Krypto: Dieses Gesetz sorgt für Goldgräberstimmung bei Stablecoins

Der „Genius Act“ ist noch nicht verabschiedet, doch die Fantasie der Anleger schiebt die Kurse längst an. Das Gesetzespaket mit neuen Regeln zum Umgang mit Stablecoins, das der republikanisch geführte Kongress am Dienstag billigen soll, wird den Kryptomarkt sowie die traditionelle Finanzwelt gleichermaßen betreffen. Stablecoins sind Tokens, die an eine Währung wie den Dollar oder den Euro gekoppelt sind und damit im Wert nicht schwanken. Dass der Kongress nun genaue Regeln aufstellt, wie sie reguliert und genutzt werden dürfen, löst in den USA Goldgräberstimmung aus. Finanzminister Scott Bessent sieht einen neuen Markt in Billionenvolumen entstehen, der auch die Dominanz des Dollars in der Welt stützen könnte. Was steht im geplanten Gesetz „Genius Act“? Schon seit vielen Jahren gibt es Anbieter von Stablecoins. So legt Tether den Token USDT auf und Circle den Token USDC. Bislang fehlen in den USA aber genaue Vorschriften, wie diese Tokens reguliert sind. Der sogenannte „Genius Act“ soll dies ändern. Der Name ist ein Akronym aus seinem englischen Namen „Gesetz zur Steuerung und Etablierung nationaler Innovationen für US-Stablecoins“. Vor allem schreibt er vor, dass an den US-Dollar gekoppelte Stablecoins mindestens zu 100 Prozent gedeckt sein müssen. Das heißt, ein Anbieter von Stablecoins muss immer mindestens so viele liquide Vermögenswerte vorhalten, wie er Coins ausgibt. Das Gesetz soll auch regeln, in was die Emittenten genau investieren können. Dazu gehören unter anderem US-Staatsanleihen mit kurzfristiger Laufzeit und Geldmarktfonds. Stablecoins basieren, ähnlich wie andere Kryptowährungen, auf der Blockchain-Technologie. Damit können Finanztransaktionen auch international quasi sofort verbucht werden, ohne dass hohe Gebühren anfallen. Die größten US-Einzelhändler Walmart und Amazon erwägen daher offenbar, eigene Stablecoins anzubieten, wie das „Wall Street Journal“ berichtet. Sie könnten darüber Milliarden an Kreditkartengebühren einsparen. Am Dienstag soll das Gesetz vom Senat verabschiedet werden, einer der beiden Kongresskammern. Beobachter gehen davon aus, dass es die nötige Mehrheit bekommen wird. Anschließend muss das Repräsentantenhaus als zweite Kammer zustimmen, bevor US-Präsident Donald Trump das Gesetz unterzeichnen kann. Was bedeutet das Stablecoin-Gesetz für die Kryptobranche? Stablecoins waren bislang vor allem bei Kryptotradern beliebt, die ihr Geld in einem stabilen Token parken wollen, ohne das Kryptoökosystem zu verlassen. Wenn es darum geht, Assets wie Geldmarktfonds und Immobilien in Tokens umzuwandeln, fungieren Stablecoins zudem als Brücke zu staatlichen Währungen. „Mit dem Stablecoin-Gesetz öffnet sich die Tür für eine neue und viel massentauglichere Anwendung: alltägliche Transaktionen“, sagt Markus van de Weyer vom Kryptovermögensverwalter Alpha Beta Asset Management. „Damit bekommen Stablecoins auf einmal eine ganz andere Perspektive.