Schreiber 31.08.2023 - 17:02 Uhr Artikel anhören

Die Ausstellung fragt nach den Auswirkungen der Technologie auf den geteilten Diskurs in sozialen Medien. Dafür erschuf Rothberg den Avatar „Sophie“, der angeblich die Überschneidung von KI und menschlichen Emotionen untersuchte.

Foto: Bitforms Gallery, San Francisco

Düsseldorf. Die neuesten technischen Möglichkeiten üben von jeher eine magische Anziehungskraft auf Künstlerinnen und Künstler aus. Denken wir nur an Film und Video oder an Gaming und virtuelle Welten wie Second Life und die jüngeren Metaversen. Seit bald einem Jahr sorgen ChatGPT3 und 4, Stable Diffusion und Dall-E in vielen Branchen für Aufbruchstimmung, aber auch für Verlustängste und Weltuntergangsszenarien.

Doch während von Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Texte in Schule, Universität und Medienhäusern ein neues Phänomen sind und Bewertungsprobleme schaffen, nutzen Kunstschaffende KI schon seit den 1990er-Jahren. Jüngst kamen vor allem Text-Bild-Generatoren hinzu.

Tech-affine Künstler leben damit natürlich ihren Spieltrieb aus: „Es macht wirklich Spaß“, schreibt Sarah Rothberg dem Handelsblatt in einem E-Mail-Interview, „sich einen individuell trainierten Bildpool anzulegen, ihn zu verfeinern und damit zu experimentieren.“

Im Sommer zeigte die Bitforms Gallery in San Francisco Rothbergs Ausstellung „Superprompt“. Rothberg zählt zu den „Early Adopters“ und ist Zeitzeugin. Als Künstlerin schafft sie mit dem Tool generative KI einen Kontext der Reflexion.

„Superprompt“ fragt nach den Auswirkungen der Technologie auf den geteilten Diskurs in sozialen Medien. Dafür erschuf die Amerikanerin den Avatar „Sophie“, der angeblich die Überschneidung von KI und menschlichen Emotionen untersuchte. „Sophie“ und die Künstlerin führen den Besucher als Dialogpartner und Performer gemeinsam durch die Ausstellung. Die KI-gesteuerte Performance macht in der Bildsprache der Artificial Intelligence deutlich, wie Aussagen von KI-Chatbots mit Autorität präsentiert werden, selbst wenn sie falsch sind.

So groß die Vorteile generativer KI auch sind, die engagierte Künstlerin wünscht sich doch „eine gewisse Dezentralisierung der Macht weg von den wirklich großen Unternehmen, die nur kapitalistische Ziele verfolgen“.

Blick in die Ausstellung „Collective Worldbuilding — Kunst im Metaversum“ im HEK in Basel.

Foto: Franz Wamhof

Bei den Datensätzen, mit denen Algorithmen trainiert werden, wäre es für Rothberg wichtig, sich für oder gegen eine Teilnahme am Training entscheiden zu können, Voreingenommenheit auszuschließen und Transparenz darüber zu schaffen, wie Datensätze gesammelt, gewartet und sortiert werden. Die Verwendungszwecke der KI sollten reguliert werden, fordert sie, und die Nachrichtenübermittlung sollte ein „Wasserzeichen“ bekommen.

Für die Kunstwelt ist das Web3, das dem interaktiven Web2 noch die Verwendung der Blockchain hinzugefügt hat, höchst verlockend. Denn so wird das Internet nicht nur zum Medium der heutigen Ästhetik und Kreativität, sondern auch zu einer Infrastruktur.

Die Infrastruktur erlaubt einerseits dem Sammler den Blockchain-verbürgten Besitz von Kunst, der Künstlerin aber Kollegialität und Gemeinschaft mit anderen Kreativen. Das könnte schließlich bis zur Entwicklung von nicht institutionellen Vertriebswegen gehen. Als Ergänzung zum Galeriesystem, nicht zu dessen Abschaffung.

Werkeln im fiktiven Labor

Mit der anregenden Ausstellung „Collective Worldbuilding – Kunst im Metaversum“ beleuchtete das Haus der Elektronischen Künste (HEK) in Basel kürzlich dreizehn internationale Positionen. Die Besucher erspielen sich „die Möglichkeiten, die ein dezentrales Internet bietet, das mehr Selbstbestimmung, Demokratie und Transparenz verspricht“. So beschreiben die Kuratoren Sabine Himmelsbach und Boris Magrini den gemeinsamen Nenner der Ausgestellten.

