Immobilien: Wie interessant ist Berlin für Investoren?

Es ist ein idyllischer Name, aber ein bislang wenig anmutiger Ort. Wer zu den ersten Mietern gehört, die auf der Insel Gartenfeld ihre neue Wohnung beziehen, wohnt bislang auf einer staubigen Baustelle. Mit rund 3600 geplanten Wohnungen ist das Gebiet im Berliner Bezirk Spandau eines der wichtigsten Neubauareale der Stadt. Wo einst Siemens Kabel, Drähte und Rohre produzierte, wollen das landeseigene Wohnungsbauunternehmen Gewobag, der Bauträger Buwog und kleinere Genossenschaften bis 2030 für zusätzlichen Wohnraum und neue Gewerbeflächen sorgen. Die Lage ist eine besondere: Die bisherige Industriebrache ist fast vollständig von Schifffahrtskanälen umgeben. Die alten Hallen stehen unter Denkmalschutz und sollen für das neue Stadtquartier nutzbar gemacht werden. Auch die alten Bäume sollen erhalten bleiben. Ein Gartencafé ist geplant, eine Kita, eine Schule. Seit die Gewobag im April 2024 den Grundstein für den Bau von insgesamt rund 1000 Wohnungen gelegt hat, ist einiges passiert. Entlang eines Straßenzugs sind neun Häuser in Bau – zwei davon weit fortgeschritten, eines ziegelrot, eines weiß-gelb: Es sind die ersten, die Ende 2025 fertig werden sollen. Steve Mitschke, Projektleiter der OIB Projekte GmbH, ist für den Bau der Gewobag-Wohnungen zuständig. Er staune selbst täglich über den Fortschritt: „Bereits ein Jahr nach Festsetzung des Bebauungsplans sind bald schon die ersten Wohnungen bezugsfertig.“ Um die Arbeiten auf der Baustelle zu beschleunigen, werden etwa die Bäder fix und fertig vorproduziert. „Damit sparen wir Zeit“, sagt Mitschke, Von dem, was da im Staub entsteht, ist er schon heute begeistert. Die künftige Geschäfts- und Flaniermeile des Viertels nennt er „die Kö von Spandau“. Berlin braucht Wohnraum Der weit im Berliner Westen gelegene Bezirk Spandau wurde lange Zeit etwas abschätzig betrachtet. Doch das Investoreninteresse nimmt zu, beobachtet die Investitionsbank Berlin (IBB). Für 2024 meldete Spandau 2477 neue Wohnungen und landete damit auf der Liste der Fertigstellungen auf Platz zwei nach Treptow-Köpenick im Südosten der Hauptstadt. Die 3,9-Millionen-Einwohner-Metropole braucht Wohnraum. Der Immobiliendienstleister CBRE bezeichnet den Wohnungsmarkt trotz zahlreicher Neubauvorhaben als angespannt. „Es gibt einfach zu wenig verfügbaren Wohnraum, während die Bevölkerung weiterwächst“, sagt CBRE-Geschäftsführer Michael Schlatterer. Auch der Senat geht von einem wachsenden Wohnraumbedarf aus. „2040 werden 187.000 Menschen mehr in Berlin wohnen als Ende 2021“, heißt es im aktuellen Stadtentwicklungsplan. Ende 2024 lag die Zahl der Einwohner bei 3,9 Millionen. Die Vier-Millionen-Grenze könnte also schneller als bislang gedacht erreicht werden. Eigentlich sollten in Berlin bis Ende 2026 jährlich 20.000 Wohnungen neu entstehen. Das allerdings gelang selbst in den baustarken Jahren bis 2022 nicht. 2024 wurden in Berlin 15.362 Wohnungen gebaut. Die Baugenehmigungen, die einen Hinweis auf die künftige Entwicklung im Wohnungsbau geben, lassen bislang keine schnelle Änderung erwarten. Für 2024 meldete das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 9772 Baugenehmigungen – 38,5 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Kein Wunder, dass sich die Lage am Wohnungsmarkt stetig verschärft. Der Leerstand liegt laut CBRE bei 0,3 Prozent. Keine großen Preissprünge bei Eigentum Entsprechend haben die Preise für Wohnimmobilien in den vergangenen Jahren trotz Zinsanstieg kaum nachgegeben. Das Analysehaus vdp Research zeigt in seiner exklusiven Auswertung für das Handelsblatt, dass sowohl Eigentumswohnungen als auch Ein- und Zweifamilienhäuser berlinweit im vergangenen Jahr durchschnittlich