Kunstmesse „Art Basel Paris“
Amerikanische Sammler reisen in Familienstärke an

Paris. Die Rechnung der Schweizer Messegesellschaft MCH scheint für diese Ausgabe aufgegangen zu sein. Finanzstarke Sammlerinnen und Sammler aus den USA und Asien lassen es sich nicht nehmen, die erste Ausgabe der Kunstmesse unter ihrem neuen Markennamen „Art Basel Paris“ zu besuchen. Letzte Woche noch hatte diese Sammlerelite die „Frieze“ in London gemieden. Die hilflose Erklärung dieser Absenz, vermögende Amerikaner wollten erst mal den Ausgang der Präsidentschaftswahlen abwarten, bewahrheitet sich an der Seine nicht.
Paris verknüpft Tradition mit Avantgarde, Lebenslust mit Kultur wie kaum eine andere Stadt. Hier gibt es zahllose Fünf-Sterne-Hotels, Museen und Privatsammlungen, die Abendgestaltung ist hier prachtvoller als im eher biederen Basel.
Sammler aus Übersee, Belgien, Deutschland, Frankreich und Italien bevölkerten deshalb am ersten von zwei VIP-Tagen das renovierte Grand Palais, allein, zu zweit und in Familienstärke. Und die Aussteller versuchten nach Kräften, die Kauflust zu stimulieren.
Die neu geschaffene Abteilung „Premise“ im ersten Stock, wo der Quadratmeter weniger kostet als im Parterre der Platzhirsche und Megagalerien, ist gelungen. Bei Premise trifft der Messeflaneur auf kuratierte Ausstellungen der besonderen Art. Dina Vierny aus Paris inszeniert eine gehaltvolle Hommage an den deutschen Kunstvermittler Wilhelm Uhde. Er machte einst die Klassische Moderne und die sogenannten Primitiven bekannt. Am Stand figurieren Henri Rousseau, Sonia Delaunay und Séraphine Louis nebeneinander.
The Pill rückt die türkische Künstlerin Nil Yalter ins Bewusstsein, die kürzlich im Museum Ludwig in Köln geehrt wurde. Sies + Höke aus Düsseldorf lassen uns die wenig bekannten experimentellen Fotos der Malerstars Sigmar Polke und Gerhard Richter entdecken. Pauline Pavec erinnert in Premise an die lange vergessene Malerin Juliette Roche. Ein malerisch und gesellschaftlich präziser Blick in einen Modeladen aus dem Jahr 1912 soll 90.000 Euro netto kosten. (Nachfolgend alle Preise ohne Mehrwertsteuer.)

Auf gleicher Etage, aber außerhalb der Premise-Sektion findet man die gefragten Porträts Schwarzer Menschen von Amoako Boafo bei Mariane Ibrahim aus den USA. Bei Plan B aus Bukarest markiert die Anverwandlung eines Dora-Maar-Porträts von Picasso durch den Marktliebling Adrian Ghenie die Preisspitze mit 900.000 Euro.
Unten, in der prachtvollen Tageslichthalle unter grünen Stahlstützen tummeln sich die Großgalerien, gruppiert in Sechser- und Achterblöcke. Die meisten mischen kapitale Werke, meist Bilder mit ausgesprochen kleinen Formaten. So kann man vermögende Kunden ansprechen und auch an die verkaufen, die sich in der weltpolitischen und ökonomischen Krise mit dem Geldausgeben zurückhalten wollen, aber doch ein kleines Bild erwerben möchten zur Erinnerung.
An die erste Kategorie Sammler wendet sich Landau Fine Art aus Montreal. Die Galerie ist eine der global agierenden für Expressionisten. Für 14.950.000 Dollar reicht sie Jawlenskys aufwendig auf einer Holzschnitzerei präsentierte „Spanische Tänzerin“ weiter. Findet Landau einen Käufer, ergibt das einen satten Gewinn, lag der Verkaufspreis bei Ketterer in München in diesem Juni doch bei 8,3 Millionen Euro.
Die prachtvollsten Surrealisten sind unverkäufliche Leihgaben
Ähnlich viel, 15 Millionen Dollar, erwartet Acquavella für „Man Accabonac“ von Willem de Kooning. Das Hochformat von 1971 ist nicht nur im Kolorit so reich und differenziert wie wenige Gemälde. Es ist dazu noch ein schmales Hochformat. Ein charakteristisches Bildnis des Kunstsammlers David Thompson von Alberto Giacometti soll sieben Millionen Dollar kosten. Der Industrielle Thompson hatte 1960 dem späteren Gründungsdirektor der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW 88 Werke von Paul Klee verkauft.
Der Surrealismus, der vor 100 Jahren als neue Kunstform Blüten trieb, wird gerade im Pariser Centre Pompidou gefeiert. Die New Yorker Galerie Nahmad hängt sich mit einer eher flauen Zusammenstellung an. Ein prachtvoller Miró, „Femme et Oiseau“, und Picassos Großformat „Fenêtre ouverte“ sind allerdings unverkäufliche Leihgaben. Für ein relativ dunkles Waldbild, „Cage, Foret, Soleil noir“, von Max Ernst lassen sich zehn Millionen Dollar notieren.

