Messebericht
Politische Kunst an der Peripherie Europas

Bukarest. „Vox Populi“, ruft es den Besuchenden in schwarzer Schrift auf weißem Grund auf dem Weg zur „RAD Art Fair“ in Bukarest entgegen. Die von rumänischen Galeristen organisierte Messe findet zum dritten Mal statt. Auf dem etwas außerhalb des Zentrums gelegenen weitläufigen Hotelgelände ist ausreichend Platz für einen Skulpturenpark, von dem Rachel Monosovs Billboard ein Teil ist. An ihrem Stand erklärt Messeorganisatorin und Galeristin Catinca Tabacaru (Bukarest und Harare) vor einer kleineren Version des Werks, dass sie es durchaus mit Blick auf die aktuelle politische Situation in Rumänien mitgebracht habe.
Politisch ist alles an ihrem Stand, von der feministischen Malerei der Marokkanerin Youssra Raouchi über die Textilskulptur von Mara Verhoogt bis zum Porträt eines Schwarzen von Xavier Robles de Medina. Dass bis auf Letzteren alle Künstler weiblich sind, fällt der Galeristin erst auf, als sie darauf angesprochen wird. Aber Robles de Medina sei queer, ergänzt sie.
Die Erleichterung ist allenthalben spürbar, dass der rechtsradikale Hooligan George Simion vergangenes Wochenende jetzt doch nicht zum Präsidenten gewählt wurde. Für Investitionen aus dem Ausland wäre das wohl kaum förderlich gewesen.
Dabei erlebt die rumänische Hauptstadt doch gerade einen Aufschwung, der sich nicht zuletzt in teuren Autos im Straßenbild und zahlreichen Baustellen äußert. Die Kunstszene profitiert vom gestiegenen Wohlstand. Rund 50 ernstzunehmende Galerien gibt es mittlerweile im Lande, die zwei Dutzend wichtigsten nehmen an der Messe teil, dazu einige auswärtige mit rumänischen Positionen.

Besonders spannend ist die Premiere der kleinen Sektion „Platform“ mit sechs Galerien, die im Schnitt erst seit zwei Jahren existieren. Sie vertreten ganz junge Positionen in Solo- und Duo-Präsentation von Künstlern, die zumeist in ihren Zwanzigern sind. Mit Lutnița aus Chișinău ist sogar die einzige zeitgenössische Galerie Moldawiens dabei, gegründet 2022 mit Unterstützung der Plan B Foundation. Himera aus Temeschwar setzt die sehr feinen Steinreliefs von Taisia Corbuț (Jahrgang 1997) in Dialog mit den surrealistisch inspirierten Bildern von Mihaela Coandă (1999), die direkt auf die ungrundierten, unterschiedlich strukturierten Leinwände gemalt sind.
So jung die Künstlerinnen, so erfrischend sind die Preise ihrer Arbeiten. Die Reliefs kosten zwischen 1000 und 2000 Euro (netto), die Gemälde starten schon bei 700 Euro.
Eine Ausnahme in dieser Sektion bildet das Atelier 35, das seit seiner Gründung 1970 durch die Union der Plastischen Künstler alle paar Jahre an die nächste Generation weitergegeben wird. Die meisten der heute international bekannten rumänischen Künstler hatten hier ihre erste Einzelausstellung, inklusive Adrian Ghenie. Der ist übrigens nicht auf der Messe vertreten.
Zarte Holzskulpturen des 1991 geborenen Mihail Şarpe (2000 bis 5000 Euro) mit Gemälden und Zeichnungen von Nationalheld Paul Neagu (gest. 2004), die bis zu 70.000 Euro kosten, kombiniert die Ivan Gallery aus Bukarest. Preislich ist die teure Arbeit ein Ausreißer. Lokale Sammler kaufen in der Regel bis in den höheren vierstelligen und ausnahmsweise niedrigen fünfstelligen Bereich.
Die bekannteste rumänische Galerie Plan B aus Cluj und Berlin und Gregor Podnar aus Wien teilen sich die 1974 geborene Marieta Chirulescu, die sie an ihren benachbarten Ständen zeigen. Mihai Pop von Plan B erklärt die große Preisschere mit der Unsicherheit der rumänischen Sammler. Sie seien erst bereit höhere Preise zu zahlen, wenn eine Position die Weihen durch westliche Institutionen oder Galerien erhalten habe. Wie sich an Ghenie oder Neagu zeigt, sind die im internationalen Markt angekommenen Künstler dann allerdings oft zu teuer für den heimischen Markt.

Sammler rumänischer Kunst mit sechsstelligen Preisschildern gebe es durchaus, nur eben selten in Rumänien, erklärt Andrei Jecza aus Temeschwar. Er ist einer der Gründer der RAD Art Fair und hat gerade eine 1000 Quadratmeter große Zweigstelle im zweitgrößten Gebäude der Stadt eröffnet, der Casa Presei Libere. In dem ehemaligen Sitz der Parteizeitung im Stil des sozialistischen Klassizismus befinden sich heute mehrere Medienunternehmen und im hinteren, etwas heruntergekommenen Teil des Komplexes, einige Galerien. Hier zeigt Jecza bühnenartige Installationen und großformatige Malereien von Marius Bercea, von dem er an seinem kleinen Messestand nur ein kleines Gemälde anbieten kann.
Dass die RAD mit ihren bescheidenen Dimensionen die kleine Szene des Landes an der Peripherie Europas widerspiegelt, hat allerdings auch Vorteile. Man kennt und hilft sich untereinander, die Stimmung ist viel lockerer als andernorts im Kunstzirkus. Zur Vernissage, die eigentlich VIPs inklusive 30 eingeladenen Kuratoren aus der Region und dem westlichen Europa vorbehalten ist, kontrolliert niemand Tickets, der Eintritt ist für alle frei, die den Weg hierher finden.
RAD Art Fair Bukarest, 22.-25. Mai, www.radartfair.com