“ Es eröffne auch die Möglichkeit für Unternehmen, ein Stück mehr in die Finanzwelt vorzurücken. » Lesen Sie auch: Selbstversuch mit Blockchain – „Du bist jetzt im Wilden Westen des Finanzsystems“ Für Nutzer und Investoren ist das Gesetz eine Validierung der Blockchain-Technologie, die auch von Trump gefördert wird. Er hat sich bereits im Wahlkampf als Kryptopräsident inszeniert, branchenfreundliche Regulierer installiert und profitiert selbst auf verschiedene Arten von der Kryptobranche. So hat ein Unternehmen, an dem eine Tochterfirma der Trumps beteiligt ist, einen eigenen Stablecoin herausgegeben, USD1, sowie verschiedene andere Kryptowährungen. Trumps Söhne sind in mehreren Blockchain-Firmen engagiert und lautstarke Befürworter des sogenannten Dezentralen Finanzsystems (DeFi). Das ist eine Art alternatives Finanzsystem, das auf Kryptowährungen und Blockchains basiert und Finanztransaktionen an den streng regulierten Banken vorbei ermöglicht. Die Demokraten werfen Trump deswegen „Kryptokorruption“ vor. Ende Mai brachten sie einen Gesetzentwurf ein, der den Besitz von Kryptowährungen von Präsidenten und Kongressabgeordneten stark einschränken würde. Doch der Partei fehlen die nötigen Mehrheiten, um die Initiative voranzutreiben. Branchenkenner gehen nun davon aus, dass die DeFi-Branche einen neuen Aufschwung erleben wird. Stablecoins sind das Fundament vieler dortiger Anbieter, die ihren Nutzern erlauben, die Tokens als Sicherheiten für Kredite zu hinterlegen, sie zu verleihen oder für eine bestimmte Zeit fest anzulegen. Klar regulierte Stablecoins würden zwar nicht alle Risiken des alternativen Finanzsystems beheben, doch Vertrauen schaffen, wie ein Investor erklärt. Auch könnten sie künftig institutionelle Investoren anlocken, die bislang in diesem Feld nicht tätig sein dürfen. Welche Kryptowährungen und welche Aktien können profitieren? Kryptoinvestor van de Weyer geht davon aus, dass die Blockchains wie Ethereum und Solana von dem Boom rund um den „Genius Act“ profitieren. Denn auf ihnen basieren die verschiedenen Stablecoins. Damit hätten auch die dazugehörigen Tokens Eth und Sol weiteres Kurspotenzial. Gleiches gelte für DeFi-Anbieter wie das dezentrale Finanzprotokoll Aave und den Datenvermittler Chainlink. Allerdings sind Kryptowährungen auch für ihre Volatilität bekannt und können auf andere Entwicklungen an den Märkten deutlich reagieren. Der große Gewinner des neuen Gesetzes ist schon jetzt der Stablecoin-Anbieter Circle. Das Unternehmen mit Sitz in New York ging Anfang Juni als erster Stablecoin-Anbieter an die Börse und hat seitdem ein ungewöhnlich starkes Kursplus verzeichnet. So stieg die Aktie seit Handelsstart um 81 Prozent. » Lesen Sie auch: Ist die Kryptofirma Circle die vielen Milliarden Dollar wert? „Investoren wollen Blockchain-Technologie in ihrem Portfolio, und Circle passt in diese Kategorie“, sagt Ed Engel vom Analysehaus Compass Point. Es habe seit dem Börsengang der Kryptoplattform Coinbase keinen großen Krypto-IPO mehr gegeben, daher gebe es viel aufgestaute Nachfrage – gerade von Profianlegern. Auch Amerikas größte Kryptobörse Coinbase gehört zu den Profiteuren. Sie ging 2021 an die Börse und hält eine Minderheitsbeteiligung an Circle. Eine freundlichere Regulierung werde Analysten zufolge für mehr Handelsvolumen bei Kleinanlegern und Profis sorgen und den Coinbase-Kurs antreiben. Das Papier legte seit Jahresbeginn gut fünf Prozent zu, gut doppelt so viel wie der breiter gefasste Technologieindex Nasdaq. Mehrere Unternehmer wollen die Aufmerksamkeit nutzen, für die das Stablecoin-Gesetz sorgt. Eine Reihe von Kryptobörsengängen zeichnet sich für die kommenden Monate ab: So plant unter anderem die Kryptobörse Gemini den Gang aufs Parkett, die von den Brüdern Cameron und Tyler Winklevoss gegründet wurde. Gleiches gilt für den kleineren Konkurrenten