Jack Shainman aus New York setzt sich seit Langem für Künstler aus Afrika ein. Der monumentale Wandteppich „Timespace“ von El Anatsui aus dem Jahr 2014 schlägt hier mit 1,8 Millionen Dollar zu Buche, ein Dinner-Gemälde von der beliebten Malerin Lynette Yiadom-Boakye mit 750.000 Dollar.
Bei David Zwirner, gleichfalls aus New York, warten zwei verwischte Figurenbilder von Gerhard Richter nach Fotos aus einem Familienalbum auf entschiedene Käufer. Für „Familie im Schnee“ von 1966 lässt sich ein Preis von acht Millionen Dollar erfragen. Für jeweils 250.000 Dollar gehen zwei monochrome Zeichnungen von Elizabeth Peyton weg, die in Pink oder Blau ihre Freude eindrücklich charakterisiert.
Die Grenzen von Primär- und Sekundärmarkt lösen sich immer weiter auf
Am Stand der Galerie Meyer Riegger, die in Karlsruhe, Berlin, Basel und Seoul präsent ist, hängt ein Bild aus gespannten Wollfäden von der zurzeit sehr gefragten Sheila Hicks. Der attraktive Farbverlauf von Grün nach Rot soll 100.000 Dollar kosten. Horst Antes’ charakteristisches Kopfbild ist für 84.000 Euro brutto zu haben.
Bei der in Hamburg und Beirut arbeitenden Galerie Sfeir-Semler warten Überraschungen auf den Besucher. So ergänzt die Galeristin die bereits 1986/87 auf einem Amiga-Computer programmierten Farbabstraktionen, -verläufe, -verkreuzungen und Überlappungen der „digital kinetic paitings“ von Samia Halaby mit einem leuchtenden Gemälde von 1987. „Swing“ lebt von klaren Farben und einem Schwung in allen Formen, der mitreißt. 130.000 Dollar kostet das Bild, je 15.000 die Computerkunst.
Der deutsch-syrische Maler Marwan ist Berliner Flaneuren vielleicht noch ein Begriff. Sfeir-Semler wartet mit einem Frühwerk von 1965 auf. „Das Bein“ stellt ein bestrumpftes Frauenbein auf der Schulter eines reichlich derangierten Mannes dar, vielleicht ein selbstironischer Blick, für den 500.000 Euro erwartet werden.
Der Start der Art Basel Paris ist gelungen, die Stimmung gut. Es ist eine übersichtliche, nicht zu überladene Konzernmesse geworden, die Platz lässt für Entdeckungen. Wie potent die Megagalerien sind, dokumentiert Hauser & Wirth eindrücklich. Bereits am ersten Tag wurden Werke von Mark Bradford, Ed Clark und Jeffrey Gibson verkauft.
Überragt werden Wirths Stammkünstler von einer Wand-„Spinne“ von Louise Bourgeois und einer suprematistischen Komposition von Kasimir Malewitsch in Schwarz mit Grün und Blau. „Das Bild aus dem Umfeld des ‚Schwarzen Quadrats‘ stammt aus einer Restitution“, sagt ein Mitarbeiter. Einen Preis nennt er für beide nicht, sie seien reserviert.
Das Beispiel zeigt, wie sich die Grenzen von Primär- und Sekundärmarkt immer weiter auflösen. Und wie wichtig Messen als Kontaktraum zu Käufern geworden sind, seit Galerien kaum mehr besucht werden.
Art Basel Paris, Grand Palais, Avenue Winston Churchill, Paris, 18. bis 20. Oktober 2024