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Auktionsnachbericht

NS-Kunst unter dem Hammer

Neumeister versteigerte Künstler, die in der NS-Zeit Karriere machten. Kommerziell kein aufsehenerregendes Ereignis. Handel und Museen suchen nach Haltungen.Sabine Spindler 29.05.2024 - 11:24 Uhr
Arthur Kampfs Gemälde „Der Kenner“ verfünffachte seinen unteren Schätzpreis auf 10.400 Euro. Thematisiert ist das unverfängliche Sujet des Sammelnden, der Freude an seiner Leidenschaft hat. Foto: Neumeister

München. Kernig waren Paul Mathias Paduas Bilder von Bauern und Trachtenmadeln schon in den 1920er-Jahren. Und sie gefallen noch heute. Zwischen 6000 und 11.000 Euro zahlten Sammler unlängst im Auktionshaus Neumeister bei der Versteigerung der Sammlung Faußner. Alle Preise im Folgenden mit Aufgeld.

In den 1930er-Jahren gab es allerdings noch andere Bewunderer. Padua gehörte mit seinem deftigen Realismus zu den protegierten Künstlern der Nationalsozialisten. Er war mit Stillleben und Akten auf den Großen Deutschen Kunstausstellungen, den „Leistungsschauen deutscher Kunst“ 1938 bis 1944 vertreten und malte auch Propagandabilder wie „Der Führer spricht“. Dass er als Kriegsmaler der Propagandakompanie die NS-Verbrechen an der Front nicht verherrlichen musste, davor bewahrte ihn 1940 eine Verletzung.

Ähnlich unverfänglich wie die bei Neumeister angebotenen Padua-Gemälde kommen auch die Stillleben, München-Impressionen und Landschaften von Constantin Gerhardinger daher. Nicht ohne Verve, aber malerisch konservativ war auch Gerhardinger ein Günstling des NS-Regimes. Sein Opus Magnum „NS-Gemeinderatssitzung“ zerschnitt er kurz vor Kriegsende, was ihm als Persilschein in Zeiten der Entnazifizierung dienen sollte.

Neumeister rief von Gerhardinger meist Werke ohne jeglichen Propagandatouch aus den 1920er- und frühen 1930er-Jahren auf. Sein schillerndes Gemälde „Meine Akte“ war einem Interessenten 10.400 Euro wert. Andere Arbeiten gingen für 2000 oder 3000 Euro in neue Hände.

Mehr als ein Drittel der 270 Gemälde der Faußner-Sammlung, die sich hauptsächlich auf die Chiemseemaler und ländliche oberbayerische Motive des frühen 20. Jahrhunderts konzentrierte, hatten einen nationalsozialistischen Beigeschmack.

Hermann Groeber war seit 1900 wegen seiner pastosen realistischen Malerei mit Hang zu impressionistischen Tönen hochgeschätzt. Gleichzeitig war er eines der ersten Mitglieder der 1920 gegründeten NSDAP. Sein in dunklen Farben unter dem Einfluss von Carl Schuch und Wilhelm Leibl entstandenes „Mädchen mit Spiegel“ ließ die Taxe von 1200 Euro schnell hinter sich und erzielte 5580 Euro. Vor Propagandaschinken bewahrte ihn sein Tod 1935 im Alter von 75 Jahren.

Thomas Baumgartners „Selbstporträt im Malerkittel“ ging für 13.000 Euro in neue Hände über. Geschätzt war es auf maximal 3000 Euro. Der Schnauzer deutet auf Sympathien für Adolf Hitler hin. Foto: Handelsblatt

Der 1892 geborene Thomas Baumgartner, dessen Bauernbildern ebenfalls eine Leibl’sche malerische Kraft zugestanden wird, war unter Hitler ein Aushängeschild für die NS-Kunstdoktrin. Freilich hatten weder Groeber, Baumgartner noch andere die Bedeutung Schuchs und Leibls. Sie waren und sind Regionalgrößen.

Der geschäftsführenden Neumeister-Gesellschafterin Katrin Stoll waren die nicht unproblematischen Karrieren dieser Künstler im Vorhinein bewusst. „Weil die genannten Künstler in der NS-Zeit gewürdigt und wertgeschätzt wurden, ist ihre Rezeption heute zwiespältig“, schrieb sie im hauseigenen Magazin vor der Auktion. Ob man die Arbeiten sammeln, verkaufen und versteigern dürfe, fragt Stoll und bejaht. Doch das ist nicht der Kern der Frage, meinen wir. Schließlich unterliegen auch die Werke von Leni Riefenstahl oder Arno Breker keinem Handelsverbot.

Heikler ist der Umgang mit der scheinbaren Harmlosigkeit in Museen. Der Grad zwischen institutioneller kunsthistorischer Auseinandersetzung und falsch verstandener musealer Würdigung kann schmal sein. Der Rechtsruck der Gesellschaft könnte den Schutzschild kritischer Hinterfragung brüchiger machen. Der Markt, meint Katrin Stoll, werde ohnehin vieles regeln. Aber der Markt ist ein ökonomisches und kein zivilisatorisches Wertesystem.

Der Rechtsanwalt Hans Constantin Faußner liebte aber nicht nur Padua und Gerhardinger. Seine von drei Generationen zusammengetragene Kollektion enthielt auch Bilder Carl Caspars und Arnold Balwés, die beide ab 1933 unter Berufs- oder Ausstellungsverbot litten. Ihre Erlöse bewegen sich um die 10.000 Euro.

Paul Mathias Padua: „Dame im Pelz mit Totenschädel“. Virtuos zitiert der Maler Vorbilder aus der Malereigeschichte. Das Bild erzielte 11.700 Euro. Foto: Neumeister

Wie schwer künstlerische Oeuvres zu bewerten sind, zeigt auch der Fall Otto Geigenberger. Einige seiner Gemälde wurden als „entartet“ aus öffentlichen Einrichtungen entfernt; gleichzeitig wurde er 1937 er in einer Publikation über die Münchner Kunstszene als einer der besten deutschen Landschaftsmaler beschrieben. Die linientreue Zeitschrift „Kunst im Deutschen Reich“ ehrte ihn 1961 sogar mit einem Beitrag zum 60. Geburtstag. Der höchste Preis für eine seiner neusachlich inspirierten Stadtansichten lag bei Neumeister bei 2800 Euro.

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Preise weit darüber konnten gotische Tafelbilder erzielen. Von taxierten 20.000 Euro auf 78.000 Euro gehoben wurde der einstige Altarflügel mit der „Anbetung Mariens“, wohl von einem oberrheinischen Meister Anfang des 16. Jahrhunderts. Eine schmale Tafel mit dem bischöflichen Hl. Wolfgang und dem Apostel Jakobus dem Älteren des um 1475 in Augsburg tätigen Meisters der Ilsung-Madonna erforderte den Einsatz von 22.100 Euro.

Auch in Zukunft werden Sammlungen in Auktionen gelangen, bei denen Benachteiligte und Nutznießer des NS-Regimes gleichzeitig aufgerufen werden. Die Sammlung Faußner war dafür ein klassisches Beispiel.

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