
Christian Dürr
Wie der neue FDP-Chef die Partei wiederbeleben will
Berlin. Das Tiefgaragentor im Hans-Dietrich-Genscher-Haus öffnet sich, eine schwarze Limousine rollt auf die Berliner Reinhardtstraße. Die Scheiben dunkel, die Absicht klar: geordneter Rückzug. Drinnen sitzt der amtierende FDP-Chef – zu diesem Zeitpunkt ist das noch Christian Lindner.
Gute drei Stunden später läuft dessen Nachfolger die Reinhardtstraße hinunter. Am Haus Nummer 14 vorbei steuert Christian Dürr ein kleines Café neben der Parteizentrale an. Die Arbeitsräume der FDP-Zentrale bleiben diesem Christian am Montag verschlossen. Noch.
Dürr, studierter Ökonom und gelernter Politiker, wurde am Freitag auf dem Bundesparteitag in Berlin zum neuen FDP-Vorsitzenden gewählt. Er hat viel Arbeit zu bewältigen. Aber selbst als Präsidiumsmitglied hatte er bisher keinen Zugriff auf Büro, Fahrer oder Dienstwagen, die sind Parteichef und Generalsekretär vorbehalten. Dürr hielt sich penibel daran – und improvisierte.
Sein Bundestagsbüro, ein schönes Eckzimmer mit Blick auf den Reichstag, musste der frühere Fraktionschef schon vor Wochen räumen, nachdem die FDP aus dem Parlament geflogen war. Nach Berlin fuhr er zuletzt selbst mit dem Auto. Ansonsten arbeitete er viel im Homeoffice in Ganderkesee, einer kleinen Gemeinde bei Delmenhorst, wo er mit seiner Frau und den beiden Kindern lebt.
Das Improvisieren hat nun nach dem Parteitag ein Ende. Und doch steht es sinnbildlich für das, was vor Dürr liegt: Als „neuer Lindner“ muss er die darniederliegende FDP wieder aufrichten, die Partei zusammenhalten, ihr ein neues Programm verpassen und verhindern, dass sie als außerparlamentarische Opposition in Bedeutungslosigkeit versinkt.
Mit 82 Prozent haben die Delegierten ihren neuen Parteichef gewählt. Nach Lindners Rückzug gilt er vielen Liberalen als einziger Hoffnungsträger, vielleicht auch als letzter. Auf CL folgt CD.
Was aber ändert sich außer dem Nachnamen? Wofür steht Dürr, was hat er vor? Das Handelsblatt hat den Niedersachsen in den vergangenen Wochen immer wieder getroffen, hat mit Vertrauten und Kritikern gesprochen – und ist der Frage nachgegangen, in welche Richtung Dürr die Liberalen führen will.