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Ausstellung zum 250. Geburtstag

Caspar David Friedrich war kein Ökokritiker

Caspar David Friedrich fasziniert das Publikum. Die Hamburger Kunsthalle unternimmt den Versuch, den Jubilar mit der Klimakrise und kolonialen Ungerechtigkeiten in Verbindung zu bringen.Sabine Spindler 01.02.2024 - 08:30 Uhr
Kehinde Wiley bemüht in „The Prelude (Ibrahima Ndiaye und El Hadje Malick Gueye)” eine postkoloniale Perspektive auf die beliebten „Kreidefelsen auf Rügen” von Caspar David Friedrich. Doch Friedrichs Welt war weder divers, noch direkt verstrickt in koloniale Ungerechtigkeiten. Foto: Rennie Collection Vancouver / Stephen Friedmann Gallery London

Hamburg. Caspar David Friedrich ist nicht nur der bedeutendste Maler der Romantik. Er ist ein malerischer Verführer, der den Zauber der Stille einzufangen wusste. Er hatte den Blick für jene Momente, wenn die Landschaft zu einem mystischen Ort wird. Der tiefe Sinn lag für ihn in der Verbindung des Menschen mit den Elementen und dem Kosmos.

An dieser Perspektive kann auch die Ausstellung „Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit“ in der Hamburger Kunsthalle nicht rütteln. Die einander zugeneigten Figuren auf einer eher zerzausten Waldlichtung auf seinem Gemälde „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ von 1819/20 etwa bewundern nicht allein ein Naturschauspiel. Wie all seine nebelverhangenen Berge, frosterstarrten Baumgruppen und elegischen Meeresszene ist auch diese Szene eine Metapher für das Unaussprechliche und das Transzendente, das die Anhänger der Aufklärung so vehement negierten.

Caspar David Friedrich, der vor 250 Jahren geboren wurde, hat die Landschaftsmalerei erneuert. Er machte sie zu einer Allegorie der Seele. Wie kein anderer konnte er mit Licht und Farben Stimmungen einfangen und zugleich wirkmächtige Bildkompositionen kreieren. In ihren Details erscheinen sie präzise und wirklich. In Wahrheit aber zeigen sie innere Bilder des Malers, deren Sinntiefe und Symbolik die Suche nach dem Ungreifbaren spiegeln.

Für viele ist „Das Eismeer“, ein gewaltig und bedrohlich aufgetürmter Packeishaufen, ein Bild des Scheiterns. Für Friedrich-Kenner ein Beleg seiner Imaginationskraft. Kannte er Nordmeerexpeditionen doch nur aus der Zeitung.

Eine große Einsamkeitserfahrung entströmt dem frühen, 1805/10 gemalten „Mönch am Meer“ aus der Nationalgalerie Berlin. In seiner malerischen Reduktion wirkt es wie ein frühes abstraktes Experiment. Ähnliche formale Auflösungstendenzen vollzog übrigens auch Friedrichs Zeitgenossen William Turner. Doch anders als der Brite hat Friedrich das anbrechende Industriezeitalter nicht in seine Bilder eindringen lassen.

Caspar David Friedrichs beeindruckendes Ölgemälde „Das Eismeer“ ist das dramatische Bild einer gescheiterten Hoffnung. Foto: Hamburger Kunsthalle, bpk; Foto: Elke Walford

Friedrich war kein Chronist, sondern ein Forscher unsichtbarer Wahrheit. Die Hamburger Ausstellung präsentiert ein weites Spektrum des Schaffens. Friedrich als Zeichner, sein Spätwerk, seine Naturstudien. Aber die Kuratoren offenbaren durch ihre Überbetonung grüner Bezüge in Katalog und Begleitpublikationen zugleich ein Dilemma heutiger Ausstellungsmacher. Ihre Suche nach aktuellen Sichtweisen und Parallelen ist nicht immer gelungen. Die Aufforderung auf dem Katalogeinband, „sein Werk angesichts aktueller Herausforderungen in Zeiten der Klimakrise neu zu entdecken“, hat den Beigeschmack des Greenwashings.

Friedrich folgt in seinen Landschaften ausschließlich der romantischen Idee einer neuen Naturwahrheit und einer wiederzubelebenden Spiritualität.

Fortgesetzt wird der ökologisch kritische Ansatz auf der zweiten Etage. Sie ist der zeitgenössischen Rezeption des Friedrich-Oeuvres gewidmet. Schmelzende Nordpolgletscher in Julian Charrières Fotoserie „The Blue Fossile Entropic Stories“, vergiftete Dampfwolken aus einer Fabrikesse im fotografischen „Cloud Index“ von Jonas Fischer sind nur zwei der weit hergeholten Anknüpfungspunkte.

