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Kunsthandel in New York

Galerien haben nichts aus der Pandemie gelernt

New York hat für den Kunsthandel nichts an Anziehungskraft verloren. Ein Dutzend Galerieschließungen schreckt die Branche jedoch auf. Es wird höchste Zeit, den Gürtel enger zu schnallen.Barbara Kutscher 30.10.2024 - 13:00 Uhr Artikel anhören
Marian Goodman eröffnet ihr neues Galeriegebäude mit einer Gruppenschau aller ihrer 50 Künstler. Abgebildet sind Arbeiten von Julie Mehretu, Nairy Baghramian und Gabriel Orozco (von li). Foto: Alex Yudzo / Marian Goodman Gallery, New York

New York. Museumsreife Ausstellungen in den Palästen von New Yorks Großgalerien können Flaneure leicht über das derzeit schwierige Marktumfeld hinwegtäuschen. Doug Wheelers spektakuläre immersive Lichtinstallation „Day Night Day“ bei David Zwirner warf Besucher etwa in einen gefühlt grenzenlosen Raum. Dort schien das Licht von Tag zu Nacht und wieder zurück zu wechseln. Eine Erfahrung, die jeder Gast nur zweieinhalb Minuten lang auskosten durfte, denn draußen gab es eine lange Warteschlange.

Hauser & Wirth vereinte in „Drive II“ zum ersten Mal Jason Rhoades’ selten gezeigtes Werk „Car Projects“ aus den 1990er-Jahren, eine Flotte von Autos, die der Kalifornier einst als Readymade-Skulpturen fuhr. Die Pace Gallery wird im November anlässlich des hundertsten Geburtstags des Fotografen Robert Frank sein Spätwerk zeigen („Hope Makes Visions“), zeitgleich mit der großen Retrospektive im MoMA.

Auch die Marian Goodman Gallery macht von sich reden. Seit 1977 wirkt sie diskret aus einem, später aus zwei Stockwerken eines Bürohauses an der 57. Straße in Midtown; Ende Oktober zog sie in den neuen Hauptsitz. Das ehemalige Industriegebäude von 1875 wurde in einem feinen Balanceakt zwischen Alt und Neu aufwendig renoviert und ist nun das größte Galeriegebäude im trendigen Distrikt Tribeca.

Alle 50 Künstler sind in der Eröffnungsshow „Your Patience Is Appreciated“ (bis 14.12.) vertreten, und fast alle Werke stehen zum Verkauf. Sie reichen von Marcel Broodthaers’ kleiner Skulptur „Deux Tonneaux“ (1966) über ein Soundpiece von Annette Messager im dritten Stock des Treppenhauses („Comme Si“, 2022) bis zu Arbeiten jüngster Zugänge wie der Kolumbianerin Delcy Morelos.

Morelos arbeitet mit natürlichen Materialien wie Erde oder Fasern. Goodman, heute weit in ihren Neunzigern und in Los Angeles lebend, hatte das Tagesgeschäft 2021 einem fünfköpfigen Führungsteam unter der Leitung des Schweizers Philipp Kaiser übertragen. Kaiser war kurzzeitig Direktor des Kölner Museums Ludwig. Er plant, künftig in den fast fünf Meter hohen, lichtdurchfluteten Räumen auch Projekte von Künstlern zu zeigen, die nicht zur Galerie gehören. „Man muss ja nicht immer heiraten, kann auch nur mal zum Abendessen gehen“, scherzt er.

Hans Op de Beecks Engel „Zhai-Liza (angel)“ sitzt in nachdenklicher Pose in der New Yorker Filiale der Galerie Templon. Foto: Handelsblatt

Dabei wurde die Szene im Sommer von etwa einem Dutzend Galerieschließungen aufgeschreckt. Es war nicht nur der Generationenwechsel wie bei Joan T. Washburn oder Betty Cunningham. Es hat vor allem junge Händler mit einem trendigen Programm getroffen. Kleine und mittelgroße Galerien hätten es im aktuellen Klima sehr schwer, kommentierte eine Sprecherin im Juli das Ende der David Lewis Gallery in Tribeca nach elf Jahren.

Aber Maureen Bray, bis vor Kurzem Direktorin der Händlervereinigung Art Dealers Association of America (ADAA), wischte in einem Interview Krisenbedenken beiseite: „Es ist Teil des natürlichen Auf und Ab, dass Galerien öffnen und schließen. Wenn man sich die 22 Gründergalerien der ADAA im Jahr 1962 ansieht, existieren nur noch drei davon. Kleine Unternehmen haben oft eine relativ kurze Haltbarkeitsdauer. Ein Hauptgrund dafür ist, dass nur sehr wenige kleine Unternehmen Nachfolgepläne haben.“

