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NS-Raubkunst

Die Leistung des Kunsthandels bei der Restitution

Auch Auktionshäuser ermitteln Herkunftsgeschichten und tragen zur Restitution von NS-bedingt entzogenem Kulturgut bei. Dafür haben die führenden Versteigerer personell aufgerüstet. Susanne Schreiber 14.03.2024 - 14:11 Uhr aktualisiert
Für Ilona Singers Porträt „Robert von Mendelssohn“ von 1928 erzielte Ketterer 2019 eine gütliche Einigung. Foto: Ketterer Kunst GmbH & Co KG

Düsseldorf. Die Rückgabe von Raubkunst, die im Nationalsozialismus jüdischen Eigentümern entzogen wurde, kommt in Deutschland nur schleppend voran. In der Debatte um Beschleunigung und Reform der Beratenden Kommission wird übersehen, dass auch der Kunsthandel einen wichtigen Beitrag leistet zu Provenienzforschung und Aufarbeitung von NS-Unrecht.

Hochwertige Kunstwerke, die vor 1945 entstanden sind und keine geklärte Herkunftsgeschichte haben, sind so gut wie nicht mehr handelbar.

Da ist es auch im Interesse eines Auktionshauses, die Unbedenklichkeit des Erwerbs zu belegen oder im Fall von NS-bedingtem Entzug, die Nachfahren oder Erben der einstigen, meist jüdischen Besitzer herauszufinden. Um deren Interessen in einem diskreten Verfahren mit denjenigen des Einlieferers in Balance zu bringen.

 „Acht größere deutsche Auktionshäuser haben in nur einem Jahr 25 gerechte und faire Lösungen erwirkt“, schreibt Peter Wehrle, Herausgeber und Geschäftsführer bei Ketterer Kunst, in einer Neuerscheinung.

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Der Band „Provenienzforschung und Kunsthandel“ macht erstmals Recherche-Erkenntnisse seines Hauses zu bisher kaum bekannten jüdischen Sammlern und Händlern zugänglich und speist sie in den Wissenschaftskreislauf ein.

Die Stärken des Buches sind die Erstveröffentlichungen von sieben Fallgeschichten bei Ketterer: etwa zur Sammler- und Händlerfamilie von Olga Mengers und deren Söhnen, zu der Kunsthandlung von Malwine Kühns oder zum Kunsthändler Arthur Dahlheim.

Josef Wopfners Gemälde „Prozession am Walchensee“ (1916) erwarb einst Isidor Bach, der Erfinder der Konfektionsmode, auch genannt „Joppenkönig“. Foto: Ketterer Kunst GmbH & Co. KG

Üblicherweise verbleiben rekonstruierte Lebens- und Handelsgeschichten unveröffentlicht in dem Haus, das sie aus Anlass einer Auktion recherchierte. Allenfalls werden diese Erkenntnisse nachgenutzt. Aus der Sicht der bisweilen hochnäsigen institutionellen Kunstwissenschaft dominiert hier das Verwertungsinteresse. Was so nicht stimmt. Die 14 Essays der Neuerscheinung widerlegen das.

Interessen divergieren

Warum der Austausch zwischen Handel und Wissenschaft hakt, bringen Christian Fuhrmeister und Stephan Klingen, beide Forscher am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, in ihrem Beitrag „Die Kluft zwischen Wissenschaft und Kunsthandel“ auf den Punkt: „Die Interessen divergieren: intellektueller versus materiellen Profit.“

Die komplexe Untersuchung von Besitzwechseln im Nationalsozialismus gilt den Akademikern oft als untergeordnete Dienstleistung. Forschungsfreiheit hingegen bedeute, dass niemand mit kommerziellem Interesse Zugriff auf die Daten haben dürfe.

Fuhrmeister und Klingen fragen nach einer Instanz, die die „Verantwortung übernimmt für jene Grundlagen- oder Kontextforschung zum Nationalsozialismus“, die Museen, Handel und Privatsammler dringend brauchen. Sie fragen nach einer Wissensgenerierung und -distribution, die nicht länger in die Sackgasse läuft. Also in Prüfungsämter, die Forschungsarbeiten zu jüdischen Marktteilnehmern horten, nicht aber zugänglich machen.

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In eine ähnliche Richtung ging der Berliner Rechtsanwalt Christoph J. Partsch bei einer Anhörung im Bundestag am 11. März, als er für ein Restitutions-Transparenzgesetz plädierte. Das sollte die Verpflichtung zur Onlinestellung von Forschungsergebnissen und Dokumenten enthalten.

Ernst Ludwig Kirchners Gemälde „Drei Akte im Wald“ gehörte in die Sammlung Alfred Hess. Es wurde erforscht von Van Ham und restituiert an die Erben. Foto: Van Ham

Ketterers Band „Provenienzforschung und Kunsthandel“ blickt nicht nur auf hauseigene Fälle. Es bindet unter anderem Aufsätze von Christina Feilchenfeldt aus dem Cassirer- und Feilchenfeldt-Archiv in Zürich ein oder amüsante Betrachtungen zu Gemälderückseiten von Stefan Pucks.

Pucks arbeitet als Provenienzforscher bei Grisebach. Was aber fehlt, ist ein Hinweis darauf, dass Mitbewerberin Katrin Stoll, Geschäftsführerin von Neumeister in München, schon 2009 und 2013 Maike Hopp beauftragte, Archiv und annotierte Kataloge der Vorläuferfirma Weinmüller aufzuarbeiten. Auch die online zugänglichen Daten zur Kunsthandlung Julius Böhler und zur Galerie Heinemann werden nicht erwähnt.

Provenienzabfragen liefen lange Zeit in Auktionshäusern standardmäßig über die einschlägigen Datenbanken Art Loss Register und Lost Art, oft über die eigenen Stilexperten und nur fallweise über externe Werkverträglerinnen mit ausgewiesener Expertise in der Herkunftsforschung. Doch es hat sich etwas getan.

Wichtige Provenienzforschung

Anfang der 1980er-Jahre hat Lempertz das Art Loss Register mit initiiert und ist damit einen Schritt weitergegangen, als die Museen damals zu gehen bereit waren,“ teilt Henrik Hanstein, Seniorchef von Lempertz, mit. „Heute sind im Haus alle Expertinnen und Experten mit Provenienzforschung befasst. Zudem beschäftigt Lempertz zwei feste Mitarbeiter nur für Provenienzrecherche“. Eine Kunsthistorikerin und bezeichnenderweise einen Juristen.

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Bei Grisebach umfasst das vier Mitarbeitende. Sie werden aktiv, nachdem „alle Katalogbearbeiter eine erste Prüfung durchgeführt haben. Die eigentliche Provenienzrecherche wird dann aber von ausgewiesenen Provenienzforschern geleistet.“

Van Ham etwa hat mit Barbara Haubold eine fest angestellte Verantwortliche für Provenienzforschung. In jeder Abteilung aber gibt es einen Ansprechpartner, der sich innerhalb der drei Hauptabteilungen um die Herkunftsgeschichten kümmert.

Robert Ketterer baute seine Provenienzabteilung mit vier festangestellten und sechs freien Mitarbeiterinnen am kräftigsten aus. „Sie übernehmen keine anderen Aufgaben im Auktionshaus, sie sind ausschließlich für Provenienzforschung angestellt,“ heißt es auf Handelsblatt-Anfrage.

Mehr: Debatte: Bei der Rückgabe von NS-Raubkunst darf nicht mehr lange gefackelt werden

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