Die Musikerin Holly Herndon und der Technologieforscher Mathew Dryhurst etwa haben das neuronale Netzwerk Clip von OpenAI eingesetzt, um Porträts von Holly in verschiedenen Stilen zu generieren. Mal erscheint sie als Göre der 1920er-Jahre, mal als Frankreichs Freiheitssymbol Marianne. Dazu kommt aber noch Audiomaterial von Holly, „die seit Jahren ihre eigenen KI-Modelle trainiert und ihre Stimme synthetisiert als ‚Holly+‘ anderen zur Verfügung stellt“, sagt HEK-Direktorin Himmelsbach.

Verwandte Themen Künstliche Intelligenz Software Digitalisierung

>>Lesen Sie auch: Die Verwandlung der Fotografie im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz

Holly+ wird von einer DAO, einer dezentralen autonomen Organisation, verwaltet. Das Partizipative besteht darin, dass die Mitglieder über neue mit dem Stimmmodell geschaffene Werke abstimmen.

Die Koreanerin Ayoung Kim nimmt uns mit in das Metaversum von VRChat. Im Stil einer 3D-Gaming-Welt kreiert sie ein fiktives Labor. Dort, im „The Surisol Underwater Lab“, verhandelt sie so spielerisch wie sympathisch Themen, die ihr als Bürgerin wichtig sind: ökologisch sinnvolle Algenzucht, Zukunft der Ernährung, Klimawandel und die Fragilität von Ökosystemen.

Künstler sind oft Nerds, die mit ihrem Spieltrieb Kunst entwickeln. Wer denkt, sie müssten jung sein, irrt. Im Juni stehen wir auf der Kunstmesse in Basel im Stand der Galeristin Andrée Sfeir-Semler aus Hamburg und Beirut, die schon für so manche Entdeckung gut war. Da pfeift es wie in der Frühzeit der Internetverbindungen schrill und kurz abgehackt. Wir drehen uns um.

Auf kleinen Screens entfaltet sich mitreißende abstrakte Kunst für Sekunden, von Musik und Sounds unterlegt. Dann verschwindet sie, schichtet sich neu auf und durchkreuzt bestehende Formen. Ein grandioses Spiel in Farben und Kompositionen, das eine künstlerische Schulung nahelegt.

Wir fragen nach und staunen. Die Künstlerin heißt Samia Halaby, eine Dame von über achtzig, die in New York lebt und arbeitet. Die in Jerusalem geborene Palästinenserin wanderte 1948 in die USA aus, studierte dort Kunst und wurde zu einer einflussreichen abstrakten Malerin. 1985 kaufte sie einen Commodore Amiga 1000, „weil der die Farben am besten wiedergeben konnte“, erzählt sie in einem Youtube-Film. Die damals Fünfzigjährige erlernte Programmiersprachen und begann, einen Teil ihrer Kunst mit der Tastatur zu entwerfen.

Die Künstlerin befiehlt, Amiga macht die Bilder

Samia Halaby betont schelmisch, sie schreibe nur die Befehle, die Bilder mache Amiga. Doch was Rhythmus, Farbverläufe, Texturen, das Entstehen und Verlöschen von geometrischen Formen betrifft – da lässt sich eben auch in der Programmierung die souveräne abstrakte Malerin nicht verleugnen.

Für den Messeauftritt der Galerie Sfeir-Semler hat die Rüstige ihre Amiga-Kompositionen aus den 1980er-Jahren auf den Mac von heute übertragen. Sie sehen so frisch und zeitgeistig aus, als wären sie 2023 geschaffen worden. Nur das schrille Pfeifen datiert die bewegte, generative Kunst. So aber ist Halaby eben auch eine Pionierin der Computerkunst.

Mehr: Künstler Michael Reisch: „Man konnte den Bildern eigentlich nie trauen“

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
Gutscheine
OTTO - Exklusive Rabatte und Gutscheine
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Gutscheine
Die neuesten Gutscheine und Aktionen bei Lieferando
Anzeige
Gutscheine
Die besten Gutscheine zum shoppen und sparen
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt