Vier Kunstmarkt-Reports
Fallende Umsätze mit Hochpreiskunst

Wiesbaden. Der aktuelle „Art Market Report“ von Clare McAndrew für die Art Basel und UBS 2024 stellt einen auf 65 Milliarden US-Dollar gesunkenen weltweiten Kunstmarktumsatz fest, vier Prozent weniger als im Jahr zuvor. Das klingt nicht dramatisch, ist tatsächlich jedoch alarmierend. Denn das Marktvolumen ist damit kleiner als im Jahr 2007.
Vor 16 Jahren kam McAndrew auf 65,9 Milliarden Dollar, damals noch in ihrem Bericht für die Messe „Tefaf“. Dabei handelt es sich um absolute Zahlen, also ohne Einbeziehung der Inflation. Im Vergleich zu damals hat der US-Dollar nur noch eine Kaufkraft von 68 US-Cent. De facto stagniert der Markt nicht nur, sondern er ist kräftig geschrumpft.
Die Zahlen dieser und anderer Untersuchungen sind allerdings traditionell mit Vorsicht zu genießen, da lediglich die eine Hälfte der Branche einigermaßen verlässliche Zahlen liefert, nämlich das Auktionswesen. Die andere Hälfte, der von Kunsthandlungen und Galerien bestrittene Handel, kann lediglich befragt und geschätzt werden. Steuer- und Außenhandelsstatistiken, die von einzelnen Staaten erstellt werden, sind in ihrer Systematik unterschiedlich und lassen oft nur indirekt Schlüsse auf tatsächliche Branchenumsätze zu.
Die Zuverlässigkeit der jeweils veröffentlichten Zahlen ist also nicht unbedingt gegeben. Geht man davon aus, dass methodisch immer mit derselben Unschärfe gemessen wird, lassen sich immerhin Aussagen über Entwicklungen treffen. Zudem wickeln gerade die großen Auktionshäuser Sotheby's, Christie's und Phillips hochkarätige Transaktionen zunehmend über sogenannte private sales ab, und die sind genau das: privat und eben nicht öffentlich nachvollziehbar.
Die Kernaussage von McAndrews Bericht scheint jedoch eindeutig: Gelitten hat im vergangenen Jahr das Top-Segment, in dem Kunstwerke jenseits von 10 Millionen Dollar gehandelt werden. Das gilt gleichermaßen für die Auktionshäuser wie für den Handel.

Während Galerien und Kunsthandlungen bis zu 5 Millionen Dollar Jahresumsatz zwischen 4 bis 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen konnten, büßten die größeren Unternehmen bis 10 Millionen Dollar Umsatz 3 Prozent ein und die ganz Großen sogar 7 Prozent.
Dass sich mit einer breiteren und tieferen Analyse des Auktionsdatenbestands größere Trends aufspüren lassen, verdeutlicht Artnet mit seinem „Intelligence Report“, der zudem mit journalistischen Analysen aufwartet. Ein Vergleich der Suchbegriffe der Jahre 2005 und 2023 zeigt den kompletten Absturz des Impressionismus. Waren Anfang des Jahrhunderts noch Renoir, Monet und Degas unter den 15 am häufigsten gesuchten Künstlern auf den Rängen Fünf, Zehn und Zwölf, war zuletzt keiner von ihnen mehr in der Liste vertreten. Stattdessen werden Informationen zu Yayoi Kusama (3), Gerhard Richter (6) oder Jean-Michel Basquiat (8) gesucht.
Der „Artsy Fair Report“ 2024 ist der erste seiner Art. Die Internetplattform gewinnt ihre Erkenntnisse durch Befragung der Mitglieder des eigenen Galerienetzwerks und anderer Galerien im Januar und Februar dieses Jahres, insgesamt 377. Die Aussagekraft von solchen Erhebungen, die auf Selbstauskünften beruhen, ist begrenzt, da die Befragten trotz Anonymität oft strategisch antworten.
Umso erstaunlicher und für Sammler überaus interessant ist es, dass über die Hälfte der Galerien angibt, auf Messen durchschnittlich Rabatte von zehn bis 15 Prozent zu gewähren, 17 Prozent sogar noch mehr. Lediglich 8 Prozent gewähren demnach keinen Nachlass. Das bedeutet freilich nicht, dass über 90 Prozent der Werke mit Rabatt verkauft werden. Museen, prominente Sammler und regelmäßige Kunden dürfen jedoch fast überall mit einem gewissen Verhandlungsspielraum rechnen.
Ein wenig überraschen dürfte viele, dass New York mit Abstand als wichtigster Kunstmessestandort der Welt angesehen wird, mit großem Abstand gefolgt von Basel. Miami und London sind demnach fast gleichauf auf den Rängen Drei und Vier, während Paris mit wiederum etwas deutlicherer Distanz auf Rang Fünf liegt. Relativ abgeschlagen sind sämtliche Marktplätze in Asien. Ähnliches gilt für die abgefragten Weltregionen; hier führen Nordamerika und Europa, während sich Asien und der Mittlere Osten mit Nebenrollen begnügen müssen. Die Musik spielt also nach wie vor in der alten Kunstmarktwelt, auch wenn das in der medialen Darstellung oft anders erscheinen mag.
Umsatzplus mit jüngerer Kunst von Frauen
Ermutigend ist der Blick, den der „Women Artists Market Report“ von Artsy auf diesen Aspekt des Kunstmarkts wirft. Die Analyse im Vorjahr musste noch konstatieren, dass 2022 auf Auktionen Kunstwerke von Frauen insgesamt lediglich knapp ein Zehntel des Gesamtumsatzes erzielten. Jetzt ergab eine genauere Analyse des Jahres 2023, dass im Bereich des Ultra Contemporary, also der nach 1975 Geborenen, Frauen 44 Prozent des Umsatzes ausmachten und bei den Jahrgängen nach 1985 sogar 63 Prozent.
Das Ungleichgewicht vergangener Zeiten wird vom Markt also aktuell sogar überkompensiert. Ob es sich dabei um eine der üblichen Spekulationsblasen handelt, dürfte mittelfristig keine entscheidende Rolle spielen, denn hinter den Status Quo der zumindest in der aktuellen Produktion vorherrschenden Geschlechterparität dürfte auch gesellschaftlich kaum ein Weg zurückführen.