Autos: Trumps Zölle treiben deutsche Autozulieferer ins Chinageschäft

Für deutsche Autozulieferer war der chinesische Markt schon immer wichtig – nun gewinnt er durch die aggressive Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump noch einmal an Bedeutung. Das zeigt die aktuelle Automesse in Shanghai, die zur weltweit wichtigsten Leitmesse für Elektromobilität und automatisiertes Fahren aufgestiegen ist. Allein im ersten Quartal erhöhte sich der Absatz von reinen Elektroautos in China nach Erhebungen des Industrieportals Marklines um 45 Prozent auf 1,5 Millionen Einheiten. Während die chinesischen Autobauer stark zulegten, mussten Volkswagen, Mercedes und BMW teils zweistellige Rückgänge hinnehmen. „An China führt kein Weg vorbei“, sagt Mahle-Chef Arnd Franz. „Wer will, dass eine Technologie schnell auf die Straße kommt, ist in China richtig.“ Bosch verdient jeden vierten Euro in China Chinesische Automobilproduzenten erwiesen sich als verlässliche Partner für die deutschen Zulieferer, sagt auch Stefan Bratzel, Leiter des Center Automotive Management: „Der Preiskampf ist zwar wegen der Überkapazitäten von mehr als 40 Prozent in der chinesischen Autoindustrie knallhart, aber der Markt ist für die Autozulieferer im Vergleich zu den USA berechenbarer.“ Das unterstreichen auch die neuesten Zahlen von Weltmarktführer Bosch. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz der Mobilitätssparte in China um vier Prozent auf 15 Milliarden Euro, die Schwaben verdienen dort jeden vierten Euro ihres automobilen Geschäfts. „Bosch gehört auch im umkämpften chinesischen Markt zu den Innovationsführern“, betont Bosch-Chef Stefan Hartung. Das betreffe insbesondere die Bereiche Infotainment, Fahrerassistenz und Elektromobilität. Bosch feiert entsprechende Auftragseingänge: Für seinen zentralen Hochleistungscomputer hat der Stiftungskonzern jetzt in China einen ersten Kundenauftrag erhalten, um damit ein Cockpit mit Künstlicher Intelligenz zu realisieren. Ziel ist es unter anderem, dass der Fahrer mit seinem Auto menschenähnlich kommunizieren kann. Noch in diesem Jahr soll die Produktion beginnen. Auch rein elektrisch angesteuerte Bremsen und Lenkungen ohne mechanische Verbindung gelten als aussichtsreiche Zukunftstechnologien. So hat Bosch für sein Brake-by-Wire-Bremssystem einen chinesischen Kunden gefunden. Das Joint Venture Bosch Huayu Steering Systems hat für sein neues Steer-By-Wire-Lenksystem drei lokale Hersteller gewinnen können. Der Produktionsstart ist für das vierte Quartal 2025 anvisiert. Während diese Technologie bei deutschen Autofahrern noch auf emotionale Barrieren stößt, herrscht in China Begeisterung. Bosch-Konkurrent ZF stattet bereits den elektrischen Nio ET9 mit der neuesten Generation seines Steer-by-Wire-Systems aus. „China ist ein extrem wettbewerbsintensiver Markt mit anspruchsvollen, technologieaffinen Autofahrern“, bestätigt Boschs Mobility-Chef Markus Heyn. Bosch arbeite mit fast allen chinesischen Herstellern zusammen. Ähnliches gilt für ZF und Continental. Auch bei den Assistenzsystemen für das automatisierte Fahren schlägt der Takt inzwischen in China. Mehr als die Hälfte der neu verkauften Pkw in China verfügten im Jahr 2024 mindestens über Level-2-Lösungen. Dabei kann das Fahrzeug manche Aufgaben zeitweise ohne den Eingriff des Fahrers ausführen. Für seine derartige Produktfamilie hat Bosch in China bereits ein halbes Dutzend neuer Kunden gewonnen, darunter BAIC, Dongfeng und Jetour. „China ist unser Bootcamp“, sagt Mahle-Chef Franz. „Von dem, was wir hier lernen, profitieren wir auch in anderen Weltregionen.“ Wer es so positiv oder zumindest zweckoptimistisch bewertet wie Franz, sieht China als „Fitnesscenter“ für die deutsche Auto- und Zulieferindustrie. Schließlich liegen die Fahrzeugentwicklungszeiten dort bei weniger als zwei Jahren. Die andere Lesart ist, dass der zunehmende Konkurrenz- und Preiskampf in China schlicht brutal ist – und für ausländische Anbieter immer schwerer zu bestehen. Durchhaltevermögen ist da für deutsche Autozulieferer auf dem größten Automarkt der Welt gefragt. Denn Geld verdienen die wenigsten Autozulieferer bislang mit ihren Elektrokomponenten. Autosoftware machen die Chinesen ohnehin lieber selbst. Hier kommt der Wettbewerbsdruck zunehmend von ungewohnter Seite, von Technologieunternehmen wie Huawei oder Xiaomi, die noch nicht lange im Autogeschäft sind, aber in China Kostenvorteile haben. Als einer der Treiber des Preiskampfes gilt BYD, Chinas größter E-Auto-Bauer aus Shenzhen, der auch Batteriezulieferer ist. Das Unternehmen senkte Anfang des Jahres die Preise für E-Autos um fünf bis 20 Prozent. Andere Hersteller zogen nach. Selbst die großen Wettbewerber können sich dem nicht entziehen. „Wir leiden am Preiskampf“, räumte Robin Zeng, der Gründer von CATL, Chinas Weltmarktführer für Batterien, Anfang der Woche ein. Goldman Sachs warnt vor einem ruinösen Preiskampf, sollten sich die Preissenkungen fortsetzen. Eine Entwicklung, die auch die Zulieferer der Autohersteller direkt trifft. Yang Yong, Executive Vice President des südchinesischen Autozulieferers Desay SV, sagte dem Handelsblatt: „Wir bedauern, dass der Preiskampf durch Marktkonsolidierung, technologischen Wandel und eine veränderte Nutzernachfrage entstanden ist.“ Das Unternehmen selbst, das zum Beispiel Smart Cockpits für Autos liefert und auch in Deutschland aktiv ist, wolle „schädliche Preise“ vermeiden. Björn Twiehaus, der neue Chef der süddeutschen Marquardt-Gruppe, bestätigt den hohen Preisdruck. Er geht davon aus, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren viele Hersteller vom Markt verschwinden. „Wir schauen deshalb sehr genau hin, mit wem wir zusammenarbeiten“, sagt Twiehaus. Bosch, ZF und Mahle, die jeweils Dutzende Werke in China betreiben, aber auch mittelständische Zulieferer wie Marquardt bauen seit Jahren ihre Entwicklungskapazitäten in China für Hunderte Millionen Euro massiv aus. ZF-Vorstandschef Holger Klein betont, sein Unternehmen erreiche den „China-Speed“. Klein: „Unsere Produktions- und Entwicklungsprozesse haben wir konsequent den Anforderungen unserer chinesischen Kunden angepasst.“ Längst gehe es nicht mehr nur darum, deutsche Technologie für den chinesischen Markt anzupassen. Davon ist Renee Wang, China-Chef von ZF, überzeugt. „Wir haben auch innovative Technologien aus China auf den globalen Markt gebracht.“ Mehr: Drei Trends bestimmen die Automesse in Shanghai – einer lässt deutsche Hersteller hoffen Erstpublikation: 23.04.2025, 12:25 Uhr.