Bitcoin: Sind Quantencomputer für die Kryptowährung eine reale Gefahr?

Jensen Huang ist sich sicher: Der Nvidia-Chef prognostizierte auf einer Veranstaltungsreihe des Konzerns am Mittwoch, dass Quantencomputer bald Probleme lösen könnten, für die selbst modernste, mit Künstlicher Intelligenz (KI) arbeitende Systeme seines Chipkonzerns heute noch Jahre bräuchten. Damit befeuert er eine Diskussion, die Blackrock im Mai durch ein unscheinbares Dokument auslöste, das der weltgrößte Vermögensverwalter bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht hatte. Darin warnt Blackrock vor der Gefahr, die Quantencomputer für den Bitcoin bedeuten. Ob diese real ist, darüber gehen die Meinungen von Experten auseinander. Im vergangenen März warnte beispielsweise Fondsmanager Hendrik Leber im Handelsblatt-Interview: „Quantencomputer können irgendwann eine Bedrohung für die Kryptotechnologie werden.“ Darius Moukhtarzadeh, Analyst beim Krytpoemittenten 21Shares, sagt daher: „Ich wundere mich nicht, dass Blackrock auf das Risiko hinweist, sondern wundere mich viel mehr, dass es nicht von Anfang an als Risiko in den Unterlagen aufgeführt worden ist.“ Neu sei die Diskussion schließlich nicht. „Seit zehn Jahren beschäftige ich mich mit Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie. Und seitdem ist das immer wieder ein Thema.“ Durch Blackrock hat das Thema aber eine neue Aktualität – und durch den jüngsten Bitcoin-Boom sind nun deutlich mehr Anleger betroffen. An diesem Hype hat der US-Konzern einen großen Anteil. Denn Blackrock legte in den USA, parallel zu anderen Anbietern, im Januar 2024 den ersten börsengehandelten Fonds auf den Bitcoin auf, der mit der Kryptowährung hinterlegt ist und die Preisentwicklung direkt abbildet. Damit können US-Anleger seitdem schnell und unkompliziert in Bitcoin investieren. Der Blackrock-ETF ist der erfolgreichste ETF aller Zeiten, seit Auflage sind mehr als 49 Milliarden Dollar in das Produkt geflossen. Damit ist es maßgeblich mitverantwortlich für die Kursentwicklung der Kryptowährung, die seitdem um mehr als 120 Prozent zugelegt hat. Erst Ende Mai markierte der Bitcoin einen Rekord bei 112.000 Dollar, aktuell steht der Kurs bei rund 105.000 Dollar. Die Börsenaufsicht reguliert Bitcoin-ETFs ebenso wie andere Finanzprodukte. Sie verpflichtet Anbieter solcher ETFs, Anleger auf Risiken aufmerksam zu machen, die mit einem Produkt einhergehen. Das von Blackrock im Mai eingereichte aktualisierte Dokument weist zusätzlich auf die Gefahren von Quantencomputern für den Bitcoin hin. Mittels der Technologie könnten Angreifer künftig möglicherweise Bitcoin-Netzwerke entschlüsseln und Coins entwenden. Denn beim Bitcoin gibt es private und öffentliche Schlüssel. Sie dienen dazu, Transaktionen sicher zu gestalten und den Besitz von Bitcoins zu verifizieren. Der private Schlüssel wird zum Signieren von Transaktionen verwendet und ermöglicht die Kontrolle über die Bitcoins im eigenen Besitz. Der öffentliche Schlüssel wird bei öffentlichen Transaktionen sichtbar und dient dazu, Bitcoins zu empfangen. Dieses System gilt aktuell als absolut sicher. Zwar ist es theoretisch möglich, aus dem öffentlichen Schlüssel den privaten zu berechnen, das würde mit einem normalen Computer Expertenschätzungen zufolge aber Millionen Jahre dauern. Mit einem Quantencomputer könnte sich das aber ändern. Diese nutzen die Gesetze der Quantenphysik, um Probleme zu lösen, die zu komplex für normale Computer sind. Diese speichern Informationen in Bits (Einsen und Nullen). Quantencomputer verwenden Quantenbits oder Qubits. Diese können null, eins oder irgendetwas dazwischen sein. Dadurch verfügen Quantencomputer über größere Rechenleistungen. Je nach Entwicklung könnten sie damit auch beim Bitcoin die privaten Schlüssel berechnen. Ein Quantencomputer mit einer Rechenleistung von 2000 logischen Qubits könnte das in wenigen Stunden schaffen, erklärt Moukhtarzadeh. Co-Pierre Georg, Direktor des Frankfurt School Blockchain Center, begrüßt daher, dass Blackrock die Diskussion um das Quantencomputer-Risiko für den Bitcoin wiederbelebt hat: „Meiner Meinung nach wurde das Thema von der Community viel zu lange ignoriert – auch weil nicht ganz klar ist, über welchen Zeitraum wir hier sprechen, in denen Quantencomputer ihre Rechenleistung entsprechend steigern könnten.