Auch Großgalerien verzeichnen einen Umsatzeinbruch

Noah Horowitz, CEO der „Art Basel“, schilderte vergangene Woche bei der Präsentation des Reports „Art Basel and UBS Survey of Global Collecting“ in New York: „Händler sind nervös. Verkäufe dauern heute länger, und die Kundenbindung ist eine Herausforderung.“ Nach der Covidpandemie hätten die Kosten für Logistik, Versicherung und Messeteilnahmen enorm angezogen. „Viele Galerien haben die staatlichen Hilfsprogramme während der Covidpandemie für eine Erweiterung genutzt. Aber für einige lief es nicht wie geplant.“

Auch die Großgalerien verzeichneten nach dem Kaufrausch während der Pandemie einen Umsatzeinbruch. Marc Glimcher, Präsident und CEO der international aufgestellten Pace Gallery, bezifferte den Rückgang im Sommer auf Christie’s „Art+Tech Summit“ in New York auf 20 bis 30 Prozent, und dabei sei das Vorjahr auch schon nicht so gut gelaufen.

Die Lösung? Für Jeff Poe, Mitgründer der kalifornischen Galerie Blum & Poe, aus der er sich im vergangenen Jahr zurückzog, ist sie klar: den Gürtel enger schnallen. Die meisten Galerien seien zur allgemeinen Überraschung während der Pandemie immens erfolgreich gewesen. Aber nur, weil die Ausgaben wegfielen, so der ehemalige Händler im „Baer Faxt“-Podcast. „Galerien haben nichts aus der Pandemie gelernt. Sie kehrten gleich zu ihren alten Gewohnheiten zurück.“

Der Galerist Paul Henkel bezog vor zwei Jahren Räume zwischen Broadway und Bowery. Zugute kommt ihm, dass hier einige der besten Sammlungen New Yorks zu Hause sind. Foto: Palo Gallery

Aber New York, seit etwa 50 Jahren globales Zentrum des Kunstmarkts mit dem höchsten Umsatz, verlor nichts an seiner Anziehungskraft. Galerieräume werden immer noch gesucht, und gute Lagen finden sofort Abnehmer. Die ehemalige JTT Gallery in Tribeca wird nun vom jungen Händler Matthew Brown aus Los Angeles belegt, und Per Skarstedt erwarb das für Cheim & Read maßgeschneiderte Gebäude in Chelsea als zweites Standbein in der Stadt. Ab 8. November wird hier der Künstler KAWS in „Day by Day” seine neuen Gemälde vorstellen.

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Auch viele ausländische Galerien setzen auf eine Niederlassung, darunter zuletzt Silverlens (Manila), Barro (Buenos Aires), Templon (Paris), White Cube (London), Kurimanzutto (Mexico City), Amanita (Florenz) und Mendes Wood (São Paulo). Revolver Galería (Lima) und Instituto de Vision (Bogotà) teilen sich Räume. Die Branche kann sich auch nicht über Nachwuchs beklagen. Will man junge, vielversprechende Galerien besuchen, findet man sie meistens auf den preiswerten oberen Etagen.

Paul Henkel sicherte sich für seine Palo Gallery dagegen eine bequeme Lauflage in NoHo, einer geschichtsträchtigen Gegend zwischen Broadway und Bowery, in der einst Basquiat und Robert Mapplethorpe Studios hatten. Seitdem der 28-Jährige vor zwei Jahren eröffnete, befindet er sich auf der Überholspur. In den umliegenden Häusern zwischen trendigen Boutiquen und Restaurants hingen einige der besten Sammlungen der Stadt, weiß er, „und die kaufen bei uns“.

Erotische Polaroids für 500 Dollar können sich auch 25-Jährige leisten

Vorsichtig stieg er nach dem Studium der Kunstgeschichte mit Pop-ups ein. „Als mir dann größere Galerien Künstler abspenstig machten, merkte ich, dass ich etwas richtig mache“, so der Enkel der Düsseldorfer Mäzenin und Sammlerin Gabriele Henkel und Sohn der prominenten ehemaligen Zeichnungshändlerin Katrin Bellinger.

Henkel setzt auf ein kontrastreiches Programm und bedient auch den Sekundärmarkt. Im Sommer mietete er zusätzlich Räume im immer noch etwas schmuddeligen East Village an und experimentiert dort mit ganz jungen Positionen. Die erste Ausstellung, erotische Polaroids von Lauren Massie und Lily Burgess, wurde zu je 500 Dollar fast ausverkauft. „Diese Preise können sich auch 25-Jährige leisten“, so baut der geschäftstüchtige Händler die nächste Sammlergeneration auf. „Viele große Galerien haben Schwierigkeiten damit.“

Auch die Preise für die sinnlichen Bilder der in Westafrika (Liberia) geborenen Malerin Lewinale Havette in brillanten Farben bewegen sich bewusst konservativ im niedrigen vierstelligen Bereich, reichen manchmal über 10.000 Dollar hinaus. Sie werden im November auch auf der „Art Cologne“ gezeigt werden, an der sich Henkel zum zweiten Mal beteiligt.

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