Bullish, an dem unter anderem die deutschstämmigen Investoren Christian Angermayer und Peter Thiel beteiligt sind. Was bedeutet das Stablecoin-Gesetz für das Finanzsystem? Auch Amerikas Großbanken interessieren sich inzwischen für Stablecoins. „Wir arbeiten daran, sowohl mit anderen in der Branche als auch für uns allein“, sagte Brian Moynihan, CEO der Bank of America, vergangene Woche auf einer Konferenz von Morgan Stanley. Jedoch müsse Amerikas zweitgrößte Bank abwarten, bis der „Genius Act“ endgültig verabschiedet sei, um zu entscheiden, ob sich ein eigener Stablecoin lohne. JP Morgan Chase, Amerikas größte Bank, hat schon vor Jahren für interne Zwecke einen Stablecoin eingeführt und früh in die Blockchain-Technologie investiert, um rund um die Uhr internationale Transaktionen zu ermöglichen. Die Bank überlege nun, mit der Bank of America, Citigroup und Wells Fargo einen gemeinsamen Stablecoin auszugeben, wie das „Wall Street Journal“ Ende Mai berichtete. Finanzminister Scott Bessent setzt darauf, dass die steigende Nachfrage nach Stablecoins die Dominanz des Dollars im Finanzsystem stärkt und die Nachfrage nach US-Staatsanleihen ankurbelt. Schließlich müssen Stablecoin-Emittenten die Gelder unter anderem in Staatsanleihen mit kurzfristiger Laufzeit investieren. Mit der steigenden Nachfrage nach diesen Papieren würden die Kurse anziehen und die Renditen fallen. Damit würde es für die US-Regierung günstiger, sich zu refinanzieren. Bessent geht davon aus, dass sich die Nutzung von US-Stablecoins weltweit erhöhen wird. „Ich halte zwei Billionen für eine sehr, sehr realistische Zahl – und ich kann mir vorstellen, dass dieser Wert deutlich übertroffen wird“, sagte der ehemalige Hedgefondsmanager vergangene Woche bei einer Anhörung in Washington. Derzeit liegt die Marktkapitalisierung von Stablecoins bei 261 Milliarden Dollar, wie aus Daten des Analysehauses Coingekko hervorgeht. Welche Risiken könnten entstehen? Mit der zunehmenden Verzahnung zwischen Kryptowelt und traditionellem Finanzsystem entsteht auch eine Reihe von neuen Risiken, warnt Cristiano Ventricelli, Analyst für digitale Vermögenswerte bei der Ratingagentur Moody’s. Sollte es etwa zu einem plötzlichen Vertrauensverlust kommen und alle Stablecoin-Nutzer gleichzeitig ihre Coins gegen Dollar tauschen wollen, könnte das „die Preise von US-Staatsanleihen unter Druck setzen und die Rentenmärkte stören“, gibt er zu bedenken. Denn dann müssten die Stablecoin-Anbieter ihre Staatspapiere verkaufen, um den Tausch in Dollar zu ermöglichen. Josh Lipsky von der Denkfabrik Atlantic Council hält es zudem für möglich, dass die US-Notenbank Federal Reserve gezwungen sein könnte, Staatsanleihen zu kaufen oder bestimmte Institute zu stabilisieren. Wenn Handel wie bei Kryptowährungen rund um die Uhr möglich sei, „kann sich eine Finanzkrise beschleunigen, die schwer zu stoppen ist“, so Lipsky. Schon der Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) vor zwei Jahren habe gezeigt, wie sich Bankkrisen in digitalen Zeiten beschleunigen können. Auch Circle bekam damals Probleme, weil ein Teil der Reserven bei der SVB geparkt war. Circles Stablecoin USDC war zeitweise weniger wert als ein Dollar, weil Nutzer Sorge hatten, dass Circle keinen Zugriff mehr auf das Geld haben würde. Am Ende sprangen die Fed und die Regierung ein, um die Lage zu stabilisieren. Mehr: Die Trumps und Krypto – eine „fantastische Partnerschaft“