jeweils ein Prozent günstiger zu haben waren als 2023. Die Analyse berücksichtigt sowohl Neubau- als auch Bestandswohnungen. Im vergangenen Jahr war vdp allerdings noch von einem Plus für 2024 ausgegangen. Nun soll nach vdp-Einschätzung aber wirklich Schluss sein mit den sinkenden Preisen. Bei Eigentumswohnungen prognostiziert vdp für 2025 im Vorjahresvergleich ein Plus von 2,4 Prozent, bei Ein- und Zweifamilienhäusern sehen die Analysten ein Plus von 2,2 Prozent. Im ersten Quartal 2025 wurden laut vdp für eine Eigentumswohnung in Berlin durchschnittlich 5420 Euro pro Quadratmeter aufgerufen, ein Plus von 1,2 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal 2024. Die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser legten im Vorquartalsvergleich um 0,6 Prozent auf 5190 Euro pro Quadratmeter zu. Überdurchschnittlich steigende Preise bei Eigentumswohnungen erwartet vdp-Analyst Michael Fenderl nicht nur in den zentralen Stadtteilen, sondern auch am äußeren Rand der Berliner Innenstadt, etwa in Pankow, im Wedding, Steglitz und Neukölln. Auch periphere Ein- und Zweifamilienhausgebiete, wie zum Beispiel Frohnau in Reinickendorf, Hakenfelde in Spandau sowie Zehlendorf, Lichtenrade und Lichterfelde im Süden Berlins und Köpenick bleiben laut Fenderl „weiterhin attraktiv und preisdynamisch“. Der Projektentwickler Primus, der früher eher im höherpreisigen Eigentumsmarkt unterwegs war, konzentriert sich inzwischen auf den Neubau von Mietwohnungen. „Viele, die gern kaufen würden, können das angesichts hoher Bau- und Finanzierungskosten derzeit nicht“, sagt Primus-Chef Sebastian Fischer. Für seine Projekte hält er vor allem in innerstädtischen Lagen mit guter Verkehrsanbindung nach geeigneten Grundstücken Ausschau. Zuletzt fündig geworden ist er in der Reichsstraße im Charlottenburger Ortsteil Westend. Hier hat Primus ein Grundstück erworben, auf dem der Verkäufer ursprünglich Eigentumswohnungen geplant hatte. Jetzt sollen dort mehr als 300 Mietwohnungen entstehen. Insgesamt hat Primus 1000 Wohnungen zur Miete in Planung. Baubeginn in der Reichsstraße soll noch 2025 sein, die Fertigstellung 2028. „Sobald die Nachtragsbaugenehmigung vorliegt, legen wir los“, sagt Fischer. Gegenüber dem Bauplan des Vorbesitzers habe man „etwas Komplexität reduziert, um die Kosten zu drücken, zum Beispiel die Tiefgarage verkleinert“. Kräftig steigende Mieten Trotzdem werden die Mieten Fischer zufolge bei mehr als 20 Euro netto kalt pro Quadratmeter liegen müssen. Angesichts hoher Kosten sei der Bau in diesen Lagen sonst kaum wirtschaftlich. Ähnlich argumentiert der Projektentwickler Catella, der in Weißensee das „Falkenquartier“ errichtet. Im Sommer soll das Wohnensemble in Holzhybrid-Bauweise aus acht Häusern und 67 Wohnungen fertiggestellt sein. Die geplante Miete pro Quadratmeter: ab 19 Euro netto kalt. Nach vdp-Analyse sind die Neuvertragsmieten 2024 berlinweit um 5,4 Prozent auf 15 Euro pro Quadratmeter gestiegen. In den vier zentralen Ortsteilen Mitte, Wilmersdorf, Schöneberg und Charlottenburg lagen sie bei mehr als 20 Euro. Von Berlin als Stadt „der Dynamik und Chancen“ spricht das Maklerhaus Aengevelt, von einer „Erfolgsgeschichte“ Benjamin Rogmans, Geschäftsführer von Engel & Völkers Commercial in Berlin. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten, geopolitischer Spannungen und steigender Baukosten habe sich Berlin als attraktiver Investitionsstandort behauptet, stellt Aengevelt fest. Die Stadt bleibe ein Magnet für Unternehmen, Talente und Kapital. Aber: „Die Versorgungslücke wächst.