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Unrecht im Nationalsozialismus

Kritik an geleisteter Restitution

In Neuss gelang der Rückkauf eines restituierten Gemäldes von Édouard Vuillard. Die Entschädigung der Erben des jüdischen Vorbesitzers stieß jedoch auf Einwände. Christiane Fricke 28.05.2024 - 12:37 Uhr
Édouard Vuillards Gemälde „Les promeneurs au parc“ gehörte zur großen Kunstsammlung des jüdischen Rechtsanwalts Armand Dorville aus Paris. So wird es derzeit im Clemens Sels Museum in Neuss präsentiert. Foto: Clemens Sels Museum

Düsseldorf. Der Wiederankauf eines zuvor restituierten Gemäldes von Édouard Vuillard in Neuss wurde kürzlich vom Clemens Sels Museum  gebührend gefeiert. Den Weg frei gemacht hatte eine Entschädigung in Höhe von 300.000 Euro zugunsten der Erben des jüdischen Vorbesitzers Armand Isaac Dorville.

Das Museum selbst beteiligte sich mit 150.000 Euro aus seinem Ankaufsetat. Den Rest übernahmen je zur Hälfte das Land Nordrhein-Westfalen und die Kulturstiftung der Länder.

Das Vorgehen erfuhr jedoch keineswegs nur vorbehaltlose Zustimmung, wie aus Kreisen des Kunsthandels zu erfahren war. Hauptsächlich stieß man sich daran, dass die Erben nach 1945 den Versteigerungserlös ausgezahlt bekamen, inklusive Zinsen. Außerdem seien bei der Auktion in Nizza, die die Erben selbst veranlasst hatten, angemessene Preise erzielt worden.

Von der Möglichkeit, die Auktion nach dem Krieg zu annullieren, hätten sie nicht Gebrauch gemacht. Und schlussendlich handele es sich nicht um NS-Raubkunst, sondern um einen Vichy-Raub. Nizza, wo die Erben Dorvilles versteigern ließen, sei noch nicht von Deutschland besetzt gewesen.

Rückblende: Vuillards Gemälde „Les promeneurs au parc“ gehörte zur großen Kunstsammlung des jüdischen Rechtsanwalts Armand Dorville aus Paris. Bevor der Philanthrop 1941 auf der Flucht kinderlos starb, vermachte er seine Sammlung seinen Geschwistern und deren Kindern. Die versuchten, der drohenden Beschlagnahme durch die deutschen Besatzer zu entgehen und lieferten sie 1942 zur Auktion im damals noch unbesetzten Nizza ein.

Die Vichy-Regierung, die mit Deutschland kollaborierte und dessen antisemitische Verfolgungsmaßnahmen umsetzte, installierte jedoch in letzter Minute noch eine Art Zwangsverwalter in der Gestalt des Transportunternehmers M. Amédée Croze. Der parkte den Auktionserlös auf zwei Sperrkonten.

Auszahlung nach 1945

Die Erben, mittlerweile selbst auf der Flucht, hatten keinen Zugriff auf das Geld, als sie es hätten brauchen können. Erst nach dem Krieg bekamen es die Überlebenden ausgezahlt. Nach Angaben von Uta Husmeier-Schirlitz, Direktorin des Clemens Sels Museums, verdankten sie das den Testamentsvollstreckern Dorvilles, die seinerzeit noch auf die Einrichtung der Sperrkonten hinwirken konnten.

„Es ist ja schön, dass die Erben den Auktionserlös bekommen haben“, sagt Husmeier-Schirlitz auf Nachfrage des Handelsblatts. Aber das habe ihnen nicht geholfen. Fünf Familienmitglieder starben 1944 im Konzentrationslager Auschwitz: Dorvilles Schwester, ihre beiden Töchter und zwei Enkeltöchter.

In Neuss orientierte man sich an drei analogen Fällen, die im Bestand Cornelius Gurlitt identifiziert werden konnten. Diese drei, ebenfalls in Nizza versteigerten Werke wurden in Berlin im Januar 2020 von der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters an die Erben Dorvilles restituiert.

Gefahr für Flüchtende

Die Rolle des Transportunternehmers Croze ist ansonsten noch nicht abschließend geklärt. Zum einen war er auch für die von Dorville hinterlassene Immobilie, das Schloss Cubjac, zuständig. Es sollte dem Louvre geschenkt werden. Aber dafür brauchte es das Einverständnis der Erben. Sie wurden zu diesem Zweck ausfindig gemacht, was am Ende wiederum ihre Fluchtbewegung verriet.

Zum anderen tut sich das heutige Frankreich schwer damit, die Dorville-Auktion als Zwangsversteigerung zu deklarieren. Es hätte weitreichende Folgen für viele betroffene französische Museen. Das in dieser Sache anhängige Gerichtsverfahren ist wahrscheinlich aus diesem Grund noch immer nicht abgeschlossen. Für die neun von Croze selbst ersteigerten Werke musste der französische Staat eigens ein Gesetz erlassen, damit er sie restituieren konnte.

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Zum Einwand, die Familie Dorville hätte von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, nach der französischen Verfassung die Versteigerung zu annullieren: Die Familie hat die Auktion annullieren lassen. Aber erst 2021, als es ohne Rückzahlung möglich wurde.

Doppelte Entschädigung

Die Frage ist, wie ein Museum mit dem Einwand umgeht, dass die Enkelgeneration erneut Rückgabe oder finanzielle Entschädigung verlange, nachdem die Erben das ihr zustehende Geld erhalten hatten. Nach dem jüngst vom deutschen Justizministerium vorgelegten Gesetzentwurf zum Umgang mit NS-Raubkunst wäre das nicht mehr möglich. Bereits geleistete Zahlungen müssten mit einer späteren Entschädigung verrechnet werden.

„So ein Fall könnte in der Zukunft auch noch mal anders entschieden werden“, räumt Husmeier-Schirlitz ein und ergänzt: „Die hohe Komplexität ermuntert immer wieder, Entscheidungen neu zu bewerten.“ Im Lichte des geschehenen Unrechts sei das jedoch Husmeier-Schirlitz zufolge nicht angemessen.

Im Gespräch mit der Museumsdirektorin zeigte sich im Übrigen, wie wichtig so eine öffentlich kommunizierte bzw. zelebrierte Rückgabe ist. Nur so erfährt die Öffentlichkeit überhaupt etwas über diese Geschichte und die damit verbundenen Klimmzüge. Ein Großteil der Restitutionen wird nämlich diskret abgewickelt. Der Fall Neuss demonstriert so auch, welche zentrale Rolle Museen als Bildungsorte spielen.

Wer die Gesamtheit der Umstände im Fall des Clemens Sels Museums betrachtet, dürfte jedoch daran zweifeln, ob angewandtes Recht zukünftig für größere Gerechtigkeit sorgt.

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