Für die postkoloniale Perspektive sind der „Wanderer über dem Nebelmeer“ und „Kreidefelsen auf Rügen“ zur attraktiven Folie geworden. Der afroamerikanische Maler Kehinde Wiley tauschte das weiße gegen schwarzes Personal aus. Um eine Leerstelle in der Kunstgeschichte zu füllen, wie der Katalog erwähnt. In Wileys adaptierten Porträts von englischen Lords und amerikanischen Plantagenbesitzern funktioniert dieser Kunstgriff bestens. Nur Friedrichs Welt war weder divers, noch direkt verstrickt in koloniale Ungerechtigkeiten.

Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ gelangte 1970 für 600.000 D-Mark in die Kunstsammlung der Kunsthalle. Foto: SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk Foto: Elke Walford

Diese Schau sollte ursprünglich anders aussehen. Wie Kurator Markus Bertsch im Gespräch mit dem Handelsblatt erwähnte, war eine Kooperation mit Museen in Sankt Petersburg avisiert.

Erstaunlicherweise gibt es immer noch Forschungslücken. Friedrich-Kenner Florian Illies stellt ein Thesengerüst zu verschollenen, noch nicht entdeckten und trotz fast hundertjähriger Zuschreibung an den Meister aus Dresden fragliche Kandidaten zusammen. Unbeleuchtet blieben bislang, so Illies, Kunsthandelsnachlässe. In der Galerie Wolfgang Gurlitt etwa gab es noch um 1970 einen Hinweis auf eine kleine Friedrich-Sammlung.

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Wer malte den Wanderer? Beunruhigend ist, dass sich Fragen der Echtheit aufdrängen. Es gibt Stimmen, die die Authentizität vom „Wanderer über dem Nebelmeer“ bezweifeln. Wenn Illies bemerkt, dass das Gemälde erst 1939 entdeckte wurde und in keinem Brief des Künstlers oder anderer Zeitgenossen erwähnt ist, unterstreicht es die vage Vermutung. Der stolze Wanderer in Gipfelstürmer-Pose irritiert im Vergleich mit der Bescheidenheit anderer Figuren.

Markus Bertsch, Sammlungsleiter der Kunst des 19. Jahrhunderts, weist die Unsicherheiten nicht zurück. „Aber ohne verlässliche Indizien, kann keine Aussage getroffen werden“. Eine Pigmentanalyse und ein Infrarotreflektogramm liegen bislang nicht vor. „Wir sind gefordert,“ räumt er abschließend ein.

Diese Version von Caspar David Friedrichs Gemälde "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes" hängt in Dresden. Foto: Albertinum | Galerie Neue Meister

Auf dem Kunstmarkt sind Werke Friedrichs rar. 2004 versteigerte Sotheby‘s eine kleine „Nordische Landschaft“ für umgerechnet 1,6 Millionen Euro mit Aufgeld. Das „Karlsruher Skizzenbuch“ von 1804 wurde im letzten Dezember von Grisebach für 1,8 Millionen Euro veräußert, noch ausgebremst durch eine Prüfung der Ausfuhrmöglichkeit durch staatliche Kulturbehörden.

Eine große Landschaftszeichnung samt Farbangaben hält den Zusammenfluss von Prießnitz und Elbe fest. Für einen sechsstelligen Betrag wird sie von J. P. Schneider Jr. in Frankfurt und Emanuel von Baeyer in London angeboten. Sie ist eines der Highlights in Schneiders Katalog zum 200-jährigen Bestehen der Vergolderfirma, die seit 1884 in 5. Generation als Kunsthandlung geführt wird.

„Einen richtigen Markt für Friedrich gibt es nicht, weil nicht genügend Werke verfügbar sind,“ erläutert der Hamburger Kunsthändler Mathias Hans. Seine Preisvorstellungen für eine Version des Gemäldes „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ aus den 1830er-Jahren und des Motivs „Kreuz an der Ostsee“ liegen im zweistelligen Millionenbereich. In den nächsten Monaten werden sie in der Friedrich-Ausstellung in der Alten Nationalgalerie Berlin zu sehen sein. Und im August beleuchtet Dresden, die Wahlheimat des Greifswalders, Friedrichs Verhältnis zu den Alten Meistern.

„Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit“: Hamburger Kunsthalle bis 1. April. Katalog, Hatje Cantz Verlag, 54 Euro. Für den Ausstellungsbesuch sollten Zeitfenstertickets online gebucht werden.

Mehr: Bestsellerautor Florian Illies: „Dieser Sonderling schafft es, unsere Seelen zu berühren“

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