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NS-Raubkunst

Nur die Spitze des Eisbergs

Der bayerische Umgang mit möglicher NS-Raubkunst dürfte kein Präzedenzfall sein. Vielen öffentlichen Museen mangelt es an Transparenz.Christiane Fricke 28.02.2025 - 14:34 Uhr Artikel anhören
Ferdinand-Georg Waldmüllers „Junge Bäuerin mit drei Kindern im Fenster“ von 1840 kam über Adolf Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann in die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München

Bonn. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen halten sich zwar zugute, in den letzten 27 Jahren in 25 Fällen NS-Raubkunst an die Erben der jüdischen Opfer zurückgegeben zu haben. Doch für zu viele andere Anspruchsteller ist die mitunter Jahrzehnte währende Auseinandersetzung zu einem aussichtslosen, geradezu kafkaesken Unterfangen ausgeartet. Rechtsanwalt Hannes Hartung fand dafür das sprechende Bild von einem Esel, der sich „zwischen zwei Heuhaufen hin- und herschicken“ lässt. Den Anlass lieferte die von der „Süddeutschen Zeitung“ angeprangerte Restitutionspraxis der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Hier war Usus, das Museum die Herkunftsforschung leisten zu lassen, die wiederum im Kulturministerium zu bewerten und vom Kulturminister selbst zu entscheiden war.

In Kreisen der Provenienzforschung wird seit Langem vermutet, dass der bayerische Umgang mit möglicher NS-Raubkunst nur die Spitze des Eisbergs ist. In sehr vielen kommunalen, aber eben auch staatlichen Museen mangele es an Transparenz. Dies ist einer der Punkte, die der bayerische Kulturminister nun unter dem Druck der Debatte eingefordert hat. Dazu gehört auch, dass in vielen Fällen hochgradig belastete oder verdächtige Werke nicht konsequent an die Lost-Art-Datenbank gemeldet wurden.

Mit ins Bild gehört das Schicksal der „Beratenden Kommission“ (ehemals Limbach-Kommission). Sie vermittelt seit 2003 in Streitfällen und spricht Empfehlungen aus. Ihr wurde vorgeworfen, in 22 Jahren nur 25 Fälle behandelt zu haben. 2024 besiegelte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Claudia Roth (Die Grünen), ihr baldiges Aus.

Ungenügende Ausstattung

Zweierlei wurde der Kommission zum Verhängnis: erstens die ungenügende Ausstattung mit Geld und Personal. Sie arbeitet mit einer Geschäftsführerin, einer Juristin, einer Historikerin und einer Assistentin jeweils in Vollzeit sowie neun ehrenamtlich tätigen Kommissionsmitgliedern. Ursprünglich waren es zehn. Damit war und ist die Kommission in der Lage, Fall für Fall abzuarbeiten.

Zum Verhängnis wurde der Kommission außerdem die zweiseitige Anrufbarkeit. Beide Konfliktparteien müssen zustimmen, wenn sie tätig werden soll. Es ist bekannt, dass die Kommission überwiegend vonseiten der Opfer angerufen wurde, die Museen sich in vielen Fällen aber nicht dazu entschließen konnten. Ausgerechnet also die Einrichtungen, die sich vor einem Vierteljahrhundert gemeinsam darauf verständigt hatten, im Sinne der „Washingtoner Prinzipien“ Raubkunst so schnell wie möglich zu identifizieren und zurückzugeben.

Picassos „Madame Soler“ ein Paradebeispiel

Das Paradebeispiel liefert Picassos Porträt „Madame Soler“ aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Hier berief sich das Ministerium stets auf die Ergebnisse der Provenienzforschung des Museums und die Empfehlungen seines Generaldirektors. Als 2023 der Streit um das Porträt einmal wieder hochkochte, forderte Bundeskulturministerin Roth, endlich einer Anhörung durch die unabhängige Beratende Kommission zuzustimmen. Passiert ist jedoch nichts. Stattdessen forderte der bayerische Kulturminister eine verlässliche gesetzliche Grundlage. Später schloss er sich dem Ruf nach einer Schiedsgerichtsbarkeit an.

Nun kommt die Schiedsgerichtsbarkeit wohl noch in diesem Jahr. So hofft man jedenfalls in Berlin. Doch der Weg dahin hat Haken. Denn es haben noch immer nicht alle Länder das Verwaltungsabkommen unterzeichnet. Zwei fehlen noch: Sachsen und Thüringen, wie aus Kreisen zu erfahren ist. Sodann müssen auch noch die einzelnen kommunalen Museen ein sogenanntes „stehendes Angebot“ abgeben; sich also ausdrücklich mit einem Schiedsverfahren einverstanden erklären. Zurzeit bleibt den kommunalen Spitzenverbänden nur die Option, auf ihre Kulturgut bewahrenden Einrichtungen hinzuwirken, dass sie das auch tun. Schon vor Monaten hatten sich die kommunalen Spitzenverbände mit Bund und Ländern auf die Grundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut verständigt.

Solange die Schiedsgerichtsbarkeit noch auf sich warten lässt, bleibt die Beratende Kommission im Amt. Gut wäre es, wenn sie mit ausreichend Personal und Geld ausgestattet würde, um das, was auf ihrem Tisch liegt, abarbeiten zu können. In Berlin ist man der Ansicht, das sei gewährleistet, und ist stolz darauf, dass man die Mittel für das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK), aus denen die Kommission finanziert wird, „trotz der sehr angespannten Haushaltslage in voller Höhe“ halten konnte. Sie sei „weiterhin arbeitsfähig“, sowohl in personeller wie auch in finanzieller Hinsicht, sagt ein Sprecher auf Nachfragen des Handelsblatts.

Verschlechterung befürchtet

Fragezeichen bleiben jedoch. Erstens: Für die derzeitige vorläufige Haushaltsführung sind für das DZK zwar Mittel in gleicher Höhe wie im Bundeshaushalt 2024 vorgesehen. Doch über den Bundeshaushalt 2025 kann der neu gewählte Bundestag erst in der nächsten Legislaturperiode entscheiden. Zweitens ist noch nicht ausgemacht, ob das Schiedsgerichtsverfahren für die Erben der Opfer tatsächlich Verbesserungen bringt. Denn die einseitige Anrufbarkeit nützt nichts, wenn die Gegenseite sich zuvor nicht mit dem Verfahren einverstanden erklärt hat.

Eine Verschlechterung fürchtet auch der Jurist Willi Korte. Er moniert auf Nachfragen des Handelsblatts unter anderem, dass jene Verfolgten, die Kulturgut im Zusammenhang mit ihrer Flucht aus Nazideutschland oder aus einem von den Nazis besetzten Land im Ausland veräußern mussten, künftig nur noch einen sehr eingeschränkten Anspruch auf Restitution erhalten würden. Im Übrigen gebe es die behauptete einseitige Anrufbarkeit für Schiedsverfahren nicht. „Es ist Teil der DNA von Schiedsverfahren, dass beide Seiten zustimmen müssen.“ So ist am Ende nicht auszuschließen, dass aufgrund der Verrechtlichung des Restitutionsverfahrens viel weniger als erwartet zurückgegeben werden muss.

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