Work-Life-Balance
Merz und die CDU haben das falsche Feindbild gewählt

Bundeskanzler Friedrich Merz und die CDU haben ein neues Feindbild: Work-Life-Balance. In seinen Reden beschreibt Merz sie wie eine Gefährdung des Wohlstands: „Mit Viertagewoche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können“, sagte er auf dem CDU-Wirtschaftstag im Mai.
Hinter dieser Auffassung steckt ein großes Missverständnis. Ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeits- und privater Zeit ist weder ein Zeichen mangelnden Arbeitswillens noch eine deutsche Marotte.
Gallup hat im Februar in einer repräsentativen Befragung von US-Arbeitnehmern festgestellt, dass die Unzufriedenheit mit dem Job so hoch ist wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren. Den Beschäftigten sei eine bessere Work-Life-Balance noch wichtiger als ein höheres Gehalt und sie sei der häufigste Grund für den Wechsel des Arbeitgebers.
Diese Wechselbereitschaft ist kein Wunder. Microsoft hat Anfang der Woche einen Report über den „Unendlichen Arbeitstag“ veröffentlicht, in dem der Tech-Gigant Millionen Daten auswertet, die er mit seiner Business-Software sammelt. Für viele Menschen beginne der Arbeitstag um sechs Uhr morgens mit dem ersten Check der Mails. Der durchschnittliche Arbeitnehmer schreibe oder beantworte nach dem offiziellen Ende des Arbeitstages noch 50 Messages, und nach zehn Uhr abends seien noch 30 Prozent der Nutzer aktiv.