“ Uneinigkeit über den zeitlichen Rahmen Bisher sind Quantensysteme, die zahlreiche komplexe Rechenprozesse gleichzeitig verarbeiten können, vor allem in Simulationen erfolgreich, aber nicht alltagstauglich. Seit Jahren sagen Experten, dass alltagstaugliche Quantencomputer noch fünf bis zehn Jahre entfernt seien. Vor wenigen Tagen kündigte der US-Konzern IBM allerdings an, dass er bis 2029 den Quantencomputer „Starling“ fertigstellen wolle, der mithilfe eines neuen technologischen Ansatzes erstmals praktische Probleme lösen könnte. Expertinnen wie Claudia Linnhoff-Popien, Informatikprofessorin an der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU), sind aber skeptisch. „Die angekündigten Leistungszahlen sind PR-Superlative und nur durch Simulationsstudien gedeckt“, sagte sie dem Handelsblatt. » Lesen Sie auch: IBM will bis 2029 alltagstauglichen Quantencomputer bauen 21Shares-Analyst Moukhtarzadeh rechnet vor, dass Quantencomputer die Rechenleistung um den Faktor 13 bis 15 steigern müssten, um die Sicherheit des Bitcoins zu gefährden: „Das ist eine Entwicklung, die zehn oder 20 Jahre dauert. Die Gefahr ist also real, aber aktuell theoretisch.“ Quantencomputer sind kein Bitcoin-spezifisches Risiko Quantencomputer sind aber nicht allein eine Gefahr für den Bitcoin. Moukhtarzadeh gibt zu bedenken, dass alle gängigen, asymmetrischen Verschlüsselungen nicht mehr sicher wären. Beispielsweise jene für Bankensysteme. Der Analyst fragt daher: „Warum sollte ich mit Quantencomputern den Bitcoin angreifen, wenn es viel lukrativere Ziele gibt?“ James Seyffart, Analyst beim Finanzdienst Bloomberg Intelligence, hält die Aufregung daher für übertrieben. „Um das klarzustellen: Dies sind nur grundlegende Risikohinweise. Sie weisen auf alle potenziellen Probleme hin, die mit einem von ihnen angebotenen Produkt oder einem Basiswert, in den investiert wird, auftreten können“, schrieb er beim Kurznachrichtendienst X über das Blackrock-Dokument. In einem vergangenen Geschäftsbericht warnte beispielsweise die Commerzbank vor der theoretischen Möglichkeit eines taktischen Atomschlags auf das deutsche Finanzzentrum Frankfurt. Ohnehin besteht die Möglichkeit, das Bitcoin-Netzwerk quantensicher zu machen. Hier wir das Quantencomputer-Risiko aber von einem theoretischen zu einem praktischen Problem, warnt Georg von der Frankfurt School. Denn ein Weg, den Bitcoin quantensicher zu machen, wäre eine Veränderung der Bitcoin-Blockchain. Diese ist wie ein digitales Kassenbuch, das öffentlich und fälschungssicher ist. Darin werden alle Bitcoin-Transaktionen in Blöcken gespeichert und aneinandergereiht, wobei jede Transaktion durch viele Computer weltweit überprüft und gesichert wird. Im schlimmsten Fall droht eine Spaltung Eine Möglichkeit des Updates wäre ein sogenannter „Hard Fork“. In diesem Fall wäre die neue Software aber nicht mit der alten kompatibel. Sollten nicht alle Nutzer von der alten auf die neue Blockchain umziehen, gäbe es künftig zwei konkurrierende Kryptowährungen. Einen solchen „Hard Fork“ gab es schon einmal im Jahr 2017, als ein Teil der Nutzer die Skalierbarkeit von Bitcoin verbessern und die Transaktionsgebühren senken wollte. Dadurch entstand neben Bitcoin noch Bitcoin Cash. Georg sieht daher die Gefahr einer erneuten Spaltung der Bitcoin-Community. Dem widerspricht allerdings Analyst Moukhtarzadeh. Er fragt: „Warum sollte sich jemand dagegen sperren, die Blockchain sicherer zu machen? In meiner Beobachtung ist das kein kontroverses Thema in der Community.“ Georg weist aber noch auf ein weiteres Risiko hin: „Vielen Anlegern könnte erst jetzt bewusst werden, dass die Bitcoin-Blockchain eben nicht unveränderbar ist und ihnen theoretisch auch ihre Bitcoins weggenommen werden könnten.“ Das verschreckt möglicherweise vor allem neuere, durch die ETFs angelockte Anleger, die den Bitcoin als Krisenwährung und digitales Gold bewerten. Ob es tatsächlich so weit kommt, bleibt zunächst Spekulation. Tatsache ist aber, dass Blackrock durch sein bei der SEC eingereichtes Dokument die Diskussion um die Sicherheit des Bitcoins neu entfacht hat – und das Ende ist offen. Mehr: Profi-Anlager investieren immer stärker in Bitcoin – Zwei Entwicklungen entscheiden Erstpublikation: 15.06.2025, 12:11 Uhr.