Energie: RWE startet den Verkauf seiner Stromnetze

Der Energiekonzern RWE will seine Anteile an dem Stromnetzbetreiber Amprion verkaufen. Nach Handelsblatt-Informationen startet nun die erste Gebotsrunde. Das berichten mehrere mit dem Projekt vertraute Personen. Zunächst sollen demnach nicht-bindende Gebote abgegeben werden, also erste schriftliche Interessensbekundungen. Einige Wochen später könnte dann eine zweite Runde mit verbindlichen Geboten erfolgen. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte im Dezember berichtet, dass Analysten den Wert der Beteiligung auf rund 1,6 Milliarden Euro schätzen. Mögliche Interessenten sollen Staatsfonds und Pensionsfonds sein, etwa aus Kanada, Norwegen oder den Niederlanden. Konkret genannt wird auch der katarische Staatsfonds (QIA). Ebenfalls kommt theoretisch die deutsche Förderbank KfW infrage, die dem Bund gehört. Die KfW und QIA wollen sich nicht zu dem Vorgang äußern. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte allerdings, weder der Bund noch die KfW seien an Prozessen oder Gesprächen zur Übernahme eines RWE-Anteils an Amprion beteiligt. RWE teilte mit: „Wie bereits kommuniziert, prüfen wir angesichts des hohen Kapitalbedarfs für den Netzausbau verschiedene Optionen und Finanzierungsmöglichkeiten. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir dem nichts hinzufügen möchten.“ » Lesen Sie auch: Experten warnen vor extremen Strompreisen – weil Kraftwerke fehlen Der Konzern plant den Verkauf seines Stromnetzgeschäfts schon länger. Das Handelsblatt hatte bereits vor einigen Monaten als erstes Medium darüber berichtet. Nun werden diese Pläne konkret. Katar ist Großaktionär von RWE Das Thema ist politisch, schließlich geht es um große Stromleitungen und damit um kritische Infrastruktur in Deutschland. Jetzt wird die Frage akut, ob Teile dieser Infrastruktur an einen ausländischen Eigentümer gehen. Der katarische Staatsfonds ist bereits ein großer Anteilseigner bei RWE: Vor drei Jahren hatte er das Essener Unternehmen bei der Finanzierung für den Kauf des US-Solarkonzerns Con Edison unterstützt. Die Übernahme in Nordamerika machte RWE auf einen Schlag zum zweitgrößten Betreiber von Solaranlagen in den USA und Katar mit 9,1 Prozent zum größten Einzelaktionär des Konzerns. Für die QIA wäre der Teilkauf eines deutschen Übertragungsnetzbetreibers ein strategisches Investment. Die Golfstaaten stellen ihre Einkommensquellen schon seit ein paar Jahren breiter auf. Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Oman stehen vor dem größten Wandel ihrer Geschichte – dem Umbau von fossilen zu grünen Energien. Insider halten KfW für nicht voll handlungsfähig Es geht nicht nur um ein gutes Investment, sondern auch um Strategie. Die Wüstennationen beschäftigten sich bereits mit einer Zeit nach dem Öl. In den vergangenen Jahren haben Staatsfonds weltweit einen Rekordbetrag investiert: Allein 2023 steckten sie über 80 Milliarden Dollar in grüne Übernahmen und Investitionen, das zeigen Zahlen des Dienstleisters Global SWF. Fast die Hälfte davon stammt dabei von staatlichen Fonds aus dem Nahen Osten. Wie offen Deutschland dafür ist, weitere Infrastruktur abzugeben, ist unklar. Bei einem anderen Stromnetzbetreiber hat die deutsche Förderbank KfW schon einmal eine Teilübernahme durch einen ausländischen Eigner verhindert: 2018 übernahm die KfW 20 Prozent an dem Netzbetreiber 50Hertz, um einen Einstieg des chinesischen Stromübertragungsnetzbetreibers SGCC zu unterbinden. Ob die KfW auch diesmal reagieren könnte, ist aber ungewiss: Sie ist eng mit der Bundesregierung verbunden, die derzeit aufgrund des Regierungsübergangs nicht voll handlungsfähig ist. » Lesen Sie auch: Hunderte Milliarden Budget, aber keine Wirkung? So ließe sich ein schwarz-rotes Desaster noch abwenden Insider gehen davon aus, dass die KfW in der aktuellen politischen Gemengelage nicht selbstständig einen Preis für die zum Verkauf stehenden Amprion-Anteile bieten könnte, sondern sich bestenfalls einem weiteren Investor anschließen könnte. Teilverkauf der RWE-Anteile denkbar Verschiedene Optionen sind bisher für RWE denkbar: Der Konzern könnte seinen gesamten 25-Prozent-Anteil verkaufen, den er an Amprion hält. Alternativ könnte nur ein Teil des Anteils angeboten werden. Möglich wäre außerdem, dass zwei verschiedene Käufer den 25-Prozent-Anteil übernehmen. Eine Lösung wäre zum Beispiel, dass ein ausländischer Staatsfonds 12,5 Prozent übernimmt und die KfW die anderen 12,5 Prozent. In so einem Fall wäre nach Einschätzung von Bankern auch die politische Komponente weniger problematisch, weil der ausländische Staatsfonds keine Sperrminorität bekäme. Die restlichen 75 Prozent an Amprion hält derzeit eine Beteiligungsgesellschaft namens M31, an der auch Versicherer wie Swiss Life und Talanx beteiligt sind. Auch hier könnte es zu Eigentümerwechseln kommen. Älteren Medienberichten zufolge spielt auch das M31-Mitglied Münchener Rück einen Verkauf seiner Amprion-Beteiligung durch, der bei rund 14 Prozent liegen dürfte. Der Anteil könnte aber auch innerhalb der M31-Gruppe verkauft werden. Dass der Amprion-Verkaufsprozess überhaupt so konkret geworden ist, ist bemerkenswert. Denn alle deutschen Übertragungsstromnetzbetreiber haben große Schwierigkeiten, neue Investoren zu finden. So wird seit Jahren über den Netzbetreiber Tennet verhandelt, der zwar deutsche Netze betreibt, aber dem niederländischen Staat gehört. Der deutsche Staat hatte sich im vergangenen Sommer gegen einen Kauf entschieden. Amprion-Gebot könnte nur Testballon für Tennet sein Amprion könnte dagegen mehr Glück haben. Das Geschäftsmodell ist das gleiche wie bei Tennet, aber die Kaufsumme dürfte wesentlich geringer sein. Bei Tennet Deutschland könnte es um mehr als 20 Milliarden Euro gehen. Zudem würde es bei einem Einstieg bei Amprion nur darum gehen, bestehenden Eigentümern Anteile abzukaufen. Tennet hingegen strebt auch eine Kapitalerhöhung an. Neue Eigentümer müssten also nicht nur bestehende Anteile kaufen, sondern auch zusätzliches Kapital investieren. Mehrere Bankberater halten es aber auch für denkbar, dass einige der Interessenten, die in der ersten Runde für Amprion mitbieten, später keine bindenden Angebote abgeben werden. Stattdessen könnten sie Erfahrung und Informationen sammeln, um dann stattdessen bei Tennet einzusteigen. Mehr: Rheinmetall erwartet auch 2025 rasantes Wachstum – Aktie steigt auf Rekordhoch Erstpublikation: 12.03.2025, 16:40 Uhr.