“ Vdp-Analyst Fenderl schätzt, dass sich das Wohnversorgungsdefizit kurz- bis mittelfristig nicht reduzieren wird und die Mieten in Berlin sowohl im Bestand als auch im Neubau weiter steigen. Im ersten Quartal 2025 erhöhten sich die Neuvertragsmieten berlinweit durchschnittlich auf 15,30 Euro netto kalt pro Quadratmeter. Für das Gesamtjahr 2025 geht Fenderl im Vorjahresvergleich von plus 4,9 Prozent aus. Das ergäbe eine Miete von rund 15,75 Euro. Ein Teufelskreis führt zu Fehlbelegungen Wer eine Wohnung bei einem der Mitgliedsunternehmen des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ergattert, kommt preiswerter davon – noch. Die durchschnittliche Neuvertragsmiete bei BBU-Mitgliedsunternehmen in Berlin lag Mitte 2024 bei 8,59 Euro netto kalt pro Monat und Quadratmeter. Das entspricht einem Anstieg von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Quadratmeterpreis im Neubau betrug durchschnittlich 12,66 Euro, 15,6 Prozent mehr als im Vorjahr. BBU-Vorständin Maren Kern verweist auf eine beunruhigende Entwicklung: „Es kommen jetzt zunehmend Wohnungen in die Erstvermietung, bei denen die Kostenmieten wegen gestiegener Baupreise, Baustandards und Bauzinsen zwischen 18 und 20 Euro oder sogar noch darüber liegen.“ Die Kostenmiete bezeichnet den fiktiven Mietpreis, der rechnerisch pro Quadratmeter zur Deckung der Bauinvestitionen genommen werden müsste. Dagegen erhöhte sich die durchschnittliche Bestandsmiete bei den Berliner BBU-Mitgliedsunternehmen bis Mitte 2024 im Schnitt um lediglich 3,9 Prozent auf 6,85 Euro. Die wachsende Differenz zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten macht Umzüge für viele Mieter unattraktiv. Viele Berliner wohnen seit Jahren oder gar Jahrzehnten in denselben Wohnungen, was zu niedrigen Bestandsmieten führt. Auch weil bei bestehenden Verträgen die Mietpreisbremse mögliche Mieterhöhungen begrenzt. Wer also eine Bleibe hat, der bleibt – weil eine neue, kleinere Wohnung in der Regel deutlich teurer wäre. Florian Lanz, Geschäftsführer des Projektentwicklers Laborgh, beobachtet: „Die Menschen bleiben in ihren Wohnungen, auch wenn diese nach dem Auszug der Kinder völlig überdimensioniert sind.“ Catella-Chefanalyst Lars Vandrei spricht von einem Teufelskreis: „Weil Umzüge für Bestandsmieter tendenziell immer teurer werden, sinkt die Fluktuation.“ Die Folge seien Fehlbelegungen, aber auch ein geringeres Angebot bei Bestandswohnungen und ein schnellerer Anstieg der Neuvertragsmieten, der Umzüge noch unattraktiver macht. Abhilfe schaffen soll ein neuer, zusätzlicher Wohnberechtigungsschein, den die Berliner Bezirksämter seit Februar ausstellen. Er berechtigt auch Haushalte mit mittlerem Einkommen, eine öffentlich geförderte Neubauwohnung zu beziehen. Die Nettokaltmiete liegt dann bei 11,50 Euro pro Quadratmeter. Einar Skjerven ist seit 2006 als Investor auf dem Berliner Markt unterwegs – und inzwischen weitgehend desillusioniert. In der Charlottenburger Joachim-Friedrich-Straße hat der Norweger 2021 zwei Gründerzeithäuser mit 70 Wohnungen erworben. Die inzwischen sanierten Wohnungen, umgeben von einem großen Innenhof, werden sukzessive an Selbstnutzer verkauft. Gerade hat ein Penthouse für 1,2 Millionen Euro den Eigentümer gewechselt, „ein absoluter Ausnahmefall“, wie Skjerven sagt. Bankkredite über 500.000 Euro seien schwierig geworden, dabei gebe es aufgrund der immens gestiegenen Bau- und Sanierungskosten kaum noch preisgünstigere Wohnungen. „Ich verstehe Berlin nicht mehr“, sagt Skjerven und spielt damit vor allem auf das deutsche Regulierungsstreben an. Was ihn besonders ärgert: das sogenannte Aufteilungsverbot, das es unmöglich macht, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln und an seine Bewohner zu verkaufen. „Wem soll das helfen?“, fragt Skjerven. Mehr: Der große Preischeck – Wo Immobilien in Deutschland noch bezahlbar sind Erstpublikation: 12.06.2025, 21:09 Uhr.